Editorial von Susanne Wartzeck

Woher und wohin?

Woher und wohin? Zwei einfache Lokalpräpositionen möchte man meinen, doch als Fragen danach, wo wir herkommen und hingehen, sind sie alles andere als einfach zu beantworten. Vielleicht ist die Antwort am ehesten im Hier und Jetzt zu finden, in einer Art Positionsbestimmung. Terrestrische Navigation nennt man die Standortbestimmung auf See. Sie ist relativ einfach, solange zwei feste Orte angepeilt werden können. Auf dem offenen Meer bedarf es der astronomischen Navigation, also der Messung zweier Gestirne, früher mittels Sextanten und nur bei guter Sicht möglich. Diese „Unsicherheit“ des eigenen Standorts hat mich als Kapitänstochter schon immer fasziniert. Man kommt nur über das Meer mit der Bereitschaft, seinen Kurs ständig zu kontrollieren und zu korrigieren. Zumindest galt das bis zur Einführung der Satelliten-geführten Navigation. Es bedarf des Muts, bei schlechter Sicht und unklaren Verhältnissen weiterzusegeln, in dem Vertrauen, durch Kursanpassungen doch am Zielort anzukommen.

Der dänische Dreimast-Bramsegelschoner Activ von 1951, den der frühere BDA-Präsident Volkwin Marg über 45 Jahre restaurierte: Es ist eines der letzten großen Schiffe in Europa, das nach traditionellem Riss aus massiver Eiche gebaut wurde, Foto: Volkwin Marg

Genau diese Eigenschaften benötigen wir auch im BDA, denn es ist nicht immer klar, in welche Richtung wir gehen und ob die gewählte Richtung stimmt. Haben wir also den Mut, auch nach 120 Jahren den Wert und die Bedeutung unseres Berufsstands immer wieder zu diskutieren und neu zu bestimmen. Wir müssen uns einmischen in die gesellschaftliche und politische Diskussion zu den zahlreichen virulenten Fragen: Was und wie viel soll gebaut werden? Wie viel Land dürfen wir dafür versiegeln, wieviel Material verwenden, wieviel Energie verbrauchen? Aber auch: Welche Ausbildung brauchen wir zukünftig an den Hochschulen? Welche Aufgabenfelder und neuen Perspektiven ergeben sich für unsere Büros?

Wir alle sind Teil einer ganz besonderen Wahlgemeinschaft, wir werden in diesen Bund berufen und stehen damit in der Tradition bedeutender Architektinnen und Architekten, die mit ihren außergewöhnlichen Werken Maßstäbe gesetzt haben. Aber nicht nur das gebaute Werk, sondern insbesondere persönliches Engagement und persönliche Integrität gaben und geben unserer Gemeinschaft ihr Profil. Aus diesem Selbstverständnis heraus sollten wir die Stärken unserer Gemeinschaft ausspielen, indem wir solidarisch für unsere Anliegen eintreten. Denn Solidarität ist mehr als eine Parole oder das Festhalten an Traditionen. Solidarität ist ein geistiges Prinzip, das unsere Wahlgemeinschaft ausmacht und zusammenhält.
Susanne Wartzeck

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