Editorial 23-1

Strandmonopol und Eierlikör

Wenn man die künstliche Intelligenz ChatGPT darum bittet, ein Editorial für eine Architekturzeitschrift zum Thema künstliche Intelligenz zu schreiben, könnte der erste Absatz wie folgt lauten: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der Technologie eine immer größere Bedeutung erlangt. Die Architekturbranche ist davon nicht ausgenommen: Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen, von der Planung bis hin zur Realisierung von Bauprojekten. Keine Sorge, KI ist nicht gekommen, um Architektinnen und Architekten zu ersetzen, sondern um zu unterstützen. Stellen Sie sich vor, Sie haben endlich alle Pläne für Ihr neues Gebäude bereit, aber Zweifel bleiben, ob alle möglichen Fehler berücksichtigt wurden. Hier kann KI eine wertvolle Hilfe sein. Sie kann Ihre Pläne analysieren und mögliche Schwachstellen aufzeigen, bevor es zu spät ist.“

Für die schreibende Zunft mag es erleichternd sein, dass die Texterzeugnisse des Chatbots der US-amerikanischen Firma OpenAI oft sehr simpel und glatt daherkommen und (noch) keine Konkurrenz zu schreibenden Menschen aus Fleisch und Blut zu befürchten ist. Allerdings befindet sich die Menschheit derzeit noch in einer Erkundungsphase dieser KI, bisher lässt sich noch kein abschließendes Urteil erlauben. Einige Menschen nutzen sie bereits, um Bewerbungen, E-Mails, Zusammenfassungen, Aufsätze oder auch Programmiercodes erstellen zu lassen. Oder sie experimentieren mit den kreativen Möglichkeiten, zu denen man die KI treiben kann – etwa innerhalb von Sekunden eine gar nicht mal so schlechte Rede über die Bedeutung von Osterdekoration und Eierlikörpralinen für Architektur und Städtebau schreiben zu lassen.

Zwischen Genie und Gaga bewegen sich die Erzeugnisse künstlicher Intelligenz, Abb.: mit der KI DALL-E 2 generiertes Bild

Andere versuchen, die künstliche Intelligenz zu überlisten – ihr moralisch verwerfliche Inhalte oder Fehler zu entlocken, um so ihre Gefahren aufzudecken. So antwortete die KI im Dezember 2022 auf die Frage, welches Säugetier die größten Eier lege, noch „Elefant“. Wenige Zeit später korrigierte sie ihre Angabe zu „Elefantenlaus“, um zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe bei „Strandmonopol (Sphenodon punctatus), auch bekannt als Schwanzlurch oder Neuseeländischer Schwanzlurch“ zu landen – also ausgemachtem Unsinn. Dennoch sollte man die KI nicht unterschätzen, die stetig weiterentwickelt wird und auch solche Kinderkrankheiten wahrscheinlich bald überwunden hat.

Schulen und Universitäten trifft die öffentliche Zugänglichkeit der künstlichen Intelligenz bereits mit voller Wucht. Aufsätze und Hausarbeiten zu gut dokumentierten Themen schreibt ChatGPT mit Leichtigkeit, Lehrende können die Ergebnisse oft nicht von menschengemachten Texten unterscheiden, denn die KI lässt sich bei Fehlern oder unpassenden Formulierungen mit sprachlichen Befehlen leicht nachkorrigieren oder manuell verfeinern. Selbst eine im Eiltempo entwickelte Anwendung, die solche KI-generierten Texte erkennen soll, kommt an ihre Grenzen.

Die meisten Architektinnen und Architekten werden einwenden, dass sich ihre Kreativität nicht so einfach ersetzen lässt (auch die KI versucht in der Einleitung, dieser Befürchtung entgegenzuwirken). Das mag stimmen, doch gibt es auch für das Bauen bereits zahlreiche Werkzeuge, die mit KI arbeiten und in Zukunft sicher noch an Bedeutung gewinnen werden. Wie beim Sprachchat läuft es einem auch hier bisweilen kalt den Rücken hinunter, wenn etwa die Entwickler des Dienstleisters „Propertymax“ in einem Video erläutern, wie man mit KI die maximale Ausnutzung und damit die maximale Wertsteigerung eines Grundstücks unter Berücksichtigung der baurechtlichen Vorgaben ermitteln kann – in den Händen der Richtigen aber sicher ein hilfreiches Werkzeug, das man zumindest kennen sollte. Nicht gut wäre es dagegen, wenn es die Architektenschaft eines Tages so hart und unvorbereitet trifft wie derzeit die Universitäten.
Elina Potratz

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