Andreas Denk

„grau is´ alle theorie…

…wichtig is’ au’m Platz.“ Dieses einfache wie geniale Dictum des Dortmunder Fußballspielers Adi Preissler († 2003) drängt sich immer dann auf, wenn Vereine sich der Zukunftsfrage stellen. In übertragener Hinsicht ist auch der BDA so ein Verein, und seine Zukunftsfrage stellt sich alle Jahre wieder wie die der Nationalelf. „Wie hältst du’s mit dem Nachwuchs?“, hat sich unlängst eine Arbeitsgruppe des BDA mit Bund- und Ländervertretern unter Leitung von Kai Koch (siehe: der architekt  6/12 „die macht der bücher. lektüren zur architektur“, point de vue, S. 65) gefragt und versucht, zu beantworten, was die Erwartungshaltung junger Architekten sein könnte, was der BDA demgegenüber zu bieten hat und wie die „Wertegemeinschaft als sinnstiftende Idee des BDA“ an Junge vermittelt werden kann.

Herausgekommen ist ein Positionspapier, das Ende November intensiv im Bundesvorstand kommentiert und diskutiert worden ist. Auch wenn, wie Jan R. Krause, der in Bochum Architekturvermittlung lehrt, in einem kommentierenden Vortrag auseinandersetzte, noch einzelne Punkte klärungs- und präzisionsbedürftig seien, scheinen die Weichen grundsätzlich richtig gestellt. Mit dem Papier in progress will sich der BDA dafür einsetzen, dass die junge Architektengeneration eine größere Chance als bisher erhält, eigene Ideen und eigene Wertvorstellungen in die baukulturelle Debatte einzubringen, weil er sich davon verspricht, dem Diskurs über Baukultur „Belebung und Bereicherung“ zuzuführen.

Das Papier trägt der Glaube, dass mit dem Engagement junger Architekten ein von idealistischen Zielen bestimmtes Weiterdenken und Weiterbauen unserer Städte verbunden sei. Darin wiederum lebe die sinnstiftende Idee des BDA fort, sich für gute Architektur und Stadtplanung einzusetzen. Zugleich formuliert die Arbeitsgruppe die Idee, durch Angebote und Formate, die für junge Kollegen interessant sind, sich selbst neue Inhalte zu erschließen und Ansichten und Haltungen junger Architekturbüros kennenzulernen.

Die erste Hoffnung, junge Architekten für den BDA zu begeistern, setzt die AG in eine „pluralistische Diskurskultur“, die die Chancenlosigkeit junger Architekten auf dem Markt ausgleichen soll. Um die öffentliche und fachliche Wahrnehmung zu steigern, könnte der BDA „als Initiator und Träger eines kreativen Prozesses zum gemeinsamen Suchen nach Antworten beitragen. Derartige Foren sollten inhaltlich offen für Themen und Fragestellungen der jungen Architektengeneration sein und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihre Positionen fachlich einzubringen und öffentlich zu vertreten.“ Hierfür, so formuliert das Papier, „ist eine Offenheit und Beweglichkeit des BDA auf allen Ebenen gefragt, um Ideen und Ansichten junger Kollegen ein Forum zu bieten, das zugleich inspirierend für den BDA wirkt.“

Die zweite Hoffnung liegt in der Attraktivität tradierter Werte: Das Arbeitspapier legt dar, dass die moralischen Kategorien Integrität, Ernsthaftigkeit, Qualität, Kollegialität und Solidarität in der momentanen Architekturlandschaft immer schwerer zu finden und deshalb sehr geschätzt werden. Der BDA bietet sich gewissermaßen als eine neue, offene und unter dem gleichen Erfahrungshorizont solidarische „Wertegemeinschaft“ an. Die hohe Diskursqualität zwischen Kollegen und innerhalb des gesamten Bundes könne genutzt werden, „um im Austausch von Wertvorstellungen zwischen unterschiedlichen Generationen die Tradition des BDA weiterzutragen“.

Die dritte Hoffnung liegt in der Figuration eines Netzwerks, das die restriktiven Zugangsbeschränkungen bei Wettbewerbs- und Vergabeverfahren durch Kooperationen in Bewerbungs- und Planungsphasen mit größeren und erfahreneren Architektenbüros unterläuft. Der BDA könnte beim Zusammenstellen solcher Partnerschaften behilflich sein. Der Bundesvorstand diskutierte in diesem Zusammenhang ein Mentorenmodell für junge Architekten, das Jan Krause ins Gespräch gebracht hatte.

Die vierte und letzte Hoffnung setzt das Papier auf die öffentliche Wertschätzung, die der BDA als Gesprächspartner bei Politik und Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen genießt. Um diese Position zu halten und auszubauen, müssten Wertschätzung und fachliche Akzeptanz immer wieder neu begründet werden. Um zementierte Auffassungen und manifestierte Sehgewohnheiten aufzubrechen und neue Handlungsfelder zu erschließen, könnten gerade junge Architekten wichtige Impulse geben.

Schließlich ruft das Positionspapier zu gemeinsamem Vorgehen auf Bund-, Länderund Gruppenebene auf: Gerade in der regionalen und lokalen Arbeit liege der Schlüssel zum Erfolg der Initiative, weil nur die berufenden Instanzen des BDA mit ihrer Offenheit und Kollegialität eine inhaltliche Partizipation junger Kollegen im BDA ermöglichen können.

Das ist die Praxis „au’m Platz“, von der Adi Preissler sprach: Soll die Integration junger Architekten besser als zuvor gelingen, ist mehr als eine Geste nötig. Die Offenheit und Solidarität der Organisationsformen des Verbandes und ihrer einzelnen Mitglieder wird sich auch immer im Maß zeigen, mit der sie auf diejenigen zugehen, die zunächst mal „anders“ sind. Es soll ja junge Menschen geben, die sich von den Begriffen „pluralistische Diskussionskultur“, „Wertegemeinschaft“, „Verbandsnetzwerk“ und „Wertschätzung bei öffentlichen Auftraggebern“ nicht ohne weiteres anstecken lassen. Vielleicht wäre der Verzicht auf solche verbalen „dreadnoughts“ der erste Schritt zu einer Erneuerung des BDA.

Im Ernstfall ist stets der Umkehrschluss zielführend: Wieviel der Verband von einer durchgreifenden Verjüngung der „Mannschaft“ erwarten könnte, zeigt sich im begeisternden Fußball, den Borussia Dortmund derzeit spielt. Das liegt auch daran, dass der BVB nicht mehr in jedem Spiel mit der Traditionself von 1967 antritt. Die alten Herren treffen sich heute lieber im „Alten Markt“ in Dortmunds City und sind bei den Heimspielen, der Jahreshauptversammlung und der Weihnachtsfeier gern gesehen und viel umjubelt: Der Respekt vor ihren Leistungen ist groß, und auch ihre Meinung und ihr Rat sind gefragt.

Doch die harte Arbeit müssen „gezz“ die unter 25jährigen machen: Nicht nur, dass die Jungs (Durchschnittsalter der Startelf Saison 2010 / 11: 22,5 Jahre) in (fast) jedem Spiel laufen, als hätten sie was genommen (durchschnittliche Laufstrecke der Mannschaft pro Spiel: 120 km), sondern Kombinationsfähigkeit, Sehvermögen, eaktionsgeschwindigkeit und Technik sind einfach besser als die der alten Hasen in Champions- und Bundesliga. Aber allein der Hinweis auf alte Tugenden des Traditionsvereins und das kontinuierliche Abspielen der inzwischen leicht leiernden Europa-Cup-Hymne „Wir halten fest und treu zusammen“ dürften kaum ausgereicht haben, um die Jungfussballer zu „Mentalitätsmonstern“ (Klopp) zu machen. Da bedurfte es wohl einer subtileren Strategie. So ein Spagat zwischen Vereinstradition und Spielfreude müsste dem BDA doch auch gelingen können…
Andreas Denk

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