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Reisen an die Nordküste Ägyptens „El-Sahel El-Shamali“ in den Sommerferien sind ein jährliches Ritual der oberen Mittelschicht Kairos. Während das Reisen über die Landesgrenzen hinweg aufgrund internationaler Visabestimmungen und langwieriger, oft kostspieliger Verfahren eingeschränkt ist, bleibt das Reisen vor Ort für unterschiedliche Gesellschaftsschichten zugänglich. Was in den 1970er-Jahren als unkompliziertes Urlaubsziel am Rande der Stadt Alexandria begann, hat sich zu einem der größten Immobilienentwicklungsprojekte des Landes entwickelt. In diesem Beitrag wird die Verräumlichung der zunehmenden gesellschaftlichen Ausgrenzung in unterschiedlichen Maßstäben dargestellt und ein Zusammenhang zwischen Entwurfsentscheidungen, Exklusivität und Exklusion aufgezeigt.
Eine ganze Reihe privater Feriensiedlungen, umgangssprachlich als Dörfer bezeichnet, sind entlang der Nordwestküste Ägyptens zwischen Alexandria im Osten und Marsa Matrouh im Westen entstanden und erstrecken sich über eine Länge von mehr als 300 Kilometern. Eingezwängt zwischen weitem Wüstenland und blauem Wasser des Mittelmeers wird dieser schmale Streifen von Siedlungen nur bis zu drei Monaten im Jahr, während der Sommerferien, genutzt – sie sind oft nur durch eine Mauer voneinander getrennt, unterscheiden sich in Größe, Form, Topografie und vor allem im angebotenen Niveau des Luxus. Die Küste wurde in einer mehr oder weniger chronologischen Reihenfolge von Ost nach West erschlossen, was den wirtschaftlichen Wandel des Landes von der Planwirtschaft zur neoliberalen Wirtschaft widerspiegelt. Angefangen bei staatseigenen Dörfern, die sich an die damaligen Wohlhabenden richteten, über Feriensiedlungen, die von Gewerkschaften des öffentlichen Sektors und privaten Genossenschaften entwickelt wurden, bis hin zu großen Gated Communities, von denen einige über eigene Golfplätze und riesige Lagunen verfügen. In jüngster Zeit beteiligen sich auch internationale Unternehmen an der Weiterprivatisierung der Küste. Anfang 2024 wurde an dem westlichen Ende des Küstenstreifens eine Fläche von 50.000 Hektar an internationale Investoren für 35 Milliarden USD vom Staat verkauft. (1)
Die Küste ist zu einer figurativen sozialen Leiter geworden, da die Sommergemeinden der inzwischen mehr als 200 Dörfer nicht statisch sind. Mit der fortschreitenden Entwicklung kaufen sich diejenigen, die es sich leisten können, in die neueren, exklusiveren Siedlungen ein und steigen so in eine neue soziale Klasse auf. Dieser Entwicklungszyklus hat einen Kreislauf der Exklusivität und schließlich der totalen Ausgrenzung geschaffen. Die Ursachen sind vielschichtig und würden eine umfassende Untersuchung der Planung, Produktion und Nutzung der Ferienhaussiedlungen in El-Sahel erforderlich machen. Mit Fokus auf die räumliche Dimension von Exklusivität und Ausgrenzung führte ich eine empirische und ethnografische Untersuchung durch, die Aufschluss darüber gibt, wie räumliche Elemente zur Ausgrenzung beitragen und ästhetische Gestaltungsentscheidungen ausgrenzende Effekte erzeugen können. (2)
Strukturen der Ausgrenzung
Wer ein Haus in einer der Ferienanlagen von El-Sahel kauft, wählt in der Regel aus einem Katalog von Haustypen aus, die es in verschiedenen Größen und Preisen gibt. Aus dieser Perspektive können wir zwischen Gastgeber-sein und Gast-sein unterscheiden, während die Verwendung des Begriffs „Gastgeben“ deutlich über seine traditionelle Bedeutung hinausgeht. Sandy Hilal begreift „Gastgeben“ als ein Zeichen von Macht: „Gastgeben ist Macht, und indem man Macht hat, wird man sichtbar“. (3) Das Gastrecht des Eigentümers in einer Gated Community bedeutet, jemanden Zugang zur Gated Community zu gewähren und in seinem eigenen Haus aufzunehmen. Ersteres ist eine Vorbedingung für letzteres. Letzteres ist hier Gegenstand der Analyse: die Art und Weise, wie die Ferienhäuser die Beziehungen zwischen Gastgebern und Gästen regeln. Während sich die Nichteigentümer (Gäste, Verwandte, Bedienstete) wahrscheinlich in verschiedenen Räumen des Hauses bewegen, wird jeder „Kategorie“ ein bestimmter Raum zum „Wohnen“ zugewiesen. Zur Beschreibung der Räume für das Beherbergen eines Gastes in seinem eigenen Privathaus erläutert Sandy Hilal, dass diese als Übergangsraum und Durchgang zwischen dem häuslichen und dem öffentlichen Raum fungieren.
Das Tor
Das Tor einer Ferienanlage ist der Inbegriff des Diskurses um Inklusion und Exklusion. Es ist eine Struktur, die sowohl funktional als auch repräsentativ ist. „Das Tor fungiert als Aushängeschild, um Investoren und potenzielle Käufer anzuziehen“, es verspricht „erstrebenswerten und glanzvollen Wohlstand“. (4) Tore werden oft lange vor der Fertigstellung einer Ferienanlage errichtet, und es ist auch üblich, einen anderen Architekten als denjenigen zu beauftragen, der den Rest der Ferienanlage entworfen hat. Aufgrund ihres hohen symbolischen Stellenwerts gestalten viele Ferienanlagen ihre Tore alle paar Jahre neu, andere streichen sie zu Beginn jeder Saison. Abgesehen von seiner symbolischen Funktion ist das Tor auch ein Stück Infrastruktur, mit der eindeutigen Funktion, Menschen, die die Ferienanlage nicht betreten dürfen, auszugrenzen, während die Berechtigten durchgelassen werden. Diese halbdurchlässige Membran für Privilegien ist ein Zusammenspiel aus Mensch und Technik.
Der Gatekeeper hat große Entscheidungsgewalt – die Machtgefälle zwischen Urlauber und Dienstleister zugunsten des letzteren verschiebt sich, was oft zu zahlreichen Konflikten führt. In einem Versuch, die Exklusivität zu automatisieren, dürfen Urlauber und Urlauberinnen neuerdings viele Siedlungen nur durch einen QR-Code betreten, der durch eine App generiert wird. Wenn Gäste eingeladen werden, erhalten sie von ihren Gastgebern einen QR-Code. Diese Technik vergewissert die erwünschte Abgrenzung und schränkt auch in manchen Fällen die Anzahl erlaubter, dorffremder Gäste pro Tag ein. Letztendlich müssen die Tore die versprochene Exklusivität garantieren und eine homogene Feriengemeinde gewährleisten.
Das Sommerhaus
Der Besitz eines Hauses in den Ferienanlagen von El-Sahel gewährt ein übergeordnetes Raumnutzungsrecht. Abgesehen vom Recht auf die eigene Parzelle dürfen Eigentümer alle Einrichtungen und die umschlossenen „halböffentlichen“ Räume gemäß den Richtlinien nutzen, einschließlich der Freizeiteinrichtungen wie Strand, Schwimmbäder, Seen und Parks, die in manchen Fällen durch weitere Tore und Mauern von Fremden abgeschottet sind. Wer ein Haus in einer der Ferienanlagen von El-Sahel kauft, wählt in der Regel aus einem Katalog von Haustypen aus, die es in verschiedenen Größen und Preisen gibt. Bei der Analyse dieser Machtbeziehungen kommen bestimmte Parameter ins Spiel: Abhängigkeit, Häufigkeit der Begegnungen, Art der Dienstleistung, Ort des Austauschs und Architektur des Ortes.

Villa mit fünf Schlafzimmern, privatem Pool und großzügigen Wohnflächen, Hacienda Bay, Foto: Tarek Megahed
Auch das Sommerhaus ist ein Ort des Ein- und Ausschlusses. Beziehungen und Rollen zwischen Hauseigentümern, Gästen und Arbeitenden werden durch den Austausch von sozialem, kulturellem und materiellem Kapital im Alltag des Urlaubs offenbart. (5) Diese Rollen sind auch in Architektur und Räumen eingeschrieben. Die klare Hierarchisierung der Räume, und somit auch der Rollen, hat sich in den neu entwickelten Typologien in den letzten Jahrzehnten sehr verschärft. Aus den einfachen zwei- bis drei-Zimmer Wohnungen ist die großzügige Villa entstanden. Ein Empfangs- und Wohnbereich hat einen großen Symbolcharakter und unterstreicht das kulturelle Kapital des Eigentümers. Eine große Terrasse, ein Garten oder gar ein Schwimmbad dienen der Unterhaltung von Gästen und positionieren somit den Gastgeber in der Gesellschaft. „Gastgeben“ in diesem Sinne stellt ein Machtgefälle her, denn nicht jeder Urlauber hat die Räumlichkeiten, selbst Gäste zu empfangen. Wer einladen kann, bestimmt auch zum Teil, wie andere, weniger wohlhabende Freunde und Bekannte Urlaub machen dürfen. Diese Macht wird deutlicher in der Einteilung der Schlafräume im Sommerhaus. Das größte Schlafzimmer mit dem schönsten Blick ist den Hauseigentümern vorbehalten. Weitere Schlafzimmer werden von Familienmitgliedern oder Gästen genutzt. Größe und Blick der Zimmer, die oft auf Hotel Suite-Standard eingerichtet sind, zählen zu den Faktoren der Bereicherung des sozialen Kapitals eines Hauseigentümers. Die Pflege des Hauses und die Bedienung der Hausnutzer und deren Gästen erfolgt durch Hausangestellte (Caretakers): Menschen, die ihre mühsame Pflege zur Aufrechterhaltung des Wohnens im Haus gegen materielles Kapital eintauschen. (6) Die Hausangestellten haben zwar Zugang zum gesamten Anwesen, um ihre Arbeit zu verrichten (Hausarbeit und -reinigung, Chauffieren, Babysitting, Kochen, Gartenpflege und jegliche Art von Reproduktionsarbeit), doch werden ihnen fast immer die kleinsten Räume im Haus zugewiesen, in denen die prekärsten Bedingungen herrschen. (7) Bedienstete sind demzufolge aus dem Luxus, den sie aufrechterhalten, ausgeschlossen. Wird das Haus nicht von den Eigentümerinnen selbst genutzt oder als „privates Gästehaus“ betrieben, kann es an weitere Personen vermietet oder zum richtigen Zeitpunkt wieder verkauft werden – und gilt dadurch als eine Investition im materiellen Kapital. Die beschriebenen Hierarchien im Häuslichen bleiben sichtbar im öffentlichen Raum.
Der Strand
Die Strände von El-Sahel sind die wichtigste Ressource an der Küste. Sie sind auch die Orte, die in den letzten 40 Jahren den Anstoß für alle Entwicklungen entlang der Küste gaben und die Urlauber dazu veranlassten, El-Sahel als Urlaubsziel zu wählen. Nach dem ägyptischen Umweltgesetz § 4 von 1994 ist das Land in einer Tiefe von 200 Metern, gemessen vom Ufer, in seiner natürlichen Form zu erhalten. Dieses Gesetz verbietet daher den Bau von dauerhaften (schweren) Strukturen am Strand, einschließlich zusammengesetzter Mauern oder jeglicher Strukturen, die nicht sofort wieder abgebaut werden können. Private Resorts sind gestattet, solange frei zugängliche Bereiche öffentlicher Strände in unmittelbarer Nähe vorhanden sind. Wie in diesem Erlass dargelegt, soll das Gesetz der Öffentlichkeit das Recht und den Zugang zum Strand garantieren und ihn für künftige Generationen schützen. Die Unschärfe des Gesetzes in Verbindung mit zahlreichen Fällen von Vetternwirtschaft führte jedoch zu einem weitgehend privatisierten Küstenstreifen mit zahlreichen menschgemachten Eingriffen, die nicht unbedingt umweltfreundlich sind. Auch führte es zur Verbreitung des „unzugänglichen öffentlichen Strandes“, ohne aber die Öffentlichkeit des Strandes oder das versprochene Recht auf Zugänglichkeit für alle in Frage zu stellen.
Nach den Erzählungen der älteren Interviewpartner, die bereits vor der Existenz der Resorts von El-Sahel dort Urlaub machten, gab es an den Stränden in den Städten, zum Beispiel von Alexandria, zwischen den öffentlichen Strandabschnitten zwar auch exklusive Clubs, die mit der Zeit zunahmen, der größte Teil des Strandes war jedoch für die Öffentlichkeit zugänglich. Frühe Pioniere von El-Sahel, die sich an den Stränden erfreuten, lange bevor fast die gesamte Küste von privaten Ferienanlagen vereinnahmt wurde, berichten von frei zugänglichen, weiten Sandstränden, an denen man nackt baden konnte, da weit und breit niemand zu sehen war.

Belebter Strand, ausgestattet mit Strandmöbeln, die mit Werbung für Banken und Unternehmen bedruckt sind. Im Hintergrund befindet sich eine Mauer, die von Sicherheitspersonal bewacht wird. La Vista Bay, Foto: Tarek Megahed
Die an der Küste aufgereihten Feriendörfer haben sich diese Freiheit des offenen Strandes zu eigen gemacht und weite Abschnitte dieses Nationalparks praktisch privatisiert. Die verschiedenen Dörfer verleihen ihren Stränden unterschiedliche Atmosphären. Einige bemühen sich, das nostalgische Bild des natürlichen, unberührten Strandes wiederherzustellen, wie es ältere Urlauber erzählten: Ein öffentlicher Raum, der durch die Nutzung und Aneignung seiner Benutzer zu einem Ort wurde. Der Trend geht heute jedoch dahin, dass die Dörfer mehr Dienstleistungen am Strand anbieten: beispielsweise die Aufstellung eines Standes mit Sonnenschirmen und Liegestühlen, die man mieten kann, bis hin zu eingebauten Sonnenschirmen mit Sitzgelegenheiten, die jeden Morgen vorbereitet und über mobile Anwendungen mit allen Arten von Speisen und Getränken versorgt werden. Das letztere Szenario findet man in den gehobenen neueren Resorts. Auch an den geschlossenen Stränden gibt es oft Verhaltensregeln. Manchmal werden sie auf Schildern stolz präsentiert und von den Wachleuten streng eingehalten, zum Beispiel, dass keine Hunde erlaubt sind oder keine alkoholischen Getränke konsumiert werden dürfen. In einigen anderen Orten sind die Regeln zwar unausgesprochen, aber vereinbart, insbesondere was die zulässige Kleidung an bestimmten Stränden betrifft.
Verstöße gegen unausgesprochene Regeln führen manchmal zu unangenehmen Konfrontationen, in den meisten Fällen jedoch werden Beschwerden beim Management des Dorfes eingereicht, das eine polizeiliche Funktion übernimmt. Hierdurch verliert der Strand die Qualität des öffentlichen Raums und zeigt sich als das, was er wirklich ist: ein Raum in Privatbesitz einer berechtigten Gruppe von Menschen, die ihre Verwaltung auslagert. Er fungiert aber auch als Raum der Begegnung, der in kleineren Gemeinden sehr zentral, in Ferienorten mit mehr individualisierten Dienstleistungen, wie größeren palastartigen Sommerhäusern, schwimmfähigen Lagunen und Schwimmbädern, jedoch weniger relevant ist.
Ausschließende Ästhetik
Exklusivität ist zunächst ein Versprechen an potenzielle Käufer. Sie ist in erster Linie eine Marketingstrategie, die der Bauträger einsetzt, um den Wert der Immobilien zu steigern. Diese Marketingstrategie nimmt einen zentralen Stellenwert im Planungs- und Gestaltungsprozess des Raums ein und wird schließlich zur Identität der Anlage. Exklusivität wird zum Synonym für Luxus und manifestiert sich in jedem gestalteten Element. Die bestimmte Ästhetik eines Ortes soll einen bestimmten Effekt erzeugen, um ein bestimmtes Segment der Gesellschaft, die „transnationale Klasse“, anzuziehen.8 Die Netzwerke der Immobilienproduktion treiben diese Ästhetik voran, um bestimmte Marktsegmente zu begünstigen. Die ausgrenzende Ästhetik wird dann Teil des „kulturellen Kapitals“, das innerhalb der Oberschicht ausgetauscht wird. (9)
Um mit früheren und modernen Sommerhausanlagen in El-Sahel konkurrieren zu können, strebt jede neue Anlage danach, ein exklusiveres Erlebnis zu bieten. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, ein noch nie dagewesenes Design anzubieten oder ein Konzept, das andere Urlaubserlebnisse nachahmt, die mit Reichtum verbunden sind. Ein „Hacienda-Resort“ bietet farbenfrohe Häuser, die den Haciendas in Mexiko nachempfunden sind. „Ios“, ein Teil des von Emaar entwickelten Resorts Marassi, besteht aus blau und weiß gestrichenen Gebäuden, die eine Atmosphäre erzeugen, die an griechische Inseln erinnern. Tatsächlich sind viele der alten und neuen Gated Communities von El-Sahel nach Küstenstädten wie „Marbella“ oder „Riviera“ benannt.
„Die architektonisch sehr eklektisch gestalteten Tore und die Namen, die den Siedlungen gegeben wurden, dienen dazu, die Erwartungen an einen aufstrebenden und luxuriösen Wohlstand zu erfüllen.“ (10) Die Strategie der Schaffung von „Originalkopien“ international bekannter Orte hat sich nicht nur in El-Sahel bewährt, sondern wird von Immobilienmagnaten auf der ganzen Welt angewandt. (11) Anhand der Analyse einer Gated Community am Rande Istanbuls, die von Emaar, demselben Bauträger wie Marassi, entwickelt wurde, untersucht Albert Fu das Phänomen der „globalen Kommerzialisierung (…) ästhetischer Ideale“. Bei der Planung oder dem „Design“ geht es, wie David Harvey vorschlägt, eher darum, vertraute Atmosphären zu kuratieren, als durch Innovation zu konkurrieren. (12) Was die Ferienanlagen in El-Sahel mit jenen in der Türkei und anderen Orten, die durch den Kapitalfluss entstanden sind, gemeinsam haben, ist, dass sie ausgefallene architektonische Stile imitieren, um eine „transnationale“ Elite anzusprechen und ein Gefühl der Authentizität zu vermitteln. (13)
Diese globale Ästhetik ist durch westliche ästhetische Standards vordefiniert. Die Architektur fungiert in diesem Kontext in erster Linie als Repräsentationsraum, und Designentscheidungen werden auf „Architekturstile“ reduziert. Die Wahl der architektonischen Stile und Symbole ist dabei weniger wichtig als der eklektische Charakter dieser Wahl. (14) „La Vista Bay“ und „La Vista Cascada“ wurden von derselben Firma etwa zur gleichen Zeit entwickelt und zeigen zwei sehr unterschiedliche Design-Ästhetiken: das schwer verzierte Haus im mediterranen Chic und das schlichte, minimalistische Haus im modernen Stil, die Merkmale des Klientelismus in dem Bemühen zeigen, ein immer breiteres Marktsegment abzudecken. Der „bemerkenswerte Eklektizismus der architektonischen Stile“ ist ein weiteres Merkmal der Postmoderne und des städtischen Designs, das die Geldströme anzieht. Während der Aspekt der Exklusivität als Produkt der Sommerfrische für Wohlhabende auf die Spitze getrieben wird, prägt er auch die Identität der Ferienanlagen: „Form follows Finesse“ (15). (16)

Eine ältere Ferienhaussiedlung wurde von La Vista Developments gekauft und neu gestaltet. Links sind die neu entstandenen Häuser zu sehen, rechts die ursprünglichen. La Vista Cascada, Foto: Tarek Megahed
Wie die Beispiele der mediterranen Häuser von La Vista Bay und der modernen Entwürfe von La Vista Cascada zeigen, stützen sich Architekten und Designer auf „globale Inventare von Architektur und sozialen Lebensstilen, (die) in konkrete lokale Vermarktungskontexte eingefügt werden“. Dieses „globale Inventar“ an Entwürfen muss jedoch einen Prozess der „glocalization“ (17) durchlaufen, das heißt, um sich lokal zu etablieren, müssen die „mediterranen“ oder „modernen“ Stile als Symbole des Wohlstands akzeptiert werden. (18) Dieser Prozess der „glocalization“ lässt sich perfekt daran ablesen, wie Symbole, Designelemente und Stile in El-Sahel von einer Enklave zur anderen wandern. Die Terrakotta-Dachziegel und Schrägdächer des „mediterranen Stils“, die der Landessprache an der Küste fremd sind, tauchen in La Vista Bay nicht zum ersten Mal auf. Sie waren bereits in den ersten Küstendörfern, wie „Marabella“ und „Green Beach“, in Erscheinung getreten und kombinierten die Verwendung ausgefallener Dachziegel mit lokalem Kalkstein, der in der Region selbst abgebaut wurde und als „El-Sahel-Ziegel“ bezeichnet wird. Im Laufe der Zeit wurden die Entwürfe immer weiter optimiert und an die Wünsche der Verbraucher angepasst, bis schließlich die lokalen Kalksteine abgeschafft wurden und sich andere Stile und Materialien wie Glas und Beton durchsetzten, ohne Rücksicht auf Umweltauswirkungen oder klimatische Bedingungen.
Dieses „Inventar“ von Lebensstilen und Entwürfen dient also vor allem dem Zweck, „den Habitus der Superreichen zu verkörpern“. (19) Fu unterstreicht die Rolle kapitalistischer Systeme bei der Schaffung und Durchsetzung bestimmter Ästhetiken: „Es ist nicht überraschend, dass Form und Funktion dieser Gebäude die Interessen derjenigen repräsentieren, die in transnationalen kapitalistischen Netzwerken tätig sind – von Designern über Immobilienmakler bis hin zu Hausbesitzern“. (20) Bestimmte Annehmlichkeiten und Lebensstile werden als Teil der Ästhetik eines Ortes propagiert.

Ebenso wie La Vista Cascada wurde La Vista Bay von La Vista Developments entwickelt, jedoch soll der „mediterrane Stil“ eine andere Klientel ansprechen. Foto: Tarek Megahed
Diese sorgfältig gestalteten Räume werden nicht von Bauträgern allein geschaffen, sondern von einem komplexen und oft globalen Netzwerk von Akteuren: Planungsbüros, Marketingagenturen, Grafikdesignern, Lebensmittel- und Getränkekonzernen, Veranstaltungsplanern und sogar Künstlern. Beispiele hierfür sind Unternehmen wie das weltweit tätige „Crystal Lagoon“, das künstliche Lagunen in geschlossenen Anlagen auf der ganzen Welt und in zahlreichen Resorts in El-Sahel plant. Einige Restaurants eröffnen ihre Filialen nur in exklusiven Gated Communities und tragen so dazu bei, diese „exklusive“ Erfahrung zu prägen, indem sie mit Luxus in Verbindung gebracht werden. Luxus wird also in einem Teufelskreis von denselben Akteuren produziert und reproduziert. Jürgen Hasse hebt die Komplizenschaft der Raumproduzenten hervor: Die „politische Stadt (löst sich) endgültig im ästhetischen Phänomen auf“ (21), auch wenn das Politische gerade im Metier der Ästhetik und der Atmosphären sein Unwesen treibt. Kulturelles Kapital hat die Form von Ästhetik und Lebensstiloptionen, die als Paket verkauft werden und den „Habitus“ des Käufers repräsentieren. (22) Wenn eine Person diese Ästhetik annimmt, bestimmten Aktivitäten nachgeht und an exklusiven Orten gesehen wird, drückt dies ihren Status in der Gesellschaft aus.
Tatsache ist, dass „Investitionen in Land und Immobilien (…) von allen Teilen der ägyptischen Gesellschaft angestrebt werden, um Unsicherheiten, Abwertungen und Unzulänglichkeiten des Bankensystems zu begegnen.“ Darüber hinaus ist die Investition in eine Immobilie in einer hochwertigen Gated Community nicht nur eine Investition in materielles, sondern auch in soziales und kulturelles Kapital. (23) Wenn man den Wert von Immobilien in El Sahel auf einen materialistischen wirtschaftlichen Wert reduziert, ignoriert man bewusst komplexe soziale Beziehungen und kulturelle Entwicklungen. Investitionen in Höhe von Millionen ägyptischer Pfund lohnen sich für aufstrebende Individuen, wenn es um die Anhäufung von sozialem und kulturellem Kapital geht. Kulturelles Kapital in diesem Sinne kann die Fetischisierung bestimmter architektonischer Stile sein oder die Teilnahme an bestimmten Aktivitäten wie dem Golfspiel – inmitten einer sehr trockenen Küstenregion in der Hacienda Bay. Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Immobilien von El-Sahel nicht Zweck, sondern auch Mittel zum Zweck des Aufstiegs in einer zunehmend klassenorientierten Gesellschaft sind. In diesem Szenario ist der Eintritt in ein prestigeträchtiges Resort nicht die Erfüllung eines Traums, und danach setzt man sich zur Ruhe, sondern ein Sprungbrett, um sich in einem bestimmten sozialen Milieu zu etablieren. Immobilien in Urlaubsregionen werden zu dynamischen Gebilden, die „essen und trinken“ (24) – was sich auf den ständigen Geldstrom bezieht, der in sie gepumpt wird: Sie sind auch ein Vehikel, das seinen Besitzer an das gewünschte gesellschaftliche Ziel bringt und eine Repräsentation seines aktuellen sozialen Status ist.
Die Gewinnung und Wiederverwertung von kulturellem Kapital ist nicht an die Mauern der Enklaven in El-Sahel gebunden, sondern reist mit den Urlaubern zurück in ihre Heimatstädte. Was in El-Sahel in Mode kommt, wird zur Sehnsucht der breiten Öffentlichkeit. „Jenseits der Tore nimmt der Rest der Gesellschaft Spuren und inkohärente und künstliche Elemente derselben Einflüsse auf, die sie ebenfalls absorbiert und mit diesen geschlossenen Welten identifiziert“. (25) Es ist, als ob ausgewählte privilegierte Mitglieder der Gesellschaft die Bestrebungen der Öffentlichkeit verhandeln, isoliert hinter hohen Mauern. Zwar spielt die Machtdynamik auch bei der Beeinflussung der Kultur in der Stadt eine Rolle, doch die physische und soziale Isolation der Gated Communities verschiebt diese Machtdynamik in Richtung der Wohlhabenden. In El-Sahels Enklaven entscheiden Immobilienentwickler „in einem Top-Down-Prozess“ über die kulturelle Ästhetik und praktizieren „kulturellen Imperialismus“. (27) Gleichzeitig kann die Elite entscheiden, welche ästhetischen Entscheidungen legitimiert werden sollen, indem sie in die Feriendörfer ihrer Wahl investiert, so dass nur die Reichen an dieser kulturellen Debatte teilnehmen können. Elite wird zu einer „kulturellen Hegemonie“. (28)
Tarek Megahed M.Sc., *1993, studierte Architektur und Urban Design in Kairo, Berlin Hamburg und Zürich. Er verbrachte die Sommerferien seiner Kindheit in El-Sahel und war Zeuge der im Text beschriebenen Entwicklung. Seit 2022 ist er in der Redaktion von Die Architekt und im Deutschen Architektur Zentrum DAZ in Berlin tätig.
Fußnoten
(1) https://middleeasteye.net/news/egypt-announces-massive-35-billion-deal-uae-develop-ras-el-hekma-northcoast
(2) Dieser Beitrag entstand aus einem Exzerpt der Master Thesis des Autors: Summertime. Shedding Light on Planning Injustices of the Ruling Classes 2021, HafenCity Universität Hamburg.
(3) Hilal, S. (2019), The Right to Host. E-Flux, Overgrowth.
(4) Andersen, T. R., A View of the Future / Identities in Flux: The Art of Rana El Nemr. http://www.trinerytterandersen.dk/text
(5) Bourdieu, P. (1986), The Forms of Capital. In Handbook of Theory and Research for the Sociology of Education, S. 241 – 258.
(6) Krasny, E. (2019), Care. AA Files 76, S. 38 – 39.
(7) Saad, B. (2016), The 5m2 Maid’s Room: Lebanon’s Racist, Gendered Architecture. Failed Architecture. https://failedarchitecture.com/the-5m2-maids-room-lebanons-racist-gendered-architecture/
(8) Fu, A. S. (2020), Mediterranean Style Gated Communities around the World: Architecture, Globalization, and Transnational Elites. City&Community 19(2), S. 421 – 442. https://doi.org/10.1111/cico.12447
(9) Bourdieu, P. (1986), The Forms of Capital (siehe Fußnote 5).
(10) Andersen, T. R., A View of the Future / Identities in Flux (siehe Fußnote 4).
(11) Fu, A. S. (2020), Mediterranean Style Gated Communities around the World (siehe Fußnote 8).
(12) Andersen, T. R., A View of the Future / Identities in Flux (siehe Fußnote 4).
(13) Fu, A. S. (2020). Mediterranean Style Gated Communities around the World (siehe Fußnote 8).
(14) Harvey, D. (2007), Neoliberalism as Creative Destruction. The Annals of the American Academy of Political and Social Science 610, S. 22 – 44.
(15) Ellin, N. (1999), Postmodern urbanism, S. 186, Princeton Architectural Press.
(16) Ginting, S., & Sakinah, R. (2018), Gated community in Indonesian peri-urban: Security or segregation?, in: IOP Conference Series: Earth and Environmental Science. https://doi.org/10.1088/1755-1315/202/1/012057
(17) Ram, U. (2004), Glocommodification: How the Global Consumes the Local. Current Sociology.
(18) Ebd.
(19) Ebd.
(20) Fu, A. S. (2020), Mediterranean Style Gated Communities around the World (siehe Fußnote 8).
(21) Hasse, J. (2014), Atmosphere as Expressions of Medial Power. Understanding Atmospheres in Urban Governance and under Self-Guidance. Lebenswelt 1 (4).
(22) Bourdieu, P. (1986), The Forms of Capital. In Handbook of Theory and Research for the Sociology of Education, S. 241 – 258.
(23) Denis, E. (2018), Cairo’s new towns from one revolution to another, S. 38.
(24) H. Mansour, Mitwirkender bei der Entwicklung von Green Beach, persönliches Gespräch, Juni 2020.
(25) Fu, A. S. (2020), Mediterranean Style Gated Communities around the World (siehe Fußnote 8).
(27) Ebd.
(28) Bell, D. (1970), The Cultural Contradictions of Capitalism. The Public Interest, Fall (21), S. 16 – 43. Boettger, T. (2014), Threshold Spaces—Transitions in Architecture. Analysis and Design Tools.