Im Kaleidoskop
Mit einem kleinen Essayband hat Jörg H. Gleiter, Professor für Architekturtheorie an der TU Berlin, seine bisherigen architekturtheoretischen Werke nun um ein assoziativeres und freieres Format erweitert. Ausgangspunkt dafür war die Rubrik „gleiters universum“ in dieser Zeitschrift, die in den Jahren 2017 bis 2021 in jeder Ausgabe erschien. So präsentiert er in seinem Band 24 Essays, die jeweils um einen zentralen Begriff kreisen. Die Bandbreite umfasst dabei sowohl eher klassischere Themen wie Ornament, Autor, Monumentalität oder Nachhaltigkeit, aber auch abstraktere Konzepte wie das Diaphane, Ekphrasis oder Architektonik. Zudem überrascht Gleiter immer wieder durch originelle Annäherungen, etwa über die Begriffe Affordanz, Sachwiderstand oder Übergangsriten. Der Autor selbst beschreibt seine Herangehensweise dabei als „kaleidoskopisch“, was treffend die Vielfalt der Themen und Maßstabsebenen widerspiegelt. Allesamt laden die Texte jedoch dazu ein, über die Oberfläche des Alltäglichen und vermeintlich Selbstverständlichen der Architektur hinauszublicken und sie durch einen gewissen Abstand neu zu hinterfragen. Durch Reflexionen und Erkenntnisse aus Geschichte, Philosophie, Psychologie und Anthropologie dringt er immer wieder zu grundlegenden Fragen durch, die die Beschaffenheit, aber auch das Machen von Architektur betreffen. Deswegen ist das Buch sicher besonders – aber nicht nur – für entwerfende Architektinnen und Architekten interessant. Die elegante literarische Form sowie zahlreiche Beispiele und inhaltliche Bezüge zur Geistesgeschichte machen die Lektüre einerseits kurzweilig, zugleich wird den Lesenden für die Transferleistung durchaus etwas Denkarbeit abverlangt. Das Büchlein ist damit idealer Begleiter für Menschen, die immer wieder nach kleinen Denkanstößen für die eigene Auseinandersetzung mit der Architektur suchen. Dabei werden die Texte begleitet durch eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien von Sara Toussaint, die durch ihren poetischen und assoziativen Charakter die Überlegungen Gleiters auf sehr schöne Weise ergänzen.
Elina Potratz