neu im club

Der Architekt als Vermittler

Christian Stiller, Architekt BDA, Frankfurt am Main

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus, Frankfurt / Main 2015 – 2017, alle Fotos: Nina Siber / Christian Stiller

Elina Potratz: Wie sind Sie zur Architektur gekommen?
Christian Stiller: Das war, unter anderem, durch mein Elternhaus in der Lüneburger Heide. Meine Eltern wollten damals „etwas anderes“ bauen und engagierten den Großcousin, einen Architekten, um das Wohnhaus zu entwerfen. Den Entwurf haben sie dann auch gleich so angenommen. Als ich später mit dem Studium begann, habe ich einmal mit dem Architekten gesprochen und ihn nach seinen Vorbildern gefragt. Er murmelte etwas von Rudolf Olgiati, und ich habe nach Ähnlichkeiten in dessen Werk zu meinem Elternhaus gesucht. Zudem war mein Vater Schreiner von Beruf. Von ihm kenne ich eine Handwerkerhaltung, die sich auf die Ideen des Auftraggebers einlässt, anstatt zu sagen: „Das machen wir aber anders“. Es muss meiner Meinung nach auch die Bereitschaft vorhanden sein, sich in andere hineinzudenken, denn ein Architektenhaus ist schließlich etwas anderes als eines aus der Maurerfibel.

Gab es während Ihres Studiums an der TH Karlsruhe prägende Figuren?
Das waren bei mir weniger die Vortragenden und Lehrenden, sondern eher die Zusammenarbeit mit den Studienkollegen, die mich am meisten vorangebracht hat. Das Studium war relativ bodenständig und hat in den Aufgabenstellungen nicht durch Komplexität überfordert. Und in der Gruppenarbeit konnte man in gewisser Weise das Büroleben schon einmal simulieren.

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus, Frankfurt / Main 2015 – 2017

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus, Frankfurt / Main 2015 – 2017

Sie haben nach dem Studium zunächst in einigen namhaften Büros, beispielsweise bei David Chipperfield in Berlin, gearbeitet, um dann an die TU Darmstadt in die Forschung und Lehre zu gehen und schließlich wieder zum Bauen zurückzukehren. Wie erklärt sich diese Entwicklung?
Es gab einige Stationen, bevor ich freischaffender Architekt geworden bin. Mein beruflicher Werdegang war immer wieder von Zufällen geprägt. Mein Klassenkamerad hat damals in Karlsruhe studiert, daraufhin habe ich dort ebenfalls mit dem Studium begonnen. Auf die Stelle an der TU Darmstadt hat mich wiederum ein Freund hingewiesen. Die Zeit an der Universität habe ich unter anderem genutzt, um viele Wettbewerbe zu machen. Das war für mich wie eine Art Zweitstudium nach den ersten Erfahrungen als Mitarbeiter in größeren Büros, was ich sehr genossen habe. Ich wollte aber irgendwann auch weiterkommen und vor allem bauen. In die Selbständigkeit bin ich über einen Kollegen gekommen, der mich für ein größeres Umbauprojekt mit ins Boot geholt hat.

Welche Projekte bearbeiten Sie derzeit?
Vor allem kleinere Projekte, viele Umbauprojekte, aber auch hin und wieder Neubauten, die ich zusammen mit Kollegen bearbeite – den Austausch schätze ich bei diesen Gelegenheiten immer sehr. Im Moment arbeite ich unter anderem am Umbau eines Siedlungshauses in der Frankfurter Kuhwaldsiedlung aus den 1920er Jahren, das einen Anbau bekommt, um überhaupt richtig nutzbar zu werden.

Details unterschiedlicher Hand-werkstechniken, Christian Stiller Architektur, Wohnhaus, Frankfurt / Main 2015 – 2017

Was bedeuten Umbauprojekte für Sie?
Metropolen wie Frankfurt sind gewachsen und sehr zugebaut, da gibt es kaum noch Bauland. Man muss schon sehr viel Geld hinlegen, um dort zu bauen. Die andere Möglichkeit ist, ein altes Haus zu kaufen, es abzureißen und einen Neubau darauf zu setzen. Früher fand ich das nicht gut, heute sehe ich dies etwas anders und habe auch Verständnis für solche Bauherren, die sich einen besseren Standard vom Neubau versprechen: Man hat ein warmes Haus ohne verfaulte Holzdecken mit geraden Wänden, in dem es nicht zieht. Bei anderen Bauten ist der Erhalt dagegen wichtig und wertvoll. Beim Umbau und der Sanierung eines Gründerzeitgebäudes in Sachsenhausen hat sich das wirklich gelohnt: Aus einem halb verfallenen Bau ohne Badezimmern ist ein sehr schönes Projekt geworden, auch mit einigen Neuerungen. Zudem schafft das Bauen im Bestand und das behutsame Restaurieren Sensibilität und schärft das Auge bei anderen Aufgaben.

Wie wichtig ist es Ihnen, auch in den Umbauten eine Art „Handschrift“ zu hinterlassen?
Nein, eine eigene bewusste Handschrift gibt es bei Umbauten nicht. Das, was ich tue, muss immer mit dem Ort zu tun haben, sich herleiten aus dem, was man sieht. Man soll es fast gar nicht merken – es ist Selbstverständlichkeit, die von mir angestrebt wird. In diesem Prozess steht die Frage der Modellierung wie in einem räumlichen Modell im Mittelpunkt. Ich verstehe unter einer Handschrift nicht nur ein optisches Markenzeichen sondern eine ganzheitliche Wahrnehmung.

Würden Sie gerne wieder im Team arbeiten?
Ja, auf jeden Fall. Andererseits mache ich natürlich auch jetzt schon meine Projekte mit den Bauherren zusammen, das sind meine Partner – im klassischen Sinne. Der Bauherr und ich hängen zusammen und sind das Team. Man muss einen guten, moderaten Weg zusammen gehen. Ich will, dass die Leute zufrieden sind. Das heißt natürlich auch, dass man vermitteln muss. Kürzlich wollte ein Bauherr für eine Oberfläche beispielsweise unbedingt Feinsteinzeug in Holzoptik. Ich konnte ihn dann zu einem gespachtelten Travertin überzeugen, der mit seiner Maserung an Holz erinnert.

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus SL, Bad Homburg 2014 – 2016, Foto: Nina Siber

Haben Sie architektonische Vorbilder?
Klar habe ich auch Vorbilder. Man schwimmt ja in einer Art Zeitgeist mit. Bei mir leitet sich die Arbeit aber vor allem daher, dass es Leute geben muss, die meine Ideen umsetzen müssen, sei es die Profifirma oder ein lokaler Klempner – mit denen spreche ich lieber zuerst und frage danach, was sie können. Ich zeichne meine Vorstellungen und der Handwerker schaut, ob er es hinbekommt. Und wenn nicht, dann findet man eben eine andere Lösung. Ich hole mir die Inspirationen eher aus dem Machen, aus dem Material heraus und dem, was es kann. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich von der Schweizer analogen Architektur beeinflusst bin, aber auch diese lässt sich von dem inspirieren, was bereits da ist: etwa von der alten Heuscheune, die daneben steht und dem, was die Zimmermannsfirma kann. Dann versucht man, mit den Handwerkern zusammen noch ein bisschen mehr zu können, sie aus der Reserve zu locken und gleichzeitig abzuholen.

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus SL, Bad Homburg 2014 – 2016, Foto: Nina Siber

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus SL, Bad Homburg 2014 – 2016, Foto: Nina Siber

Denken Sie das Handwerk bei Ihren Entwürfen mit?
Ja, schon, das hat sich durch die Praxis beim Bauen entwickelt. Ich denke, man muss einen Mittelweg finden. Es hat manchmal Vorteile, wenn man sich mit der Ausführung nicht so gut auskennt, dann kann man einiges durchaus spielerisch sehen. Auf der anderen Seite muss das viele Geld natürlich so eingesetzt werden, dass das Gebäude auch eine Weile gut dasteht. Wir haften ja, und am Ende gibt es ein Feedback des Bauherrn. Das hat auch mit meinem Berufsverständnis zu tun: Ich mache meine Projekte vom ersten Bauherrnkontakt bis zum fertigen Haus. Es hat mich in meinem Werdegang sehr viel Energie gekostet, alle Leistungsphasen abdecken zu können. Ein wenig ist dies auch eine Trotzhaltung gegenüber den Kollegen, die nur die Planung machen wollen, am Bild des Baumeisters festzuhalten. Ich meine, das macht noch kein rundes Gebäude, das Ergebnis ist einfach besser, wenn es aus einer Hand kommt. Aber natürlich sind manche Büros mit ihren Kooperationspartnern sehr gut eingespielt.

Welches Ihrer neueren Projekte hat Sie besonders begeistert?
Der Umbau eines Hauses aus den 1960er Jahren in Bad Homburg gefällt mir besonders in Hinblick auf das Endergebnis. Der weiße Putz und die anthrazitfarbenen Fenster sind vielleicht etwas dem Zeitgeist geschuldet, aber das Gebäude ist dennoch zeitlos. Das Schöne ist die Kleinteiligkeit und Plastizität des Baukörpers, die durch den Umbau wiedergewonnen wurde, bei dem der ursprüngliche Entwurf von 1965 herausgearbeitet wurde.

Christian Stiller Architektur, Wohnhaus SL, Bad Homburg 2014 – 2016, Foto: Nina Siber

Wie vermarkten Sie Ihr Büro und wie kommen Sie an Aufträge?
An Aufträge komme ich vor allem über Mundpropaganda, darüber bin ich aktuell gut ausgelastet. Bisher kam bei meinem hohen Arbeitspensum das Marketing oft zu kurz, obwohl es mir eigentlich wichtig ist. Zudem ist es mir zunächst schwer gefallen, meine Bauten fotografieren zu lassen. Es ist für mich ein Prozess, auch kleinere Projekte selbstbewusst zu präsentieren – vielleicht fällt die Selbstvermarktung leichter, wenn das Büro größer und man mit seiner Arbeit nicht nur für sich selbst steht.

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Christian Stiller:
8. Mai 2019, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
9. Mai bis 2. Juli 2019
www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von dormakaba, Erfurt und Heinze sowie den BDA-Partnern.

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