Ein Gespräch zwischen Andreas Hild und Thomas Auer

Einfach komplex

Was bedeutet „einfach“ im Planen und Bauen? In welchem Prozess und mit welchem Ziel soll Einfachheit angestrebt werden? Und kann Komplexität wirklich verringert werden oder wird sie eigentlich bloß verlagert? Andreas Hild, Architekt und Professor für Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege an der TU München, sprach mit Thomas Auer, Geschäftsführer von Transsolar Energietechnik und Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München, über Widersprüche und Aushandlungsprozesse im Streben nach Einfachheit und die Frage, ob nicht Robustheit einen sinnvolleren Ansatz darstellen könnte.

Andreas Hild: Diese Ausgabe von Die Architekt setzt sich mit der Idee der Einfachheit auseinander sowie mit der Frage: Was fordern wir eigentlich, wenn wir Einfachheit fordern? Das ist recht schwierig zu beantworten. Haben Sie eine einfache Definition von Einfachheit?

Thomas Auer: Das ist in der Tat schwierig. Was heißt denn „einfach“? Wollen wir einfach planen, einfach bauen, einfach betreiben, einfach rückbauen? Das sind ja völlig unterschiedliche Zielvorgaben.

Eigentlich sollte das doch alles im Einfachen enthalten sein, oder?

So richtig durchdekliniert hat man das leider nicht. Für mich bezieht sich die Definition tatsächlich auf den Betrieb beziehungsweise den Lebenszyklus. Ein Gebäude muss im Betrieb, über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, einfach sein.

Heißt das dann: Weniger Technik ist gleich weniger Komplexität, ist gleich einfacher?

Solch simple Aussagen sind im Einzelfall häufig falsch, aber ich glaube schon, dass es eine Korrelation gibt. Für sicherlich mehr als 80 bis 90 Prozent der Häuser trifft das zu: Mehr Technik bedeutet mehr Komplexität – im Bau, aber vor allem auch im Betrieb.

Sie haben einmal gesagt, dass 95 Prozent der Gebäude nicht so funktionieren wie geplant. Liegt das tatsächlich an der komplexen Technik? Ist es nicht vielmehr ein Problem des Menschenbilds, wenn Planende etwa davon ausgehen, dass die Menschen entweder zu viel oder zu wenig lüften oder sich anderweitig nicht so verhalten, wie sie es sollten?

„Was heißt denn ‚einfach‘? Wollen wir einfach planen, einfach bauen, einfach betreiben, einfach rückbauen?“ Foto: Mazharul / pexels

Beim Thema der sogenannten „Performance Gap“ ist zwischen Wohnungsbau und Nichtwohnungsbau zu unterscheiden. Im Wohnungsbau gebe ich Ihnen recht – dort liegt häufig ein problematisches Menschenbild zugrunde. Immer wieder gibt es die Vorstellung, man müsse die Menschen so optimieren, dass sie die Technik korrekt bedienen – und nicht umgekehrt. Anders verhält es sich jedoch mit einer Studie des Royal Institute of British Architects, die fast sechzigtausend Schulgebäude in ganz Europa untersucht hat. Das Ergebnis: 95 Prozent dieser Gebäude funktionieren nicht wie geplant. Dies lässt sich nicht auf das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zurückführen. Vielmehr akzeptieren wir offensichtlich, dass Technik eingebaut wird, die häufig – vielleicht sogar in der Regel – nie richtig funktioniert.

Aber stellt sich hier tatsächlich die Frage der Einfachheit? Wenn in einer Schule keinerlei Technik vorhanden ist, könnte das an anderer Stelle sogar komplizierter werden. So wäre möglicherweise mehr Personal für Hausmeistertätigkeiten und zusätzliche Wartung erforderlich – oder es entstünden andere Anforderungen, die derzeit noch gar nicht absehbar sind.

Klar, derzeit verlagern wir die Komplexität in die Technik.

Vielleicht gibt es sogar so etwas wie einen Komplexitätserhaltungssatz, der besagt, das Komplexität verschoben, aber nicht aufgehoben wird?

Mit einer Ausnahme: Sie sprechen in Ihrem Beitrag (siehe hier) von gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen. Würden wir das Thema Komfort tatsächlich neu verhandeln, könnte dies durchaus zu einer Vereinfachung führen. Wenn wir beispielsweise akzeptieren würden, im Winter bei 18 Grad und im Sommer bei 30 Grad Raumtemperatur zu leben, ließe sich das weitgehend ohne aufwendige Technik realisieren.

Theoretisch kann ich das nachvollziehen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie ein solcher Prozess tatsächlich ausgehen würde, wenn man ihn gesellschaftlich verhandeln wollte. Es stellt sich durchaus die Frage, ob diese Vorstellung von Einfachheit nicht lediglich den asketischen Teil des Traums der Moderne widerspiegelt. Dieser ist Architektinnen und Architekten naturgemäß sehr nahe, geht jedoch an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei – nicht zuletzt, weil ein wesentlicher Bestandteil des modernen Traums auch im Komfortversprechen liegt.

Es gibt beziehungsweise gab zahlreiche Projekte, bei denen ich als Berater tätig bin – gewissermaßen für „Einfachheit und Reduzierung von Technik hin zu Low Tech“. An einem gewissen, relativ späten Punkt im Projekt stellt der Bauherr dann die Frage, ob es überhaupt noch vermittelbar ist, ein Luxushaus zu bauen und den Menschen gleichzeitig erklären zu wollen, dass zum Luxus auch gehört, auf eine Klimaanlage zu verzichten.

Lassen wir das Thema Bauen vielleicht kurz beiseite und nehmen stattdessen das Auto als Beispiel. „Einfach fahren“ möchte niemand – alle wünschen sich Sicherheit, ein Spurassistenzsystem, einen Pollenfilter und natürlich die Knautschzone. Selbst auf die Klimaanlage im Auto möchte niemand verzichten. Das zeigt doch: Wir wollen Einfachheit nur an sehr wenigen Stellen. Mein Eindruck ist, dass es sich hier in erster Linie um eine sentimentale Sehnsucht handelt.

Da stimme ich Ihnen zu, und genau an dieser Stelle müssen wir aufpassen. Ich beziehe die Forderung nach Einfachheit ausdrücklich auf den Lebenszyklus und den Betrieb von Gebäuden. Genau dort müssen wir einfacher werden, weil wir zunehmend feststellen, dass Wartung und Instandhaltung der Gebäude, die wir in den vergangenen Jahrzehnten errichtet haben, die Immobilienbesitzer, insbesondere aber Länder und Kommunen strangulieren.

Das trifft auf Sonderbauten sicherlich zu. Dennoch würde ich lieber beim Thema Wohnen bleiben, denn das betrifft schließlich den Großteil unserer Gebäude. Ist das Wohnen tatsächlich so übertechnisiert?

Ich frage mich schon, ob nicht manche Entwicklungen am Menschen vorbeigegangen sind und sich die Technik in gewisser Weise verselbständigt hat. Dabei möchte ich niemandem böse Absichten unterstellen. Es sind nicht die Lobbyisten, die uns etwas einreden – in der Regel gibt es sehr nachvollziehbare und ernstzunehmende Gründe, warum Dinge so sind, wie sie sind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch das Konzept des Passivhauses, das davon ausgeht, dass wir uns hermetisch abschotten und vollständig von einer Maschine – der Wohnraumlüftung – versorgt werden. Physikalisch ist das in sich schlüssig. Allerdings ist es nun einmal so, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland beispielsweise gerne bei offenem Fenster schläft oder im Winter andere Raumtemperaturen bevorzugt. Das aber widerspricht der Idee des Passivhauses, das keine Temperatursenkung im Gebäude vorsieht. Ingenieurtechnisch lässt sich das alles herleiten – nur wurde dabei der Faktor Mensch weitgehend ignoriert.

„‚Einfach fahren‘ möchte niemand – alle wünschen sich Sicherheit, ein Spurassistenzsystem, einen Pollenfilter und die Knautschzone. (…) Wir wollen Einfachheit nur an sehr wenigen Stellen.“ Foto: Mercedes-Benz Classic

Damit würden Sie doch letztlich meine These stützen, dass es hier vor allem um ein bestimmtes Menschenbild geht. Wenn nun alle erklären, dass Theodor Fischer und die Geometrie der Gründerzeitbauten als Vorbild dienen sollen, finde ich das zunächst einmal durchaus gut. Aber ist das tatsächlich einfacher? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine andere Form von Komplexität? Theodor Fischer plante größere Volumen, höhere Räume und dickere Wände. Wenn wir uns wirklich an solchen Vorbildern orientieren, hätten die Häuser am Ende vermutlich ein Geschoss weniger. Sie wären dann möglicherweise technisch einfacher – die Komplexität würde aber an anderer Stelle entstehen. Aus Finanzierungssicht beispielsweise ist das keineswegs einfacher. Es kann sogar so weit gehen, dass sich Käuferinnen oder Mieter ein solches Haus schlicht nicht leisten können. Mir scheint, dass in der Debatte um Einfachheit häufig nicht sauber abgewogen wird, sondern viele Aspekte nur einseitig betrachtet werden. Dadurch werden Versprechungen gemacht, die sich aus architektonischer Sicht letztlich gar nicht einlösen lassen.

Foto: Det Göckeritz

Da haben Sie vollkommen recht. Letztlich ist die Baukultur einer bestimmten Zeit immer auch ein Spiegelbild der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Wenn ich mir die Architektur der letzten Jahrzehnte ansehe, fallen mir zwei zentrale Aspekte auf: Zum einen das Schlagwort der Energieeffizienz, das vor allem technisch eingelöst werden sollte. Zum anderen die Frage der Wirtschaftlichkeit – wobei sich diese fast ausschließlich auf die Erstellungskosten bezieht. Der Betrieb der Gebäude hingegen wird viel zu wenig berücksichtigt. Und es stellt sich die Frage: Warum eigentlich?

Weil die Energie scheinbar nichts gekostet hat …

Ja, das stimmt – aber es gibt auch andere Gründe. Und an dieser Stelle muss sich die Architektenschaft, vielleicht sogar noch mehr die Ingenieurinnen und Ingenieure, durchaus selbstkritisch hinterfragen. Vieles, was in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, war getrieben von einer because-we-can-Haltung. Am meisten Freude hat es offenbar bereitet, Gebäude zu entwerfen und zu realisieren, bei denen man das Gefühl hatte, die Physik überwinden zu können: scheinbar schwebende Konstruktionen, irrationale Auskragungen, übermäßiger Glaseinsatz und ähnliches. Angesichts der Ressourcenknappheit müssen wir dringend wieder zu mehr Vernunft zurückkehren. Aber irgendwie gelingt es uns bislang nicht, uns von diesem Denken zu lösen.

Ok, in der nächsten Ausgabe geht es um Vernunft (lacht). Aber wurde nicht einfach nur ein anderes, aus heutiger Sicht unvernünftigeres Ziel optimiert?

Ja, das war letztlich auch ein Aushandlungsprozess – und genau dieses Mindset hat sich damals durchgesetzt. Es ging um größer, schneller, weiter. Aber selbst heute, wenn wir über Holzbau sprechen, steht gefühlt als Erstes die Frage im Raum: Wer baut das höchste Holzhochhaus? Wir kommen aus dieser Denke einfach nicht heraus. Das ist völliger Unsinn – und davon müssen wir dringend weg.

Da wird Ihnen wohl niemand widersprechen. Nur ist für mich auch die Frage: „Wer baut das einfachste Haus?“ letztlich eine Chimäre. Sie selbst arbeiten ja viel häufiger mit dem Begriff der Robustheit. Wäre dieser Begriff nicht viel sinnvoller als der der Einfachheit?

Ja, absolut – der Begriff der Robustheit ist viel besser geeignet. Denn Robustheit beschreibt eine Methodik. Die Grundidee dahinter ist, dass ich nicht das absolute Optimum anstrebe, sondern eine robuste Lösung. Und diese Robustheit können wir sogar berechnen.

Berechnungen sind mir zwar grundsätzlich nicht allzu sympathisch – aber erklären Sie das bitte genauer.

Wir streben bei dieser Methode vielleicht 80 Prozent eines theoretischen Optimums an. Entscheidend dabei ist, dass das Ergebnis auch dann stabil bleibt, wenn unsichere Randbedingungen auftreten – also beispielsweise technische Systeme versagen, sich das Nutzerverhalten ändert oder das Klima schwankt. Genau darauf können wir beim Entwurf hinarbeiten und entsprechende Szenarien berechnen: Was passiert, wenn die Technik versagt? Wie verändert sich dann der Komfort, wie der Energieverbrauch? Am Ende führt das zu einem Mittelweg, der deutlich robuster ist. Wir haben ja oft gezeigt, dass sich mit Glasarchitektur hervorragende Ergebnisse erzielen lassen. Aber solche Systeme sind extrem sensibel – wenn zum Beispiel der Sonnenschutz nicht funktioniert, bricht das ganze Konzept zusammen. Ähnlich beim Passivhaus: Wenn die Nutzer die Fenster öffnen, funktioniert das System nicht mehr. Eine robuste Optimierung kann genau da helfen. In der Automobilindustrie wird diese Methodik längst angewendet: Wenn der Fahrer nicht rechtzeitig bremst, hilft das ABS, einen Unfall zu vermeiden.

Klingt erst einmal gut. Aber ein ABS ist doch das Gegenteil von Einfachheit, oder? Echte Einfachheit würde an dieser Stelle Risiken mit sich bringen, die wir einfach nicht eingehen wollen. Niemand möchte doch eine Tiefgarage, die einfach nur abgedichtet ist, sondern die bestmögliche Abdichtung, oder?

Von der Tiefgarage müssen wir sowieso weg.

Okay, der Punkt geht an Sie. Aber dennoch scheint die komplexe Technik in Autos relativ gut zu funktionieren, während dies in Wohngebäuden weniger der Fall ist.

Aber dafür bringen Sie Ihr Auto jedes Jahr in die Werkstatt zur Wartung und zahlen dann 1000 Euro für allerlei Teile, die kaputt sind. Beim Haus haben wir den Anspruch, dass es im Idealfall einfach dasteht und seine Funktion erfüllt, ohne dass wir etwas unternehmen müssen.

Daraus ließe sich natürlich ein Konzept entwickeln. Das hieße dann nicht unbedingt, dass ich die Komplexität reduzieren muss, sondern dass ich anders mit ihr umgehe – zum Beispiel durch regelmäßige Wartung oder durch die Vorgabe, dass die Technik genauso lange hält wie der Rohbau.

„Selbst heute, wenn wir über Holzbau sprechen, steht gefühlt als Erstes die Frage im Raum: Wer baut das höchste Holzhochhaus? (…) Wir müssen von dieser because-we-can-Haltung wegkommen.“ Foto: NinaRundsveen (CC BY-SA 4.0)

Ob Gebäude ohne Wartung ein sinnvolles Ziel sind, ist tatsächlich fraglich. Lehmbau ist ein gutes Beispiel dafür, da muss man jedes Jahr Hand anlegen. Oder die weißen Häuser in Spanien – die müssen jedes Jahr neu gekalkt werden. Ich fürchte jedoch, wir können nicht mehr zu diesem Ansatz zurückkehren, weil wir nicht mehr die Kostenstrukturen erreichen, die die notwendige Arbeitszeit bezahlbar machen.

Die Gründe, warum 95 Prozent unserer Gebäude nicht wie geplant funktionieren, liegen ja nicht darin, dass wir in Deutschland oder Europa keine Lüftungssysteme oder Heizkessel bauen könnten. Diese Aggregate sind für sich genommen perfekt optimiert. Es geht um das Zusammenspiel, um den Algorithmus, der dahintersteckt. Es geht darum, dass auf dem Bau irgendwelche Kabel oder Fühler vergessen werden. Wir versagen bei der Qualitätssicherung. Ein Gebäude ist letztlich ein Prototyp. Und wenn wir jedes Mal den Programmierer hinzuziehen müssen, wenn wir die Temperatur ändern wollen, dann ist das nicht praktikabel.

Ich bin keineswegs gegen Vereinfachung. Aber mir scheint, dass Einfachheit häufig nur als Synonym für Unterkomplexität verwendet wird. Ein Beispiel: Bauherren, und auch viele Teile der Politik, haben das Gefühl, dass Einfachheit vor allem billig bedeutet. Für die planende Person jedoch wird das Ganze sicher nicht günstiger. Einfacher zu bauen bedeutet sogar, komplizierter zu planen. Und ob wir wirklich den Technikanteil, der derzeit bei 35 Prozent liegt, auf – sagen wir – 15 Prozent reduzieren können, ist doch eher fraglich.

Das ist richtig. Es wäre zwar schön, ist aber kaum vorstellbar. Gewisse Dinge müssen wir jedoch hinterfragen. Wobei man zugeben muss, dass das Potenzial im Nichtwohnungsbau deutlich größer ist. Wer sagt denn, dass wir in jedem Gebäude hochgradig ausgestattete Mess-, Steuer- und Regelungstechnik benötigen?

Aus meiner Sicht ist die Debatte, die wir gerade führen, ein neuer Aushandlungsprozess. Aber Ihre Betonung der Nichtwohngebäude ist mir etwas unheimlich. Fast 90 Prozent unserer Gebäude sind doch Wohngebäude!

Das ist richtig. Außerdem sollten wir vor allem ein wenig vorsichtig sein, alles nur aus unserer Architekturblase heraus zu betrachten. Momentan gibt es eine Tendenz, dass aus dem Thema Einfachheit ein Trend wird, der dann formal interpretiert wird. Das ist problematisch. Ein Beispiel: Wir haben einen Wettbewerb für ein Ministerium in Berlin gewonnen, bei dem wir natürliche Lüftung vorgesehen haben – keine Klimatisierung, ein Deckenventilator, Luftbewegung, alles sehr einfach. Später im Projektverlauf – als wir irgendwann nicht mehr beteiligt waren – wurde wohl beschlossen, dass Besprechungsräume doch eine gewisse Lüftung und Klimatisierung benötigen. Das wurde dann dezentral gelöst. Am Ende hatten sie 100 dezentrale Klimageräte im Gebäude. Dann haben sie wieder uns befragt, was sie tun sollen, und wir haben gesagt: „Wenn ihr das so macht, müsst ihr auch neue Bürostrukturen denken: Einzelbüros mit natürlicher Lüftung und größere, offene Besprechungsbereiche. Dann braucht ihr auch keine Klimatisierung.“

Aber das ist doch vor allem eine Verschiebung der Komplexität in den sozialen Bereich. Ich wette, kaum einer der Angestellten möchte Desksharing und Großraumbüros. Kann ich jede Besprechung im informellen Bereich abhalten? Das wird dann einfach an anderer Stelle für Ärger sorgen. Aber das führt zu einer interessanten Frage: Wie merke ich, dass sich Komplexität und Einfachheit nicht mehr die Waage halten?

Manchmal kommen wir in einem Planungsprozess zu dem Punkt, an dem man sagen muss, dass die ursprüngliche Idee ad absurdum geführt wurde und wir noch einmal zurück auf „Los“ müssen. Ganz generell müssen wir unsere Planungs- und Bauprozesse anpassen. Dieser ganze lineare Ablauf, in dem wir planen und bauen, funktioniert so nicht mehr. Wir müssen viel iterativer denken. Das heißt, wir müssen redundanter planen.

Das bedeutet natürlich auch, dass man zu Beginn nicht genau weiß, was man am Ende bekommen wird. Ich vermute tatsächlich, dass wir ein anderes Verhältnis zu Vorhersagbarkeit und damit zu Sicherheit entwickeln müssten. Einfach ist das sicherlich nicht, aber den Architekten würde das vermutlich leichter fallen als dem Rest der Gesellschaft. Ob das auch für die Ingenieure zutrifft, bin ich mir nicht mehr so sicher.

Das mag sein, aber es muss das Ziel aller Beteiligten sein, den Fokus nicht nur auf die Baukosten zu legen, sondern wirklich auf den Betrieb und den Unterhalt. Der Lebenszyklus muss die Orientierungsgröße für die Optimierung werden. Und vor allem müssen wir von der because-we-can-Haltung wegkommen.

Andreas Hild, Foto: Wilfried Dechau

Thomas Auer

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