Houston, we have a problem

Rundum selbständig

Villa F, Titmaringhausen

Mit dem Jahresthema „Kulisse und Substanz“ nimmt der BDA sich 2019 den drängenden Fragen rund um die Themen Ökologie und Verantwortung an. Dabei steht die Diskussion im Vordergrund, welche Maßnahmen uns dabei helfen können, die Effekte des Klimawandels zu gestalten, und welche Eingriffe, Postulate oder Moden nur Kulisse bleiben. Im Dezember letzten Jahres hat der architekt gemeinsam mit dem BDA und dem Deutschen Architektur Zentrum DAZ den Call for Projects „Houston, we have a problem“ gestartet und um Einreichung solch substanzieller Beiträge gebeten. Bis Ende Januar 2019 sind rund 150 gebaute und gedachte Projekte zusammengekommen. Im Wochentakt stellen wir an dieser Stelle ausgewählte Beiträge vor.

Christoph Hesse Architects, Villa F, Titmaringhausen

„Es war einmal ein Bauer, der wollte sich gerne ein rundes Haus bauen…“, so, oder zumindest so ähnlich, begann die Geschichte des Hauses Villa F in Titmaringhausen im Sauerland. Genau genommen war es jedoch kein Bauer, sondern ein Entsorgungsunternehmer und Biogasanlagenbetreiber, der zusammen mit seinem Vater als ein Pionier der Biogastechnologie in Deutschland gilt und ein Wohnhaus errichten wollte, das zugleich Betriebsleitungsgebäude ist. Beeindruckt von dem Bau einer seiner Fermenter, die aus flachen, überkuppelten Zylindern bestehen, wandte er sich 2013 mit seinem speziellen Wunsch an das Korbacher Büro Christoph Hesse Architects.

Nahwärmenetz der Biogasanlage in Titmaringhausen

Die Idee, ein rundes Haus zu bauen, war dabei nicht nur der Faszination für die Bauform geschuldet, sondern sollte auch aus energetischer Sicht Vorteile bieten. Wer im Biounterricht aufgepasst hat, weiß: Je geringer die Oberfläche eines Körpers im Verhältnis zu seinem Volumen, desto geringer ist der Wärmeverlust. Da jedoch eine Kugel schwierig zu bauen und zu bewohnen ist, entschloss man sich für eine Zylinderform. Durch den Anschluss an die Biogasanlage ist das Gebäude energieautark und mit Nahwärme versorgt; eine Verwertungsanlage von Bioabfällen ist ebenfalls auf dem Gelände. Mittels dieser Verbindung eines architektonischen Ausrufezeichens mit Aspekten des Umweltschutzes und der Unabhängigkeit vom globalen Energiemarkt wollte der Unternehmer und Bauherr auch Vorbild für sein Dorf sein. Und tatsächlich folgte kurz nach der Fertigstellung des Bauwerks der schrittweise Ausbau des Nahwärmenetzes in Titmaringhausen an die Biogasanlage, der selbstorganisiert und unbürokratisch ablief. Neben der Umweltfreundlichkeit – die CO2 Emissionen konnten um 100 Prozent reduziert werden – war dabei auch das Einsparen von Heizkosten ein wichtiger Antrieb: Durch die Umstellung spart jeder Haushalt im Schnitt circa 2.500 Euro ein, die Energiekosten haben sich damit mehr als halbiert.

Joel Frese (Bauerherr) beim Bestigen von Natursteinen an seinem Haus.

Wie sich an diesem Projekt beispielhaft zeigt, muss es mutige Akteure geben, die in der Praxis Alternativen aufzeigen, um aus der Bequemlichkeit des „so haben wir es schon immer gemacht“ herauszutreten. Die Villa F konnte als Keimzelle für eine gesellschaftliche Dynamik im Ort dienen, die sich auch auf sozialer und kultureller Ebene entfaltet. So wurde bereits ein Dorf- und Energiefest etabliert, bei denen es Führungen durch die Biogas-Nahwärme-Anlage gibt – das gemeinsame Projekt schweißt die Bewohner zusammen. Zurzeit wird bereits das nächste Dorf, Referinghausen, an das Netz angeschlossen. Hoffentlich eine Entwicklung, die sich weiter verselbständigt…

Elina Potratz

weitere Projekte aus dem Call for Projects „Houston, we have a problem“ können Sie in der Übersicht hier einsehen.

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert