Buch der Woche: Urbane Architektur und Alltag

Halleluja Berlin

Anfang der 2000er-Jahre fragte die Band „Paula“: „Warum Berlin?“ und Rainald Grebe schien drei Jahre später mit seiner Kapelle der Versöhnung die Antwort zu geben, als er sang: „Berlin, Halleluja Berlin, Halleluja Berlin/ Alle wollen dahin/ Deshalb will ich das auch“. Berlin war der Ort zum Sein, interessant auf vielen Ebenen. Auch stadtplanerisch und architektonisch, nach den wilden 1990er-Jahren zudem familienfreundlicher. Langsam scheint sich das Blatt zu wenden, andere Städte und Regionen sind aus unterschiedlichen Gründen in den Fokus der Betrachtung geraten. Berlin dagegen kämpfte lange gegen Flughafengespött, lachte sich windige Fußballinvestoren an und musste nun eine Wahl wiederholen. Dennoch lohnt der Blick in die Hauptstadt immer wieder.

Das zeigt auch das Buch „Berlin. Urbane Architektur und Alltag 2009–2022“, das Sandra Hofmeister und Florian Heilmeyer in der Edition Detail herausgegeben haben. 30 Projekte haben die beiden zusammengetragen, allesamt innerhalb des S-Bahn-Rings, jenem Teil der Hauptstadt also, der einst als Bezugsrahmen für die Viertel galt, in denen „man so wohnen kann“ und die mithin wahrlich urban genannt werden können.

Edition Detail

Die Auswahl der Projekte ist dabei gar nicht sonderlich überraschend. Wer die Entwicklung der Bundeshauptstadt im letzten Jahrzehnt ansatzweise verfolgt hat oder auch nur regelmäßig in die einschlägigen Print- und Online-Publikationen blickt, wird die allermeisten Bauten schon gesehen haben. Von der Floating University, die auf Anordnung des Senats nicht mehr Universität heißen darf und deswegen auch in diesem Buch durchgestrichen, also etwas affektiert „Floating University“ ausgeschrieben wird, über Chipperfields Bauten auf der Museumsinsel, Wohnbauten von ifau, Heide&von Beckerath oder Robertneun und Medienhäuser von OMA, Bundschuh Architekten oder E2A Architekten bis hin zum Lobe Block von Brandlhuber+Emde, Burlon und Muck Petzet reicht die Übersicht. Sie alle werden hier in bewährter Manier dokumentiert. Zu den schönen Fotografien der besten Architekturfotograf:innen des Landes kommen Grundrisse und Schnitte samt Legende – alles auf haptisch feinem Naturpapier.

Drei Interviews verankern das Buch in der Architekturgeschichte: Sandra Hofmeister sprach mit Matthias Sauerbruch und David Chipperfield, Florian Heilmeyer mit Tanja Lincke. Uneitel geben die drei dabei Einblicke in ihre Arbeit, die Entstehungsgeschichte mancher Projekte und ihre persönliche Sicht auf die Stadt. Die Essays aber, die das Buch abrunden, machen es mehr noch als die Gebäudedokumentationen zum Zeitzeugnis. Durch die themenbezogenen Texte erweitert sich das Buch zu einem recht umfänglichen Kompendium, das einen guten Überblick über verschiedene Diskussionen der lange Zeit spannendsten Stadt der Republik bietet. Grundlegendes wie das Wohnen wird hier ebenso verhandelt wie die Frage nach dem Umgang ikonisch gewordener und aus der Nutzung gefallener Bauten wie dem Flughafen Tegel oder der Entwicklung neuer Stadt- und Kulturzentren wie der Museumsinsel. So wird die Sammlung zeitgenössischer Bauten zu einer Art Summenstrich des hiesigen Architekturdiskurses.
David Kasparek

 

Florian Heilmeyer, Sandra Hofmeister (Hrsg.): Berlin. Urbane Architektur und Alltag 2009–2022, 312 S., zahlr. Abb., Edition Detail, München 2022, 52,90 Euro, ISBN: 978-3-95553-589-6

 

 

 

 

 

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