Wohnraum für Zusammenhalt
Die Erhöhung der Miete gehört Umfragen zufolge zu den größten Ängsten hierzulande(1) – das ist verständlich, schließlich fließt meist ein beachtlicher Anteil des Einkommens in die Wohn- und Nebenkosten. Und: Alle müssen wohnen, diesem Bedürfnis kann niemand ausweichen. Die Sorge um die Mietsituation hat jedoch nicht nur Einfluss auf die Lebenszufriedenheit, sondern könnte auch politische Auswirkungen haben: Eine Studie deutet darauf hin, dass eine Mietsteigerung in einem Quartier bei einkommensschwachen Haushalten die Bereitschaft erhöht, rechtsextreme Parteien zu wählen.(2)
Es ist keine Neuigkeit, dass gerade in Städten der Wohnraum knapp und teuer ist. Seit Jahren verschwinden Sozialwohnungen schneller, als neue entstehen: Von rund drei Millionen Anfang der 1990er-Jahre ist der Bestand in Deutschland auf etwa eine Million geschrumpft. Das ist eine von vielen Entwicklungen, die zu der heutigen Krise beigetragen haben. Hinzu kommt, dass der Wohnungsmarkt zunehmend den Kräften des Marktes überlassen wurde und Kosten für Bau und Bauland extrem gestiegen sind.
Vor diesem Hintergrund gerät auch Migration in den Blick – nicht selten als vermeintliche Ursache. Natürlich stellt der Zuzug von Menschen Anforderungen, die auch den Wohnungsmarkt betreffen. Doch die Wohnungskrise hauptsächlich auf Migration zurückzuführen, blendet aus, dass die Ursachen vielfältig sind und seit langem bestehen.
Zudem sind Menschen mit Migrationsgeschichte – ob seit kurzem in Deutschland oder schon seit Generationen – von der Wohnungskrise in besonderer Weise betroffen. Sie leben häufiger in überbelegten Wohnverhältnissen und werden nachweislich bei der Wohnungssuche diskriminiert – wie sogenannte „Testing“-Studien immer wieder belegen.(3) So ziehen gerade neu Zugewanderte einer Untersuchung zufolge vermehrt in Städte mit hoher Arbeitslosigkeit, weil dort die Mieten niedrig sind. Das erschwert nicht nur soziale Teilhabe und Integration, sondern wirkt sich auch gesamtgesellschaftlich negativ aus.(4)
Einen Überblick über die Chancen und Rahmenbedingungen für günstigen Wohnraum bietet das BDA-Positionspapier „Wohnungen preis-wert bauen. Positionen für bezahlbaren und qualitätvollen Wohnungsbau“. Neben wichtigen Stellschrauben wird ein zentraler Aspekt dabei immer wieder betont: Die gestalterische Qualität von Architektur und Städtebau darf bei der meist auf Quantität und Schnelligkeit ausgerichteten Debatte (die einst versprochenen 400.000 Wohnungen gehen wohl niemandem mehr aus dem Kopf) nicht aus dem Blick geraten: „Die Fehler des großmaßstäblichen Wohnungsbaus der 1970er-Jahre, sowohl in Ost als auch in West, dürfen sich trotz der Dringlichkeit nicht wiederholen.“ Schlecht geplante Quartiere von heute drohen die Problemquartiere von morgen zu werden – besonders, wenn unter dem Schlagwort „Bauturbo“ Wohnungsbau im unbeplanten Außenbereich umgesetzt wird. Das steht zentralen Zielen der Innenentwicklung entgegen und fördert Flächenverbrauch und Zersiedelung.
Drei Punkte aus dem Papier seien hier kurz umrissen. Erstens: Der Umbau bestehender Gebäude muss einfacher werden, denn der Bestand birgt enorme Wohnraumreserven. Damit diese genutzt werden können, braucht es Bauordnungen, die den Umbau nicht wie Neubau behandeln. Zweitens: Die öffentliche Hand muss ihre Rolle als Bauherrin wieder ernst nehmen. Die Stadt Wien gilt als Beispiel dafür, dass eine kontinuierliche kommunale Wohnungspolitik dauerhaft sozialen Wohnraum schaffen kann. In Deutschland hingegen wurde diese Verantwortung über Jahre hinweg privatisiert. Drittens: Die Bodenpolitik darf nicht länger dem freien Markt überlassen, sondern muss gemeinwohlorientiert gesteuert werden – etwa durch Konzeptvergaben und Erbpacht.
Für den Wohnungsbau gilt wohl das, was Zijad Doličanin im Interview in dieser Ausgabe sehr treffend formuliert: „Alles, was dem Gemeinwohl dient, fördert auch den sozialen Zusammenhalt.“
Elina Potratz
Fußnoten
1 R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen 2024“. https://www.ruv.de/newsroom/themenspezial-die-aengste-der-deutschen/grafiken-zahlen-ueberblick (abgerufen am 18.06.2025).
2 Abou-Chadi, T., Cohen, D., & Kurer, T. (2024). Rental Market Risk and Radical Right Support. Comparative Political Studies, 0(0). https://doi.org/10.1177/00104140241306963
3 Horr, A., Hunkler, C. & Kroneberg, C. (2018): Ethnic Discrimination in the German Housing Market. A Field Experiment on the Underlying Mechanisms. In: Zeitschrift für Soziologie, 47(2), S. 134 – 146; Auspurg, K, Schneck, A. & Hinz, T. (2018): Closed doors everywhere? A meta analysis of field experiments on ethnic discrimination in rental housing markets. In: Journal of Ethnic and Migration Studies, 45 (2019), 1, S. 95 – 114.
4 Wiedner, J., & Schaeffer, M. (2024). Spatial overlap: trade-offs in refugees’ residential choices. Journal of Ethnic and Migration Studies, 51(5), S. 1075 – 1097. https://doi.org/10.1080/1369183X.2024.2425213