kritischer raum

Drei Stücke für Auge, Leib und Geist

Max Dudler, Restaurierung und Ergänzung des Hambacher Schlosses, Neustadt an der Weinstraße, 2005 – 2018

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Das Hambacher Schloss ist wie die Frankfurter Paulskirche einer jener wenigen Traditionsorte, in der die deutsche Demokratie ihrer Wurzeln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gedenkt. 1832 war die Kästenburg bei Neustadt an der Weinstraße, später auch Maxburg oder Hambacher Schloss genannt, Ort des „Hambacher Festes“. Der fast einwöchige volkstümliche Auflauf von mitunter fast 30.000 Menschen beim Schloss, zu dem der von den Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg Wirth gegründete „Deutsche Preß- und Vaterlandsverein“ aufgerufen hatte, war eine Reaktion auf zunehmende staatliche Repressionen in der zu Bayern gehörigen Pfalz. Im Zentrum der vielen Ansprachen unterschiedlicher Couleur stand insbesondere die nationale Einheit der deutschen Länder. In manchen Reden wurden Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefordert, Wirth proklamierte sogar ein „conföderiertes republikanisches Europa“ mit der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. In der an älteren Symbolen zwangsläufig armen deutschen Demokratie wird das Hambacher Schloss heute gern etwas euphemistisch als „Wiege der deutschen Demokratie“ sowie der europäischen Einigung dargestellt. Inzwischen kommen jährlich etwa 200.000 Besucher zum Hambacher Schloss.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

2004 gewann der Schweizer Max Dudler einen Wettbewerb, bei dem es darum ging, die in mehreren Bauphasen vom 11. bis zum 14. Jahrhundert entstandene und bis in die 1980er Jahre mehrfach umgebaute Burganlage für den ständig ansteigenden Besucherstrom herzurichten. Dazu gehörte ein Ausbau der vorhandenen Räume für Ausstellungs- und Tagungszwecke, der Neubau eines Restaurants und eines Eingangsgebäudes. Diese letzte, 2014 fertiggestellte Arbeit bildet den Auftakt des Aufgangs zum Schloss und markiert gleichzeitig den Beginn eines subtilen Weges durch mehrere Bedeutungsebenen, die Dudlers Eingriffe in die Struktur und die Substanz des Bestands berühren.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Das Eingangsbauwerk, das Kasse und Shop aufnimmt, entwickelt sich mit längsrechteckigem, doppelt geknicktem Grundriss am äußeren Mauerring der Burganlage. Dudler und sein Projektleiter Simone Boldrin haben bei der Formgebung des Baus auf die archetypische Figur des Hauses mit von Fenster- und Türöffnungen durchbrochenen Fassaden zurückgegriffen. Die einfache Form gewinnt vor allem durch die einheitliche Materialverwendung eine unaufdringliche, aber markante Präsenz. Das in die Figur verschliffene Satteldach mit verdeckter Rinnenkonstruktion verstärkt den archaischen Ausdruck des Gebäudes. Er wird durch die Wirkung der lakonisch ins Mauerwerk eingeschnittenen Öffnungen unterstützt, die die dicken, horizontal gelagerten Lagen aus gelbem Leistädter Sandstein, der in der gesamten Burg verwendet wurde, perforieren und ihre Stärke sichtbar machen.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Gesamtanlage, Foto: Fischer.H (via Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Gesamtanlage, Foto: Fischer.H (via Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Der Grundriss des Bauwerks gliedert sich in einen Hauptraum und kleinere dienende Nebenräume. Der große Kassen- und Verkaufsraum ist nach Dudlers Entwurf mit Einbaumöbeln und Wandverkleidungen aus Kirschholz ausgestattet. Die verschwenkten Mauern sind genauso mit hellem Putz behandelt wie die der Dachform folgende Decke: So ergibt sich ein farblich und räumlich facettenreiches Bild. Dabei tritt die „weiche“ Materialität des Innern mit Holz und Putz in einen sensiblen Kontrast mit dem harten, kantigen Gehäuse aus Sandstein – ein Effekt, den Dudler auch bei seinen anderen Zubauten am Hambacher Schloss genutzt hat. Eine weitere Wirkung des Steinhauses tritt beim weiteren Weg den Berg hinauf vor Augen: Zusammen mit den hintereinander liegenden verwitterten Resten der alten Beringbebauung tritt die doppelt geknickte Fassade des Neubaus in einen reizvollen perspektivischen Dialog von Alt und Neu.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Weiter bergauf nimmt der Weg eine Biegung und führt durch eine hohle Gasse mit der eindrucksvollen, fast vollständig geschlossenen Mauer der Rückseite des Restaurantbaus. Das mehrgeschossige Gebäude auf winkelförmigem Grundriss, das schon 2011 fertiggestellt wurde, erhebt sich zwischen dem zweiten und dritten Mauerring der Burg und verlängert diesen Befestigungsabschnitt in die Höhe. So hat Dudler die Silhouette der Gesamtanlage beruhigt, die bis dahin durch unverhältnismäßige Einbauten der 1980er Jahre gestört wurde. Der Bau selbst ist mit ganz ähnlichen Gestaltungsmitteln wie das Entrée-Gebäude gestaltet, hat aber tiefere Fenster- und Türleibungen, die dem Gebäude noch mehr plastisches Profil geben. Gemäß seinem höherrangigen Zweck verfügt das Restaurant über ein komplexes Innenleben. Das zwei- und dreigeschossige Gefüge schafft mit kommunizierenden Gängen und Treppen räumlich interessante Durchblicke zwischen den verschiedenen Etagen der wiederum nach Dudlers Vorstellungen ausgestatteten Gasträume. Das Ende der promenade architecturale führt zu einer mit breiten Mauern begrenzten Dachterrasse, die einen großartigen Blick auf das benachbarte Haardtgebirge und das Rheintal eröffnet.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Restaurant, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Von der Terrasse führt der Weg schließlich auf fast gleicher Höhe zum Eingang des zweiflügeligen Schlossbaus, den Dudler in der 2008 abgeschlossenen ersten Bauphase mit Garderoben, neuen sanitären Anlagen, einem Bistro mit kleiner Küche, einem neuen Treppenhaus mit Fahrstuhl und einem zweiten Fluchtweg ausstattete. Höhepunkt der Räumlichkeiten und damit des Rundgangs durch die Abfolge der Ein- und Neubauten von Max Dudler ist der Festsaal, bei dem der Architekt im Wesentlichen nur die historisierenden Einbauten der 1980er Jahre entfernt und die alte Bausubstanz bewahrt, aber an notwendigen Stellen ergänzt oder instandgesetzt hat. Die neue dunkle Decke, eine Empore und die Installation zeitgenössischer Ausstattung und Tagungstechnik ordnet sich dabei völlig dem Raumbild des historischen Gemäuers unter. Das gilt auch für die in den oberen Geschossen liegenden Ausstellungsräume, die allerdings durch eine mitunter unangemessene Ausstellungsarchitektur nur an wenigen Stellen ihre volle räumliche Wirkung entfalten können.

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Max Dudler, Restaurierung / Ergänzung Hambacher Schloss, Festsaal, Neustadt a. d. Weinstraße 2005 – 2018, Foto: Stefan Müller

Der sehende Besucher erlebt im Hambacher Schloss nicht nur den tourismusgerechten Ausbau einer historischen Burg­anlage, sondern eine Studie über den zeitgenössischen Umgang mit Geschichte am Beispiel überlieferter Bausubstanz. Max Dudler führt drei unterschiedliche, rangmäßig gestufte Formen vor, wie man mit historischem Bestand verfahren kann: vom schlichten, monolithischen Eingangsbauwerk, das als Neubau eine gegebene Situation aufnimmt und steigert, über den Restaurantbau, der als Zubau die bauliche Struktur der Burg fortsetzt und verbessert und um ein komplexes Raumgebilde bereichert bis zum Schloss und seinem Festsaal, dessen sorgfältig ergänzter, im Wesentlichen belassener Bestand zu neuer Wirkung gebracht ist. Insofern beschert Max Dudlers Arbeit am Hambacher Schloss ein materielles, ein räumliches und ein intellektuelles Erlebnis zugleich.
Andreas Denk

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