neu im club

Unter dem Radar

Julia Naumann und Max Wasserkampf, Naumann Wasserkampf Architekten BDA, Weimar

„Während unseres Studiums hat er eigentlich kaum eine Rolle gespielt“, erinnert sich Max Wasserkampf an seine erste Begegnung mit Heinz Bienefeld und dessen gebautem Werk. „Im Mauerwerksatlas war ein Projekt von ihm, ansonsten kannten wir ihn kaum“, ergänzt Julia Naumann. Wir sitzen bei Sushi und Bibimbap unweit der Bibliothek der Bauhaus-Universität in der Innenstadt von Weimar. Einmal um den Block und man steht vor Goethes Wohnhaus, der direkte Weg vom Bahnhof hierher führt am Gauforum vorbei. In diesem Spannungsfeld zwischen Goethe und Schiller, Bauhaus und Nationalsozialismus, Rostbratwurst und Sushi haben Julia Naumann und Max Wasserkampf studiert und schließlich 2017 ein Büro gegründet.

Naumann Wasserkampf Architekten BDA, Wohnhaus W, Rott 2015–2017, Foto: NWA

Dass sie sich für das erste realisierte Projekt, das Wohnhaus W, dann so intensiv mit Bienefeld auseinandergesetzt haben, ist dennoch folgerichtig. Der Bau steht in der Nähe von Aachen, in einer dieser typischen deutschen Ortschaften, die von der Beliebigkeit der Schlafstadt geprägt sind: ein willkürlicher Mix aus baulichem Allerlei, dessen Bewohner ihn nur morgens auf dem Weg zur Arbeit – aus dem Auto heraus – und am späten Nachmittag noch einmal erleben. Es ist die Architektur des Alltags, die diesen Ort prägt, so dass Naumann und Wasserkampf mit ihrem Entwurf an echte bauliche Traditionen anknüpfen und „einen qualitativ guten Ort für die Bauherren schaffen“ wollten. Beides ist ihnen gelungen.

Der Bau nimmt Proportionen auf, die durch Bienefeld einst wieder ins Bewusstsein geholt wurden und die sich noch vielfach in den Dörfern zwischen Köln, Bonn und Aachen finden. Auch die Materialisierung schreibt diese historischen Linien fort. Ja, selbst die Anordnung der Baukörper von Haupthaus und Nebenräumen für Garage und Gartenutensilien und ihre Proportionierung erinnern an die kleinen Höfe der Region. Der Grundriss ist geprägt von sachlicher Schlichtheit: Ein großer, den Funktionen nach gegliederter Wohnraum ist zum Garten hin ausgerichtet und birgt Küche, Essplatz und Salon. Zur Straße hin bilden Flur und Treppenhaus als Erschließungszonen logische Schwellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Im Obergeschoss setzt sich diese stringente Form fort: An den Flur gliedern sich zwei gleich große Individualräume nebst einem kleineren Arbeitszimmer und Bad an. Was sich im Grundriss zeigt, lässt sich in der Ansicht deutlich ablesen. Sowohl funktional, wie auch handwerklich. Dem Bau ist anzusehen, dass es sich hier nicht um einen mit Klinkern tapezierten Betonbau handelt, sondern um wirkliches Mauerwerk.

Naumann Wasserkampf Architekten BDA und Peter Zirkel Architekten, Besucherzentrum für Schloss Clemenswerth, Entwurf, Sögel 2018, Abb.: NWA

Die Auseinandersetzung mit dem Werk von Heinz Bienefeld führt dabei fast unmittelbar zu den Lehrern von Naumann und Wasserkampf. „Was zum Beispiel Schmitz für uns so besonders gemacht hat, war, dass er uns als Lehrer wie als Architekt für Gebäude sensibilisiert hat, die ihren ganzen Reiz erst auf den zweiten Blick entfalten“, erinnert sich Wasserkampf an seinen Lehrer Karl-Heinz Schmitz. „Eigentlich gilt das auch für seine eigenen Bauten: Das sind stille Begleiter im städtischen Raum, keine nach Aufmerksamkeit schreiende Vertreter, die erst auf den zweiten Blick ihre ganze Qualität offenbaren“, führt der 1986 geborene Architekt aus. „Ja, Schmitz war wichtig. Und Hubert Rieß. Oder Walter Stamm-Teske.“ Julia Naumann ergänzt, was ihr Partner begonnen hat. Alles Architekten, die bundesweit „ein wenig unter dem Radar fliegen“, wie die in Leipzig aufgewachsene Architektin bemerkt.

Das erste Haus zwischen Niederrhein und Eifel, die Verwandtschaft in Leipzig, warum also Weimar? Zumal man sich neben dem Büro- auch das Privatleben teilt, das inzwischen um eine zweijährige Tochter bereichert ist. „Die Kontakte hier sind gut“, antwortet Naumann lapidar. Zu einigen etablierten Büros hier gibt es enge Verbindungen. „Wir haben Wettbewerbe mit Büros gemacht, die selbst dafür keine Zeit hatten, mit dem Ziel, diese dann als Arbeitsgemeinschaften realisieren zu können.“ Mit Peter Zirkel aus Dresden etwa, den Julia Naumann noch aus der Zeit ihrer Mitarbeit in dessen damaligen und mit Christian Schmitz geführten Büro F29 Architekten kennt, entstand so der mit einem dritten Platz ausgezeichnete Beitrag zum Wettbewerb des Besucherzentrums für Schloss Clemenswerth zwischen Meppen und Papenburg. „Eigentlich ein Wahnsinn, ein Projekt so weit weg zu bauen.“ Lachend schüttelt Wasserkampf den Kopf und führt aus: „Aber die Aufgabe hat uns eben gereizt und zum Sammeln von Erfahrung war es auch gut.“

Naumann Wasserkampf Architekten BDA und F29 Architekten, Erweiterung der Gustav Adolf Gedenkstätte, Lützen 2017–2019, Abb.: NWA

Naumann fügt an: „Und als Bestätigung, dass wir mit dem, was wir machen, nicht ganz falsch liegen.“ Auch die beiden jüngst abgegebenen und zum Zeitpunkt unseres Treffens noch nicht entschiedenen Schulbau-Wettbewerbe sind auf diese Art entstanden: ein erfahrener Architekt, in diesem Fall Andreas Reich aus Weimar, stellt Know-How und Referenzliste zur Verfügung, die jungen Kollegen bringen Engagement und frische Ideen ein. Wasserkampf und Naumann zeigen sich beeindruckt von der Kollegialität ihrer erfahrenen Berufsgenossen. „Eigentlich ziehen sie sich so ja die eigene Konkurrenz heran“, betont Wasserkampf. In der Tat partizipieren aber beide Parteien, ist es doch auch für etablierte Büros wichtig, den Ball am Laufen zu halten, den eigenen Namen immer wieder ins Spiel zu bringen.

Wettbewerbe sind das bestimmende Thema in der Arbeit des jungen Büros. Sechs an der Zahl waren es allein in diesem Jahr bis Mitte Juli. Im September letzten Jahres führt einer zu einem ersten Platz: Wenn für die Bauherrschaft die Finanzierung gesichert ist, soll die Erweiterung der Gustav Adolf Gedenkstätte in Lützen gebaut werden. Wieder haben sich Naumann Wasserkampf Architekten mit Peter Zirkel zusammengetan, um das Projekt zu bearbeiten. Auch hier ist der Bau von einem klar zonierten Grundriss geprägt, der in einem ebenso klaren Gebäude aufgeht. Nach Südwesten fokussiert der niedrige Teil des Baus mit großformatigen eingeschossigen Fenstern auf jenen Granitfindling, der die Stelle markieren soll, an der 1632 der schwedische König Gustav Adolf fiel – das eigentliche Ausstellungsstück der kleinen Anlage. Von Nordosten her wird der Neubau aus Erd- und Tiefgeschoss an der höchsten Stelle des Pultdachs durch Oberlichter mit gleichmäßigem Licht versorgt.

Naumann Wasserkampf Architekten BDA, Das 100, Entwurf, Weimar 2017, Abb.: NWA

Hier – wie auch beim „Das 100“ titulierten Modellhaus für Studierende in Weimar, im Februar 2017 mit dem ersten Platz aus einem offenen Realisierungswettbewerb für ein entsprechendes IBA Modellvorhaben hervorgegangen – wird deutlich, wie sehr die Themen Grundriss und Zonierung die jungen Architekten beschäftigen. „Beim Studierendenwohnheim hatten wir ganz lange unglaublich komplizierte Grundrisse“, sagt Max Wasserkampf. Julia Naumann erläutert: „Die konnten alles, was die Ausschreibung gefordert hat. Aber wir waren nicht glücklich damit.“ Ein klassisches Dilemma in der Entwurfsphase. Und auch hier führte die radikale Vereinfachung der Struktur die beiden zu einem Ergebnis, das sie zufrieden stellte – und die Jury überzeugte. Ausgehend von der Idee eines gereihten Kabinetts und der anschließenden Verschiebung eines Kabinetts um ein halbes Modul, ließen sich Bäder und Flure in der Fläche minimieren und doch den Ansprüchen genügen. „Das Ziel war, solche Flächen möglichst klein und damit günstig zu halten, um ein Budget für Material und Ausbau freizumachen“, erklärt Julia Naumann die Idee. Gebaut wird nun trotzdem nicht. „Das schmerzt“, gibt Max Wasserkampf zu und deutet aus dem Fenster des Büros, in das wir inzwischen umgezogen sind: „Man hätte es von hier aus sehen können.“

Aber auch hier zeigen sich die junge Architektin und ihr Partner abgeklärt: „Wer weiß, wofür so etwas gut ist“, sagt Naumann. Beeinträchtigen lassen wollen sie sich davon jedenfalls nicht, zumal inzwischen erste Einladungen zu Verfahren eingehen. Ein Wettbewerb für einen Wohnungsbau in Erfurt bearbeiten sie derzeit, einen weiteren haben sie schon einmal ins Auge gefasst. Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit, bis Julia Naumann und Max Wasserkampf selbst mit ihrer Arbeit auf dem Radar manch anderer auftauchen und nicht länger darunter hinweg fliegen.

David Kasparek

www.naumann-wasserkampf.com

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Julia Naumann und Max Wasserkampf:
10. Oktober 2018, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
24. August bis 1. November 2018

www.neuimclub.de
www.daz.de
www.derarchitektbda.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von dormakaba, Erfurt und Heinze sowie den BDA-Partnern.

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