Theresa Jeroch im Gespräch mit Anna Marijke Weber

Migrantisch initiierte Architektur

Deutschland wird seit vielen Jahrhunderten politisch, gesellschaftlich und kulturell durch zugewanderte Personen geprägt, auch in der Architektur. Migrantisch geprägte Menschen nutzen, bauen (um) oder beauftragen Räume. Über neu entstandene räumliche Typen und ihre Gestaltung spricht Die Architekt-Redakteurin Theresa Jeroch mit der Architektin Dr. Anna Marijke Weber, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gebäudelehre an der RWTH Aachen forscht, lehrt und studentische Selbstbauprojekte bearbeitet. Sie erhielt 2018 den Landespreis für junge Künstlerinnen und Künstler des Landes Nordrhein-Westfalen im Bereich Architektur, insbesondere für ihre forschungsgeleiteten räumlichen Eingriffe in öffentlichen, migrantisch geprägten Räumen der Stadt.

Theresa Jeroch: In Ihrer Dissertation „Diverse Typologie“ von 2019 beschäftigen Sie sich mit migrantisch initiierter Architektur. Wie definieren Sie diesen Begriff?

Anna Marijke Weber: Das Wesentliche bei migrantisch initiierter Architektur ist, dass die Initiative zur Schaffung einer räumlichen Situation oder eines Gebäudes von Personen ausgeht, die aus einem Kontext mit migrantischer Prägung stammen, sei es durch eine eigene Zuwanderungsgeschichte oder durch ein Umfeld, in dem Migration eine zentrale Rolle spielt. Ob es sich dabei um Bauherrschaften, Planende oder etwa eine Gemeinde handelt, die das Projekt im Selbstbau realisiert, spielt letztlich keine Rolle.

Ist diese Kategorie eingedenk der Heterogenität von Menschen mit Migrationsgeschichte und der Vielfalt an Bauaufgaben überhaupt sinnvoll?

Monika Salzbrunn sagt in ihrem Buch „Diversität“, dass es möglich ist, solche Kategorien zu Beginn einer Untersuchung aufzustellen – vorausgesetzt, man ist bereit, diese im weiteren Verlauf zu hinterfragen oder aufzugeben, wenn sich zeigt, dass keine klar abgrenzbare Gruppe existiert, auf die sie zutreffen. Aus meiner Sicht lohnt es sich dennoch, diese Perspektive zunächst einzunehmen, da sich innerhalb solch vermeintlich heterogener Gruppierungen wiederkehrende, inhaltlich starke Themen erkennen lassen. Ein Beispiel dafür ist ein Straßenzug in Aachen, der als ethnisches Quartier gilt. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass das Engagement der dort aktiven Menschen vor allem als Ausdruck bürgerschaftlicher Teilhabe zu verstehen ist. Zwar bringen viele eine Zuwanderungsgeschichte mit, doch im Zentrum steht ihre aktive Mitgestaltung des urbanen Raums. Die zunächst eingenommene Perspektive erlaubt einen Zugang, aber im Verlauf der Beschäftigung gewinnen die anderen Beschreibungsmerkmale an Kontur und Relevanz.

Warum finden Sie diese Kategorie wichtig?

Detail Gelateria Bottrop auf der XII Internationalen Architektur Biennale in São Paulo „Everyday“, mit Prof. Ben Boucsein TUM und BHSF, Foto: Mariana Vilela

Der Anstoß dazu kam direkt aus meiner Lehrpraxis. Ich unterrichte Gebäudelehre und Entwerfen, und dabei vermitteln wir einen Kanon klassischer Architekturtypen. Vor dem Hintergrund, dass über ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund hat, habe ich mich gefragt, ob dieser Kanon eigentlich noch zeitgemäß und ausreichend ist, oder ob wir ihn nicht erweitern sollten. Aus dieser Überlegung entstand auch das empirisch angelegte Forschungsprojekt „Transfer – Bauten von Migranten in der Bundesrepublik“, das vielfältige öffentliche oder gemeinschaftliche Bautypen umfasst.

Sie haben in Ihrer Dissertation beobachtet, dass viele Studien vor allem in Beschäftigung mit muslimischer Sakralarchitektur in Deutschland viele Vorurteile bedienen. Können Sie kurz erzählen, wie sich diese in der Forschung äußern?

Ursprünglich war ein Kapitel zur Diskursanalyse in meiner Dissertation gar nicht vorgesehen. Erst bei der Beschäftigung mit der vorhandenen Literatur wurde mir die Notwendigkeit bewusst. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Moschee im bayerischen Penzberg – ein durchweg positiv bewertetes Projekt, das in einer wichtigen Publikation über Moscheen in Deutschland (1) unter der Überschrift „Anders! Das Islamische Forum Penzberg“ vorgestellt wird – als würde es sich dabei um eine Ausnahme im positiven Sinne handeln und andere Projekte negativ abweichen. Solche Formulierungen verdeutlichen, wie tief verankert diskursive Mechanismen wie das Othering in der Wahrnehmung und Darstellung islamischer Architektur in Deutschland sind.

Sie zitieren eine Studie, wonach sich die „muslimische Architektur“ an „westlichen Standards“ messen lassen müsse, wenn Moscheen von den nicht muslimischen Gemeinden anerkannt werden sollen. Sie müssten „intelligent“ gebaut sein. Welches Bild wird da von islamisch geprägter Architektur gezeichnet?

Das frage ich mich auch. Dahinter verbirgt sich ein westlich geprägter Kulturhegemonialismus und die Vorstellung, der Westen verfüge über überlegene Intelligenz und Deutungshoheit gegenüber anderen kulturellen Kontexten. Diese Gegenüberstellung halte ich für höchst unproduktiv – sie erschwert den Diskurs und blendet auch den prozesshaften Charakter der Bauwerke aus. Es handelt sich natürlich in vielen Fällen um Projekte, die unter schwierigen Bedingungen entstehen: mit begrenzten finanziellen Ressourcen, ohne dokumentierte lokale Bautraditionen und unter oft herausfordernden Rahmenbedingungen, zumal die lokalen Regelwerke nicht alles erlauben.

Anca Cârstean vom BBSR beschreibt in ihren Studien (2), dass sich migrantisch initiierte Architektur häufig durch Improvisation, Pragmatismen und Provisorien in der Aneignung von (zumeist Wohn-)Raum auszeichnet. Können Sie das bestätigen?

Je nach Kontext lässt sich das durchaus beobachten. So kann etwa finanzielle Notwendigkeit dazu führen, dass im Bestand gearbeitet wird – vielleicht sogar mit erheblichem Sanierungsbedarf. In meiner Dissertation benutze ich den Begriff „taktische Typen“ von Bruno Latour: Es beschreibt das kluge Handeln innerhalb eines Rahmens, über den man weder räumlich noch zeitlich vollständige Kontrolle hat – sei es aufgrund baulicher Vorgaben des Bestands, weil die Nutzung nur temporär ist oder weil sich der Bestand (noch) nicht im eigenen Besitz befindet.

Damit lässt sich ja durchaus eine spezifische Ästhetik greifen, die der der Bauwende, so es denn eine gibt, ähneln würde.

Straßenansicht Elsassstraße in Aachen, Foto: Laura Erdmann

Tatsächlich erscheint unser nächster Artikel in einem Fachjournal zum Thema Planungskulturen des Umbauens.(3) Darin analysieren wir die Aktivitäten in einem Straßenzug in Aachen, der Elsassstraße, die überwiegend migrantisch getrieben waren und sich problemlos in die aktuell breit diskutierten Umbauprozesse einordnen lassen. Die Häuser, die den Personen in dem untersuchten städtischen Raum angeboten wurden, befanden sich in einem schlechten baulichen Zustand – was sie zwar erschwinglich machte, zugleich aber einen erheblichen Sanierungs- und Transformationsbedarf mit sich brachte. Den haben die Beteiligten umgesetzt. Das ist auf eine Weise beispielhaft und zeigt Parallelen zu Ansätzen wie das von Erol Yildiz und Birgit Mattausch herausgegebene „Urban Recycling“ oder die Ausstellung „Making Heimat“.

Wie kam es zur Beschäftigung mit der Elsassstraße?

Ausgangspunkt war die Dissertation des Aachener Kulturgeographen Mehmet Çelik, der Investitions- und Aufwertungsprozesse in ethnisch geprägten Quartieren deutscher Großstädte untersucht hat. Neben sieben weiteren Fallstudien widmete er sich vertiefend der Elsassstraße in Aachen. Parallel dazu hatten wir uns im Rahmen eines Projekts zur Post-Corona-Stadt intensiv mit dem Gebäudebestand der Aachener Innenstadt befasst und dabei das sogenannte Stadthaus – das Rheinische Dreifensterhaus ist eine Unterform – als besonders interessanten Typus entdeckt. Diese Häuser standen nur äußerst selten leer, und wenn doch, waren sie aufgrund ihrer räumlichen Qualitäten in kürzester Zeit wieder vermietet. Überraschenderweise stellten wir fest, dass sich auch die Gebäude, die Çelik in der Elsassstraße beschreibt, sämtlich als Stadthäuser einordnen lassen. Sie funktionieren also in vielfältigen Kontexten mit unterschiedlichen Anforderungen – sei es während der Coronakrise oder in einer stark von Zuwanderung geprägten Nachbarschaft. Das warf für uns die Frage auf, inwieweit die bauliche Struktur Einfluss auf die beschriebenen Entwicklungen nimmt – eine Frage, die gerade im Kontext der aktuellen Bauwende von besonderer Relevanz ist. Es deutet vieles auf einen Zusammenhang hin, da derartige Aufwertungsprozesse in anderen, ähnlich stark migrantisch geprägten Stadtteilen – gut dokumentiert im Aachener Sozialentwicklungsplan – ausbleiben. Dort sind die räumlichen Voraussetzungen grundlegend anders.

Was zeichnet die Stadthäuser aus, von denen Sie sprechen?

Sie haben vielfältige Qualitäten wie gute Umbaumöglichkeiten und angemessene Dimensionen auch für Einzeleigentümer. Die Stadtentwicklung sieht sie als Best-Practice-Beispiele, von denen sich wichtige Erkenntnisse ableiten lassen, etwa zu konkreten Bedarfen, zur angemessenen Maßstäblichkeit von Wohnungen und zur sinnvollen räumlichen Organisation. Besonders relevant ist dabei der Bezug zur Erdgeschosszone: Es braucht Raum für unternehmerische Tätigkeiten, aber ebenso Wohnflächen, die über das klassische Modell der Kernfamilie hinausgehen – also Platz für erweiterte Familienstrukturen, etwa für die Großmutter, oder zusätzliche Einheiten zur Vermietung.

Weicht migrantisch initiierte Architektur überhaupt von nicht migrantisch initiierter Architektur in Deutschland ab?

Ortschaft Forno di Zoldo im Val di Zoldo, Herkunftsort vieler Eismacherfamilien in Deutschland, Foto: 2015 Michael 2015 (CC BY-SA 4.0)

Im Großen und Ganzen muss man das verneinen. Zugewanderte planen oder wünschen sich keine Bauwerke, die völlig aus dem Rahmen fallen. Vielmehr lassen sich die Bauvorhaben gut innerhalb gängiger städtischer Architekturthemen verorten, zum Beispiel Gastronomien, Handel oder religiöse Bauwerke. Je nachdem wie genau man schaut, finden sich aber schon spezifische räumliche Muster, sogenannte patterns, die sich in einem Herkunftskontext anderswo verorten lassen und manchmal zu mittelgroßen räumlichen Gebilden zusammen finden. Des Weiteren entstehen einzelne, ich habe sie in meiner Dissertation räumliche Typen genannt, weil sie nicht groß genug waren, um sie als Architekturtypen zu bezeichnen, die migrantisch initiiert sind und bei denen man ziemlich genau sagen kann, wann und unter der Initiative welcher Personengruppierung sie entstanden: in deutschen Städten zum Beispiel die italienischen Eiscafés. Wobei aber wichtig zu betonen ist, dass sie nicht für immer aneinander gebunden sind – sobald der Typ etabliert ist, kann er auch von anderen Personengruppen aufgegriffen werden.

Sie sprechen von italienischen Eiscafés in deutschen Städten – ist das denn ein begrenztes Phänomen?

Ich habe den Bautyp des italienischen Eiscafés auf einer Konferenz in New York vorgestellt – das Konzept war den US-amerikanischen Teilnehmenden völlig unbekannt. Im Kontext räumlicher Phänomene und italienischer Zuwanderung befassten sie sich dort vorrangig mit Marmor-Steinmetzen aus dem Piemont, die sich überwiegend im Osten der USA niedergelassen haben. Die Themen, die dort mit italienischer Migration verbunden werden, unterscheiden sich also grundlegend. Dass sich italienische Einwanderer als Eismacher selbstständig gemacht haben, ist als Phänomen vor allem in Deutschland und Österreich greifbar – in Ansätzen auch in der Schweiz und an der niederländischen Grenze. Für migrantisch initiierte Architektur spielt also nicht nur die Herkunft der Zugewanderten eine Rolle, sondern vor allem auch der lokale Kontext. Der Bautyp sagt letztlich ebenso viel über das Nachkriegsdeutschland und sein liebstes Urlaubsland mit all den romantisierten Bildern von Venedig und der Riviera aus, wie über die immigrierten Unternehmer selbst.

Bank vor dem Café Florian, Markusplatz, Venedig 2018, Foto: Adria Daraban

Innenraum im Café Florian, Markusplatz, Venedig 2018, Foto: Adria Daraban

 

Eiscafé Lazzarin, Freiburg 2018, nach dem Umbau, der in den 1960er-Jahren erfolgte, Foto: Anna Weber

Welche Rolle spielen denn die Vorbilder oder Anleihen aus den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten?

In vielen Fällen lässt sich zunächst kein direkter architektonischer Bezug zur Herkunftsregion feststellen. Die italienischen Eiscafés sind hier erneut ein anschauliches Beispiel. Eine große Zahl der Betreiberinnen und Betreiber stammt aus dem Val di Zoldo, einem hochalpinen Tal in den Dolomiten. Diese Gemeinschaft hat die Entwicklung des Bautyps maßgeblich geprägt – und tut das teils bis heute. Vor Ort gibt es drei Eiscafés, die wir natürlich im Rahmen einer Exkursion alle besucht haben. Sie zeichnen sich durch eine eher rustikale, alpine Raumgestaltung aus mit viel Holz, traditionellen Stühlen mit herzförmigen Ausschnitten in der Rückenlehne – ein Stil, der sich deutlich vom Erscheinungsbild italienischer Eiscafés in Deutschland unterscheidet, wo sie eher von Venedig inspiriert sind: Glas und Stein als vorherrschende Materialien, eine klare Anlehnung an die Typologie des venezianischen Kaffeehauses. Die Personen aus dem Tal verfügten über Zimmermannsexpertise und waren im Verlauf ihrer langen Migrationsgeschichte oft für den Gondelbau im nahe gelegenen Venedig zuständig, das ja auch hierzulande sehr viel bekannter ist als das Val di Zoldo. Das zeigt, dass es den zugewanderten Bauherrschaften nicht darum geht, ihre ursprüngliche Alltagsarchitektur zu reproduzieren. Vielmehr handelt es sich um eine bewusste, kontextbezogene Entscheidung für eine Referenz, von der sie annehmen, dass sie im neuen Umfeld funktioniert – was der gängigen architektonischen Praxis entspricht.

Welche Kontinuitäten oder Brüche lassen sich in der Geschichte migrantischer Architektur in Deutschland erkennen?

Betrachtet man die mehrere Jahrhunderte umfassende Geschichte der Migration, lässt sich bei bestimmten Raumtypen durchaus ein Anfangspunkt identifizieren. Das würde ich als eine Form der Diskontinuität beschreiben. Im Blick auf die gesamte Migrationsgeschichte in Deutschland fällt jedoch auf, dass vergleichsweise wenige neue Raumtypen dauerhaft hervorgebracht wurden. Obwohl eine sehr große Zahl von Menschen zugewandert ist, gab es nur wenige architektonische Vorschläge an die Gesellschaft, die stark genug waren, um sich langfristig in der gebauten Umwelt breit zu etablieren. Es gibt stattdessen eine große Menge interessanter Einzelbauwerke.

Wie wird migrantisch initiierte Architektur in ihrer alltäglichen Nutzung und sozialen Bedeutung sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch innerhalb migrantischer Communities wahrgenommen und bewertet?

Ich habe oft den Eindruck, dass die Leute enttäuscht sind, wenn ich von meiner Forschung erzähle, weil die Raumtypen entweder als zu gewöhnlich oder als zu fremdes Einzelphänomen wahrgenommen werden. In Bezug auf die Eiscafés höre ich dann: „Da gehe ich im Sommer immer mit meinen Kindern hin – was soll denn daran migrantisch sein?“ Umgekehrt werden Orte wie der hinduistische Tempel „Sri Kamadchi Ampal“, der in Hamm im Gewerbegebiet errichtet wurde, oder auch Moscheen als exotisch oder sogar befremdlich empfunden. Selbst hochfrequentierte Orte wie Dönerbuden, die etwa für das Nachtleben zentral sind, erfahren kaum Wertschätzung, weil sie so beiläufig sind. Die Erwartungen richten sich oft auf eine ästhetisch hochwertige, „andere“ Baukultur.

Auch innerhalb migrantischer Communities gibt es differenzierte Perspektiven. Die Teestuben etwa, ursprünglich im Kontext türkischer Migrationsgeschichte entstanden, sprechen heute ein breites und multiethnisches männliches Arbeiterprekariat an. Einige Männer hingegen setzen sich ganz bewusst davon ab. Es gibt Kaffeehausgänger und dezidierte Nicht-Kaffeehausgänger.

Anknüpfend an die Teestuben noch eine letzte Frage: Welche Rolle spielt migrantisch initiierte Architektur für das soziale Leben in der Stadt?

Gerade die Teestuben sind enorm relevant, da sie Menschen adressieren, die sonst kaum andere öffentliche Orte nutzen würden. In einem Projekt in Köln-Mülheim – einem Viertel mit stark migrantischer Prägung und sehr unterschiedlichen, teils marginalisierten Communities, in dem aber auch schon erste Gentrifizierungsprozesse sichtbar werden – haben wir verschiedene Cafés untersucht. Darunter waren ein LGBTQ-Café, ein türkisches Frühstückscafé und eine Teestube. Dabei zeigte sich, dass die einzelnen Orte jeweils ganz unterschiedliche Gruppen ansprachen. Im (von einer Frau geführten) Frühstückscafé zum Beispiel kamen vor allem Familien oder Mütter mit Kindern zusammen, während die Teestube eher von älteren Männern oder gerade frisch Zugewanderten aus Ländern wie Bosnien besucht wurde. Die Gegend, in der sie liegt, wird auch als „Arbeiterstrich“ bezeichnet. Diese Cafés bieten also Räume für ganz unterschiedliche Personengruppierungen – um Anschluss zu finden oder einfach, um in Ruhe zu frühstücken.

Italienische Eiscafés hingegen nehmen eine besondere Stellung ein: Sie sind stark auf die allgemeine Stadtgesellschaft ausgerichtet und extrem inklusiv. Dort treffen sich ganz unterschiedliche Personen – auch ältere Menschen und Kinder, die in vielen gastronomischen Konzepten sonst kaum mitgedacht werden. Das liegt zum einen an der breiten Produktpalette mit teilweise sehr günstigen Speisen und Getränken. Zum anderen schafft die Gestaltung – die Theke als einfache Kontaktfläche – einen unkomplizierten Zugang. Wenn die Eismacherin das Waffeleis über den Tresen reicht, ist das ein räumliches Arrangement, das für alle unterschiedlichen Personengruppen gut funktioniert.

Anna Marijke Weber, Foto: Ivo Mayr, StudioLab

Theresa Jeroch, Foto: Till Budde

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fußnoten

1 Beinhauer-Köhler, Bärbel, Leggewie, Claus: „Moscheen in Deutschland. Religiöse Heimat und gesellschaftliche Herausforderung“, München 2009.

2 U.a. „Migration und Wirklichkeit“, in: Bauwelt 12 (2012), S. 16 – 29; „Einführung“, in: BBSR (Hg.): Migration und Stadt (Informationen zur Raumentwicklung 5), Stuttgart 2013, S. I f.

3 „Gebäudetyp und Handlungsweisen“, in: pNd, Planung neu denken.

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