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Haus und Landschaft in Asien

Anlässlich des Todes von Andreas Brandt veröffentlichen wir an dieser Stelle erneut die Rezension seines Buches „Haus und Landschaft in Asien“, die Günter Pfeifer für der architekt 3/11 geschrieben hatte.

Denkmalschutzbehörden haben keine leichte Aufgabe, wohl in keinem Land Europas – und in anderen Teilen dieser Erde gibt es solche Einrichtungen schon gar nicht. In den Ländern der Europäischen Union bemüht man sich um eine Balance zwischen Erhalten, Bewahren und Verändern. Die UNESCO als übergeordnete Weltorganisation unterstützt deren Bemühen, das kulturelle Welterbe zu sichern. Außerhalb all dieser Bemühungen existieren aber Kulturen, die fernab jeder Touristik zu einer anderen Art von Erbe gehören, das uns der Architekt Andreas Brandt in seinem Buch „Haus und Landschaft in Asien“, erschienen im Alpheus Verlag Berlin, nahebringen möchte.

Andreas Brandt zeigt uns auf stille, aber eindringliche Art, eine völlig andere Sicht auf eine aktuelle Problematik. In jahrelanger akribischer Kleinarbeit hat er Dörfer in Nepal, Tibet, Vietnam und der Mongolei aufgemessen und aufgezeichnet. Er zeigt uns Welten, die fern jedes globalen Mainstreams im wörtlichen Sinne autochthon – also an Ort und Stelle – entstanden sind und vor allem gegenwärtig erstaunlich lebendig existieren.

Andreas Brandt, als Architekt Schöpfer einiger in Deutschland entstandener wichtiger Gebäude mit architektonischer Prägnanz und Haltung, lehrte als Professor an der Technischen Universität Darmstadt Entwerfen und Gebäudelehre. Bereits während dieser Zeit reiste er in entfernte Gefilde, um sich unter anderem auch typologisch inspirieren zu lassen. Nach seiner Emeritierung arbeitete er über acht Jahre lang zwischen Reisen und Zeichnen an diesem Werk. Seine momentanen Aktivitäten mit ähnlichem Thema lassen darauf schließen, dass er damit noch lange nicht zu Ende gekommen ist.

Dass er die Zeichnung als Medium wählt, ist nicht nur seiner besonderen Begabung und Passion zu verdanken. Zeichnen schult die Wahrnehmung anders als die schnelle Photographie. Zeichnen selbst ist Bewusstwerdung und subjektive Auswahl gleichermaßen. Damit gelingt ihm eine eigenartige und besondere Intensität der Darstellung. Mit der Konzentration auf das Wesentliche im autochthonen Bauen gelingt ihm eine völlig andere Wahrnehmung augenblicklicher Problematik. Sieht man genau hin, so fällt auf, dass das uralte Axiom von Mensch, Klima und Architektur immer noch seine Gültigkeit hat. Die Wirklichkeit ist, dass diese Dörfer in hohem Maße lebendig sind, im sozialen Gefüge funktionieren und in den baulichen Anlagen das beherzigen, was architektonische Kultur a priori ist. Andreas Brandt beschreibt deren soziale Strukturen und Gefüge, er zeichnet und erklärt das Erhalten und Erneuern der Häuser, das Schützen und Speichern, das Sammeln und Verteilen. Diese simplen Eigenschaften zur Versorgung des täglichen Lebens mit Nahrung, Kleidung und Behausung sind in den Zeichnungen und Texten gegenwärtig.

Es mag an der großen Ferne liegen, dass diese Welten aus dem Bewusstsein der Menschheit herausgefallen sind. Dem Autor gelingt es, diese Welten wieder in unser heutiges Bewusstsein zu transportieren. Fern jeder Touristik, fern jeder Technologie gibt es Kulturen, die uns lehren können, dass das Leben auch ganz anders funktionieren kann.

So erschließt sich dieses außergewöhnliche Buch dem aufmerksamen Leser und Betrachter als ein inspiriertes Werk, das sich auf drei Ebenen erfahren lässt: als sozio-kulturelles Dokument über die Existenz einer lebendigen Autochthonie, als Inspiration über Bauformen, die vor Ort entstehen, und als Hinweis, dass klimagerechte Architektur von der Überlieferung der Generationen abhängt und ohne Technik funktionieren kann.

Damit ist Andreas Brandt ein besonderer Beitrag zu einer aktuellen Debatte geglückt: Die neuen Katastrophen beweisen, dass die Technologien die Herrschaft über die Menschheit erobert haben. Die strukturelle Umkehrung des Prinzips der Beherrschbarkeit der Technologien hat sich, fast unbemerkt, in unser tägliches Leben  eingeschlichen. Das „Zurück zu den Wurzeln“ wäre die alternative Perspektive.

Günter Pfeifer

Andreas Brandt: Haus und Landschaft in Asien. 200 S., 89 farb. Zeichnungen und zahlreiche Fotografien, Leinen mit Schutzumschlag, 128, Euro, Alpheus Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-9811214-5-2

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