Hannes Hölscher und Sven Petersen, hope Architekten BDA, Hamburg

Mit Bauchgefühl

Wie man es sich für Hamburg kaum klischeehafter vorstellen kann, wurden in den Büroräumen von hope Architekten früher einmal Heringe gelagert und verarbeitet. Der niedrige Industriebau befindet sich im ehemaligen Arbeiterstadtteil Ottensen, das heute extrem beliebt ist. Ähnlich wie in anderen Großstädten sind die Qualitäten des Quartiers – kleinteilig, kulturell vielfältig und gut gelegen – nicht lange unentdeckt geblieben. Es wirkt beschaulich in den kleinen Straßen, gleichzeitig lebendig und urban.

Hannes Hölscher
hope Architekten BDA

Sven Petersen
hope Architekten BDA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch die Büro- und Lebenssituation von Hannes Hölscher und Sven Petersen hat in gewisser Weise etwas Beschauliches. Nicht nur haben die beiden 2020 gemeinsam ein Architekturbüro gegründet, sie wohnen auch nebeneinander im gleichen Haus, das in der Nachbarschaft des Büros liegt, und verbringen sogar hin und wieder die Wanderurlaube zusammen. „So ein bisschen wie bei Friends“, beschreibt es Hannes Hölscher mit Bezug auf die US-amerikanische Serie aus den 90ern. Ob das nicht manchmal zu viel sei? „Wir kennen uns gut. Also, bevor wir uns auf die Nerven gehen, gibt es ein Gespür, dass der andere gerade ein bisschen Abstand braucht. Das muss gar nicht unbedingt kommuniziert werden“, meint Hannes Hölscher dazu.

hope Architekten, Neuer Hulsberg, Bremen, 2021, Visualisierung: Ponnie Images

Direkt nach ihrer Gründung, die genau in die Pandemie-Zeit hineinfiel, landeten hope Architekten einen Coup: Sie gewannen den ersten großen Wettbewerb für zwei Baufelder eines gemischten Quartiers in Bremen. Für die Konversion eines ehemaligen Krankenhausgeländes bringt ihr Entwurf Variationen des klassischen „Bremer Hauses“ – einer gründerzeitlichen Reihenhaustypologie – mit Geschosswohnungen und einem markanten Gewerbebau zusammen. Das erste Baufeld des Bauvorhabens in Bremen – nebenbei auch ihre Heimatstadt, in der sich die beiden schon als Jugendliche kennenlernten – konnten sie bis zum Bauantrag betreuen, danach wurde das Projekt aufgrund der wirtschaftlichen Lage gestoppt. Nach langer Pause, die Hannes Hölscher und Sven Petersen durchaus als Durststrecke empfanden, ist es unlängst wieder angelaufen, sodass sie nun auch mit der Planung für das zweite Baufeld beschäftigt sind.

hope Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Johannes Arolt Architekt, Grundschule Brunsbüttel, 2023

„Wir sind mit den Wettbewerben direkt aufs Ganze gegangen. Mit allen Verzögerungen rund um die Baukrise hat das allerdings dazu geführt, dass wir noch nichts gebaut haben – jedenfalls keinen Neubau“, beschreibt Sven Petersen die derzeitige Situation des Büros. Dass hope Architekten zum Bremer Wettbewerb eingeladen wurden, hatte indirekt auch mit der Unterstützung eines etablierten Architektenkollegen zu tun. „Er hat uns gefragt, ob wir nicht gemeinsam als Arbeitsgemeinschaft einen Wohnungsbau-Wettbewerb machen wollen, weil er nicht die Kapazitäten hatte. Zwar haben wir nicht gewonnen, aber darüber folgte dann die Einladung zum nächsten Wettbewerb“, erinnert sich Hannes Hölscher, „das war wirklich eine gute Initiative, die uns ungemein geholfen hat, auf eigene Beine zu kommen.“

In einem weiteren Wettbewerb für vier nebeneinanderliegende Stadthäuser in Potsdam konnten sie 2023 einen dritten Platz holen. Der Kontextbezug lag den beiden hier sehr am Herzen, sie spielen mit verschiedenen Fassadenorganisationen, Fensterformen und differenzierten Details, ohne jedoch in eine historisierende Formensprache zu verfallen. „Wir suchen nach Lösungen, die auch einen gewissen emotionalen Wert transportieren“, erläutert Hannes Hölscher, „wir wollten hier etwas Individuelles entwickeln, das die Stadtgestalt und die historische Baukultur in Potsdam aufgreift.“ In Bezug auf die Grundrisse wurden ebenfalls historische Referenzen in unübliche Lösungen überführt: „Wir haben Grundrisssysteme in Potsdam untersucht, und wie die Räume darin miteinander verschaltet sind. Dabei sind wir auch auf Themen wie den nutzungsneutralen Raum gestoßen, der in Potsdam oft im Altbau zu finden ist, und haben ihn auf den heutigen geförderten Wohnungsbau umgemünzt“, erörtert Sven Petersen, „dabei achten wir jedoch sehr darauf, keine Luftschlösser zu entwerfen, sondern Konzepte, die sich auch wirtschaftlich realisieren lassen.“

hope Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Johannes Arolt Architekt, Grundschule Brunsbüttel, 2023

Bevor Hölscher und Petersen sich 2020 selbstständig machten, sammelten sie jeweils einige Jahre Erfahrungen als angestellte Architekten. Sven Petersen wirkte bei seinem vorigen Arbeitgeber als Projektleiter an mehreren Schulbauten mit – heute wertvolle Referenzen, durch die hope Architekten beispielsweise am Wettbewerb für eine Grundschule in Brunsbüttel teilnehmen konnten. Statt auf mehrere Baukörper zu setzen, entwarfen sie hier ein kompakteres Einzelgebäude in Holzbauweise mit Ziegelfassade. „Brunsbüttel liegt nah an der See und ist stark dem Wind ausgesetzt, wir wollten daher eine harte, schützende Schale mit weichem, geborgenen Kern schaffen“, erläutert Hannes Hölscher den Entwurf. „In Deutschland wird im Schulbau oft das Gleiche gemacht: Es gibt drei Schollen mit Innenhöfen, die in verschiedenen Konstellationen zusammengeschachtelt sind. Das hat zwar auch seine Daseinsberechtigung, aber wir stecken sehr viele Gedanken in die Suche nach Lösungen, die über die reine Organisation eines Raumprogramms hinausgehen. Wir wollen wertvolle Räume schaffen, in denen man sich wirklich wohlfühlt.“

hope Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit: Johannes Arolt Architekt, Stadthäuser Potsdam, 2023, Visualisierung: Grauwald Studio

Als junges Büro treffen hope Architekten trotz der ersten Erfolge immer wieder auf die bekannten Hindernisse bei der Vergabe. „Wir wollen nicht bepudert werden, sondern Chancengleichheit“, betont Sven Petersen. Gleichzeitig versucht er auch Verständnis für die Risikoaversion im Vergabewesen aufzubringen: „Das hat natürlich mit gewissen Ängsten und mangelndem Vertrauen zu tun. Eine Person, die gerade in der Verantwortung steht, möchte vielleicht nicht das Risiko eingehen und auf unbekannte Büros setzen. Fehler oder Misserfolge könnten auf sie zurückfallen. Wir überlegen uns in so einer Situation daher, was wir tun können, um dieses Vertrauen zu stärken.“ Dennoch halten sie noch andere Mechanismen für notwendig, um hier entgegenzusteuern. „Wir müssen uns fragen, wie wir es in der Gesellschaft schaffen, dass die Leute wieder mutig sind“, meint Hannes Hölscher.

Auch die gängigen Standards immer wieder infrage zu stellen, sehen die beiden als wichtige Aufgabe an. „Muss wirklich eine Lüftungsanlage eingebaut werden – selbst wenn es Effizienzhaus-40-Standard sein soll? Wie lässt sich die Technik reduzieren, wenn wir andere Parameter verändern? Oft sind die Vorgaben überzogen oder gar fehlgeleitet, insbesondere, wenn man ein Gebäude mal auf 100 Jahre rechnet“, meint Sven Petersen. Dass in vielen Bereichen der Branche nicht so gedacht werde, ließe einen manchmal verzweifeln, ergänzt Hannes Hölscher. Die Motivation sei jedoch umso größer, endlich in einem gebauten Projekt zu beweisen, dass es auch mit weniger Technik möglich ist. Ebenso versuchen die beiden in ihren Projekten Bauweisen umzusetzen, die zukünftige Funktionsänderungen zulassen. „Als Architekten sollten wir nicht nur die kommenden 25 Jahre betrachten, wie es der Investor macht. Aber das ist schwierig zu kommunizieren“, so Hölscher.

hope Architekten, Umweltstation Landau, 2023, Visualisierung: Georg Hana

Zugleich sehen die beiden Architekten die Diskussion um nachhaltige Baukultur nicht ganz unkritisch. „Die Debatten werden oft sehr emotional geführt, insbesondere die um das Bauen im Bestand. Das ist zwar ein wichtiger Teil der Lösung, aber dass es nun gar keinen Neubau geben soll, finde ich auch nicht richtig. Da wird manchmal etwas zu schwarz-weiß und modisch argumentiert“, meint Hannes Hölscher. Sven Petersen kann emotionalen Debatten wiederum etwas abgewinnen: „Etwas Emotionalität schadet nicht, sie darf auch mal ausufern. Das ist mir lieber, als in einen Pragmatismus zu verfallen, wie ihn die deutsche Gesellschaft manchmal zelebriert: Wir mögen es, wenn etwas einfach funktioniert und günstig ist. Vielleicht kann die Emotionalität dazu führen, dass man wieder Bock auf gute Häuser hat.“ Hannes Hölscher sieht das auch für den Entwurf als Chance: „Es wäre, glaube ich, gut für alle, wenn man hier wieder auf sein Bauchgefühl hören und vielleicht eine Proportion gelten lassen darf gegenüber einem rationalen Raster.“

Hannes Hölscher betont am Schluss des Gesprächs noch einmal: „Unsere Aufgabe und Verantwortung als Architektinnen und Architekten ist es, bewusst zu gestalten und das nicht zu verlieren, trotz aller rationalen und wirtschaftlichen Zwänge“. Das „Hope“ ihres Namens wird übrigens wie die beiden deutschen Silben „Ho“ und „pe“ ausgesprochen, angelehnt an die ersten Buchstaben in ihren Nachnamen. Keinesfalls sollte der Büroname pathetisch sein, erläutert Hölscher. Aber vielleicht ist es nicht so schlimm, wenn einige den Namen missverstehen… Elina Potratz

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