der schöne gebrauch

Ein Getränk im Wandel der Zeit

Vom Kaffee und seiner Zubereitung

Lange war klar, wie das mit dem Kaffee zu laufen hatte: Eingeschweißt in praktische Päckchen zu einem Pfund fand man die gemahlenen Bohnen im Supermarkt, brachte sie nach Hause und überbrühte das schwarzbraune Pulver wahlweise selbst mit kochendem Wasser oder überließ dieses Geschäft seiner Kaffeemaschine. Kaffee war nicht cool, sondern einfach ein Kulturgut, denn: Kaffee gehört in Mittel- und Nordeuropa sowie dem angelsächsischen Sprachraum einfach zur Kultur. National wie international finden sich dafür viele Beispiele – etwa wenn der Hamburger Rapper Dendemann textet: „… zu Hause ist, wo man sich so fühlt, nicht, wo man herkommt, zu Hause, wo das Kaffeewasser kocht und MPC summt“. Auf internationaler Ebene haben der finnische Regisseur Aki Kaurismäki dem Getränk (wie seinen kaffeetrinkenden Landsleuten) und sein amerikanischer Kollege Jim Jarmusch cineastische Denkmale gesetzt. Als das Non-plus-ultra galten Maschinen, die das heiße Wasser tröpfchenweise durch den Kaffeefilter sickern ließen.

Ein klassisches Beispiel ist die KF 20: Florian Seiffert hatte diese etwa 40 Zentimeter hohe Säule 1972 für Braun gezeichnet. Obschon Krups bereits in den 1960er Jahren mit dem legendären Entwurf T8 von Dieter Weissenhorn eine Maschine mit Druckbrühverfahren auf den Markt gebracht hatte, bei dem deutlich weniger Bitterstoffe aus dem Kaffeepulver ausgewaschen wurden, hatte sich die Tröpfchenbrühweise lange Jahre als state-of-the-art des Kaffeebereitens gehalten – und wurde in den späten 1990ern um einige Geräte mit Schwallüberbrühung von Seiten der Hersteller ergänzt, was der Kaffeekultur hierzulande aber keinen wirklichen Umschwung bescherte.

Florian Seiffert, Braun KF 20, Foto: Nick Wade

Florian Seiffert, Braun KF 20, Foto: Nick Wade

Nun aber ist dem guten alten Kaffee dasselbe passiert, was vorher schon Wein, Whiskey oder Schokolade widerfuhr: den Verbrauchern wurde wichtiger, wo der Kaffee herkommt und wie er zubereitet wird. Mit edlen Siebträgermaschinen schwappte ein Hauch von italienischer Barista-Tradition über die Alpen: wer etwas auf sich hielt, hatte wenigstens eine jener „Cafetiera“ genannten Aluminiumkannen im Haus, die direkt auf die Herdplatte gestellt werden und ebenfalls mittels Druck mittelfein gemahlenes Pulver aufbrühen. Mit der US-amerikanischen Kette Starbucks und all ihren Nachahmern erreichte der Kult um den Kaffee schließlich eine nie gekannte Variationsbreite auf der einen und – dank der Preise – eine gewisse Exklusivität auf der anderen Seite.

Das Prinzip der unzähligen Kaffeevariationen hatte sich auch der Schweizer Nestlé-Konzern auf die Fahnen geschrieben, als er Anfang der 1990er Jahre sein System „Nespresso“ einführte – das zunächst floppte. Erst in den späten 2000ern und mit der Medienikone George Clooney als Werbeträger wurde es ein Erfolg. Hier ist das Kaffeepulver „aromasicher“ und tassenweise portioniert in bonbonbunte Aluminiumkapseln verschweißt. Diese werden in spezielle Maschinen eingespannt, mittels manueller Kraftübertragung wird das heiße Wasser durch die im gleichen Vorgang perforierte Kapsel gedrückt. Seit Beginn an steht das System in der Kritik – und dafür gibt es einen Grund: weil es mit relativ günstigen Maschinen den Kunden an ein Produkt bindet, das dann im weiteren Gebrauch (wegen der Preise für die einzelnen Kaffeekapseln) aber relativ teuer ist. Anfangs gab es keine Konkurrenten, erst mit der Zeit adaptierten andere Hersteller die einst von Nestlé formpatentierten Alu-Kapseln. Diese wiederum sind ein weiterer Kritikpunkt, denn Aluminium ist ein in der Herstellung energieintensives Material, zudem entsteht nach Gebrauch eine große Menge Abfall, dessen prinzipiell mögliche Wiederverwertung in Deutschland zumindest fraglich ist. In Österreich und der Schweiz sieht das anders aus: dort kann man die gebrauchten Alu-Kapseln in den von Francis Krempp gestalteten Shops wieder abgeben. Die Shops, wie auch die Maschinen, bedienen sich einer diffusen Art-Déco-Formensprache, die irgendwo zwischen klassischem Chic und modischer Coolness angesiedelt ist. Ein weiterer Aspekt ist die Zerstörung einer ganzen (Kaffee)Kultur zugunsten von Schnelligkeit und steter Verfügbarkeit. So lässt sich das Phänomen „Nespresso“ durchaus als Zeichen unserer Zeit deuten: weniger die Qualität als die Quantität scheint im Vordergrund zu stehen.

Nespresso, Krups Essenza / Koenig Capri, Foto: David Pye

Nespresso, Krups Essenza / Koenig Capri, Foto: David Pye

Und gerade jetzt, wo Nespresso und Co in einer Vielzahl von Küchen Einzug gehalten haben, besinnen sich einige wenige wieder auf die Qualitäten des in den letzten Jahren so in Verruf geratenen Filterkaffees. Die US-Amerikaner von „Verve Coffee Roasters“ etwa betreiben rund um das durch Filter gebrühte Aufgussgetränk eine wahre Wissenschaft. In Videofilmen – etwa auf vimeo.com – legen sie dar, wie mittels Waage zunächst der Kaffee grammgenau abgemessen, das Wasser auf die richtige Temperatur erhitzt und dabei von einem feinen Thermometer überprüft und schließlich mittels Stoppuhr genau die richtige Brühzeit ermittelt wird. Angeblich liegt diese übrigens bei exakt zwei Minuten und 30 Sekunden.

Ähnlich greifen auch die Macher von Hario Gear auf ganz klassische Brühmethoden zurück. Der Hario V60 Dripper sieht ziemlich genau wie jene Vorrichtung aus, die man früher als Halter für den Papierkaffeefilter auf die Kaffeekanne stellte und Schwall für Schwall mit dem heißen Wasser übergoss. Nun ist dieser Filterhalter jedoch wahlweise aus farbigem oder weißem Porzellan oder Glas und verfügt über Rillen auf der Innenseite, die dem Wasser genau den richtigen Weg von oben nach unten weisen sollen – und zwar in Strudelform. Wichtig dabei: im Vorfeld den Kaffeefilter mit heißem Wasser durchspülen, damit er den Papiergeschmack nicht an das Heißgetränk abgeben kann.

Hario, Water Dripper Clear; Screenshots: vimeo.com

Hario, Water Dripper Clear; Screenshot: vimeo.com

Ebenfalls bemerkenswert ist der Hario Water Dripper ‚Clear‘. Mit dieser an den Chemieunterricht der Mittelstufe erinnernden Apparatur kann man kaltes Wasser oder schmelzendes Eis in das Kaffeepulver tropfen lassen – je langsamer desto besser, weil konzentrierter. Das Ergebnis ist kalter Kaffee; arm an Säure und Bitterstoffen, aber reich an Schokoladenaromen. Für Menschen mit wenig Zeit und großer Lust auf guten Kaffee – oder Camper – bietet Hario die Aeropress. Der gemahlene Kaffee wird in einen Plexiglaszylinder gefüllt, mit heißem Wasser aufgegossen, anschließend 90 Sekunden ziehen lassen. Das Ganze wird dann auf eine Tasse aufgesetzt und mit dem zugehörigen Stempel nach unten gedrückt.

Doch auch diese Kaffee-Nerds sind nichts anderes als ein Zeichen unserer Zeit, in der scheinbar alles mit wissenschaftlicher Disziplin betrieben und gleichzeitig altes und überholtes mit einem ironischen Chic aufgeladen wird. Und schon hört man auch hierzulande wieder die ersten Hipster in Berlin-Kreuzberg oder Hamburg St- Pauli davon schwadronieren, dass es doch wahnsinnig super sei, dass einige Cafés sogar Filterkaffee anbieten.

David Kasparek

Hario, Aeropress; Screenshot: vimeo.com

Hario, Aeropress; Screenshot: vimeo.com

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