tatort

Internationale Rasterfahndung

Wieder einmal ist es soweit: Wir suchen ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Architekturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per E-Mail (redaktion(at)derarchitektbda.de) an die Redaktion gesandt werden. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir ein Buch. Einsendeschluss ist der 15. September 2021.

Der „tatort“ befindet sich diesmal in einem im Nordwesten des Landes gelegenen Stadtstaat, der historisch von der Hafenwirtschaft bestimmt ist. Das unweit der Innenstadt errichtete Bauwerk wurde unter Mitwirkung eines Frankfurter BDA-Architekten von einem Chicagoer Büro entworfen, das heute zu den größten der Welt zählt und das die Namen seiner drei Partner aus der Gründungszeit trägt. Wenige Jahre vor der Errichtung des „tatorts“ hatte das Architekturbüro ein Hochhaus in New York City umgesetzt, das inzwischen zu den Ikonen des International Style gehört. Auftraggeber des gesuchten Baus, der sich weniger in der Vertikalen, sondern in der Horizontalen erstreckt, war eine der alliierten Siegermächte, die die Stadt zu jener Zeit besetzte. Schon vor der Aufteilung der Bundesrepublik in Besatzungszonen gab es diplomatische Beziehungen zwischen der Stadt und dem Auftraggeberland – zum einen durch Handelsverkehr, zum anderen durch die Emigration, die von der Hafenstadt aus in den Überseestaat stattfand. Das Gebäude sollte nun als Interessenvertretung für die Bürger des Entsendestaates dienen und hauptsächlich Bürofunktionen beherbergen. Von denselben Architekten wurden zur jener Zeit Bauten mit der gleichen Funktion auch in drei anderen deutschen Städten umgesetzt, die dem gesuchten Bauwerk sehr ähneln. Das Gebäude besteht aus zwei langgezogenen Baukörpern, die rechtwinklig ineinandergeschoben sind. Der straßenseitige, repräsentativere Teil, der die Büroräume beinhaltet, ist viergeschossig ausgeführt, der hintere Gebäudeteil nur eingeschossig. Gestaltprägend ist insbesondere die offene Stahlskelettstruktur auf Straßenebene: Die feinen, unverkleideten Doppel-T-Träger geben dem Bau eine schwebend-elegante Anmutung. Das Luftgeschoss gibt den Blick auf einen dezent gestalteten Grünhof frei, an der Straßenseite ist eine Überdachung wie ein Tisch unter den Hauptkörper eingeschoben. Das Raster des weiß lackierten Stahlskeletts gibt dabei den Rhythmus der Fassade vor; jedes sechs Meter breite Fassadenmodul ist dabei wiederum in sechs metallgerahmte Felder aufgeteilt, die mit nach außen öffnenden Fenstern und römischen Travertinplatten ausgefacht sind. Eine Schattenfuge zwischen dem Rahmen des Stahlskeletts und der Ausfachung betont die Leichtigkeit der Konstruktion. 1974 erhielt das Gebäude einen BDA-Preis in der Kategorie „Bauten für Handel, Verwaltung, Industrie, Gewerbe“. In der Begründung hieß es, der Bau sei „ein wichtiger Orientierungspunkt für die Deutsche Nachkriegsarchitektur“ gewesen. Nachdem das Gebäude in den 1980ern aus der ursprünglichen Nutzung fiel, wurde es später, 40 Jahre nach seiner Errichtung, unter Denkmalschutz gestellt. 2006 folgte die denkmalgerechte Sanierung, da ein Logis­tikunternehmen in das Haus einzog. Bei der Installation eines außenliegenden Sonnenschutzes wurde versucht, sowohl die Filigranität als auch die Fassadenstruktur so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, was auch weitgehend gelang. Um welches Gebäude handelt es sich, wo steht es, wann ist es entstanden und wer hat es entworfen?

Der „tatort“ der Ausgabe 3 / 21 war das Rathaus und Kulturzentrum in Bocholt, das der in diesem Jahr verstorbene Architekt Gottfried Böhm 1971 bis 1977 entwarf und umsetzte. Gewinner des Buchpreises ist Stefan Tebroke.

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