Bewusst ins Ungewisse
„Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen“. Woher dieses Zitat stammt, ist nicht bekannt, aber es bringt gut die Unsicherheit und die Gefahr der Fehleinschätzungen auf den Punkt, die jede Debatte über die Zukunft begleitet. Auch in unseren Städten brechen momentan alte Gewissheiten weg und hinterlassen im wörtlichen wie im übertragenen Sinne leere Räume, die zur Spekulation über Künftiges anregen: Geschäfte und Kaufhäuser in der Innenstadt verwaisen, weil der stationäre Handel schwindet, Kirchen fallen leer, weil die Zahl der Gläubigen sinkt, und Schwimmbäder sind von Schließungen bedroht, weil Betrieb und Instandhaltung für viele Kommunen nicht mehr finanzierbar sind.
Mit diesen Veränderungen ist die Frage verbunden, welche Räume wir als Gesellschaft heute und in Zukunft brauchen – und für wen. Und wie hier abgewogen werden kann zwischen öffentlichem Interesse und wirtschaftlicher Verwertbarkeit, zwischen kollektiven Bedürfnissen und individuellen Investitionsentscheidungen.
Hinzu kommt besagte Ungewissheit über die langfristige Entwicklung: Welche Nutzungen sind zukunftsfähig, welche unwiederbringlich verloren? Wäre für manche Orte eine Trendumkehr denkbar – könnten etwa Schwimmbäder in extremen Hitzeperioden und durch günstigere Energiequellen wieder mehr Bedeutung erlangen? Oder haben sich bestimmte Konzepte, wie beispielsweise der Einzelhandel in den Innenstädten, endgültig überlebt, weil sich Lebensgewohnheiten grundlegend verändert haben? Darüber hinaus besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sich die Dinge deutlich weniger eindeutig und geradlinig entwickeln.
Und auch wenn für leergefallene Räume neue Misch-, Hybrid- oder Umnutzungen gefunden werden, heißt das nicht automatisch, dass sie Bestand haben. Manche Experimente werden scheitern, nicht jede leerstehende Kirche wird eine kulturelle oder soziale Nutzung finden, nicht jede Innenstadt lässt sich in wenigen Jahren in einen vielfältigen Begegnungsraum verwandeln. In vielen Fällen wird sich erst mit der Zeit zeigen, welche Lösungen wirklich funktionieren.
Das beißt sich oft mit der Erwartungshaltung, die von schnellen Lösungen träumt. Gerade in Zeiten des Umbruchs könnte es daher ratsam sein, nicht nur nach vorn zu blicken, sondern auch zu verstehen, was verschwindet. Denn ohne ein Bewusstsein für den Wert dieser Räume bleibt ihre Transformation beliebig. Und am Ende entscheidet weniger ein langfristiger Masterplan über die Zukunft der Städte als die Frage, welche Spielräume heute genutzt – oder eben verspielt – werden. Elina Potratz