spaziergänge mit heiner farwick

Im „urban garden“

Heiner Farwick, Präsident des BDA, und Andreas Denk, Chefredakteur dieser Zeitschrift, haben sich für ihren turnusmäßigen Spaziergang an einer merkwürdigen Stelle in der Mitte Berlins verabredet. Bis vor kurzem markierte hier eine Skulptur von Dan Graham den Eingang zum monumentalen Kraftwerk Berlin-Mitte. Inzwischen hat dieser teils begehbare elliptische Raum des amerikanischen Künstlers grüne Konkurrenz bekommen: Er verliert sich jetzt in der Heterotopie eines Urban-Gardening-Projekts, das der pfiffige Kraftwerkbetreiber hier etabliert hat. Kraftwerk, Raumwahrnehmungswerkzeug und Gartengehege geben den symbolisch bedeutsamen Hintergrund für ein Gespräch ab, in dessen Mittelpunkt der AKJAA, der Arbeitskreis Junger Architekten und Architektinnen im BDA, steht.

Andreas Denk: Herr Farwick, der AKJAA, der Arbeitskreis, in dem junge Architektinnen und Architekten des BDA zusammenkommen und -arbeiten, feiert in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen. Sie selbst sind Mitglied von 1998 bis 2006 im AKJAA gewesen. Was ist, wird immer mal wieder gefragt, die konkrete Zielsetzung dieser Gruppe?

Heiner Farwick: Im BDA wird natürlich gefragt und – zu Recht – auch kritisch hinterfragt, was die einzelnen Teilbereiche unserer Bundesarbeit eigentlich bewirken. Solchen Fragen hat sich auch der AKJAA immer wieder gestellt. Der AKJAA wurde vom damaligen Bundesgeschäftsführer Carl Steckeweh initiiert. In meinem zweiten AKJAA-Treffen in Basel saß ich mit Steckeweh am Tisch, der von seiner Idee erzählte, zu was dieser Arbeitskreis gut sein soll. Sein Gedanke war es, dass es neben den Strukturen und Organisationsformen, die der BDA traditionell besitzt, eine Ebene geben sollte, bei der bundesländerübergreifend junge Architekten die Möglichkeit zum Austausch finden sollten, wenn möglich sogar international.

Andreas Denk: Das war, wenn ich mich recht erinnere, aber noch nicht alles…

Heiner Farwick: Es ging Steckeweh insbesondere um eine Stärkung der Bindung der jungen Architekten an den BDA. Und schließlich auch um eine Neudefinition des BDA durch eine jüngere Generation, durch deren Verständnis vom Berufsbild und die damit einhergehenden Ansprüche. Mittels des Konstrukts, dass jeder Landesverband immer nur wenige Vertreter in den AKJAA schicken kann, sollte eine paritätisch besetzte Arbeitsebene entstehen, die inhaltliche Impulse aus der Sicht junger Architekten in den BDA geben sollte.

Foto: Andreas Denk

Andreas Denk: Hat sich in Ihrer Wahrnehmung eingelöst, was Carl Steckeweh damals wollte? Haben Sie selbst das Zusammensein und -wirken mit den anderen jungen Kollegen im AKJAA als programmatische Arbeit am BDA verstanden?

Heiner Farwick: Es ist typisch für Arbeitskreise Jüngerer, dass sie kontinuierlichen Veränderungen unterliegen. Im AKJAA bewirkte schon die Altersgrenze der Mitgliedschaft, die zunächst 40, später dann – in Anbetracht der immer später erfolgenden Berufungen in den BDA – auf 45 Jahre heraufgesetzt wurde, einen kontinuierlichen personellen Wechsel. Für die Jahre, in denen ich im AKJAA war, kann ich dennoch sagen, dass wir immer einen kollegialen Austausch über Fragestellungen hatten, die gerade für junge Architekten von Belang sind. Dieser Austausch fand mit einer großen thematischen Breite statt: Einerseits ging es um architektonische und inhaltliche Fragen der Architektur: Das half mitunter die für viele drängende Frage zu beantworten, wo wir als junge Architekten stehen, woran wir uns orientieren, wohin wir uns bewegen wollen. Auf der anderen Seite konnten auch ganz profane Themen besprochen werden: der Umgang mit Problemen bei der Büroorganisation, wirtschaftliche Fragestellungen junger Büros, die Mitarbeiterführung oder die Auftragsakquise wurden genauso kollegial und ohne Konkurrenz untereinander besprochen. Insofern war und ist die Gesprächskultur im AKJAA so, wie wir sie uns für den gesamten BDA wünschen. Der AKJAA ist eine gute Schule für den Umgang von BDA-Mitgliedern untereinander.

Andreas Denk: Carl Steckeweh war der Netzwerkgedanke wichtig, den er mit dem AKJAA im BDA neu implantieren wollte. Er hat damals viel über die Zukunft des Architektenberufs nachgedacht, den er für die kommenden Jahrzehnte unter anderen, neuen Vorzeichen sah als die tradierte, klassische Berufsausübung. Er ging – unter anderem unter dem Eindruck der ökonomischen Umwälzungen des englischen Architekturmarktes – davon aus, dass es funktionierender Netzwerke bedürfe, um Architekten in immer mehr von globalen und wirtschaftsliberalen bestimmten Entwicklungen in Europa konkurrenzfähig zu halten. Der AKJAA sollte gewissermaßen Keimzelle und Übungsfeld einer solchen Entwicklung gleichzeitig sein. Hat sich diese Strategie eingelöst?

Heiner Farwick: Steckeweh hat sehr früh etwas gedacht, was erst in den letzten Jahren stärker gegriffen hat. Als der AKJAA gegründet wurde, gab es noch regional begrenzte Wettbewerbe. Das hat sich aufgrund der europäischen Vergaberichtlinien und den daraus resultierenden Wettbewerbsordnungen geändert. Wir müssen heute beim Thema Wettbewerbe bundesdeutsche, mitunter sogar europäische Perspektiven entwickeln. Bedingt durch die mitunter sehr einschränkenden Teilnahmebedingungen an Wettbewerben und Vergaben zeigen sich die Vorteile, wenn man gute, unvoreingenommene Kontakte zu Kollegen hat, mit denen man sich gemeinsam bewerben kann oder mit denen man Leistungsphasen aufteilen kann. Die assoziierte Verbindung von zwei oder mehr Büros kann die Teilnahme an Wettbewerben oder Verfahren ermöglichen, an denen sich die einzelnen Büros mangels geforderter Spezialexpertise oder mangelnder Kapazität nicht einmal bewerben könnten. Dieser Impuls hat im AKJAA gegriffen und sollte auch für andere junge Büros vorbildlich sein.

Andreas Denk: Der AKJAA sollte auch ein Diskussionsforum sein, auf dem neue Ideen, neue Positionen und Strategien für den BDA entwickelt und diskutiert werden. Glauben Sie, dass der Arbeitskreis dieser Aufgabe nachgekommen ist?

Heiner Farwick: Der AKJAA hat immer wieder Positionspapiere veröffentlicht, die für den gesamten BDA und sogar für die Architekturpolitik Bedeutung entwickelt haben. Der AKJAA trifft sich seit vielen Jahren dreimal im Jahr. Eines dieser Treffen findet in Form einer Auslandsreise statt, bei der die Architektur einer Stadt oder einer Region besichtigt wird. Hier werden meist auch Kontakte zur örtlichen Architektenschaft geknüpft. Eine weitere Fahrt findet in den Grenzen Deutschlands statt. Und schließlich dient eine Klausursitzung zur Programmfindung, zum inhaltlichen Austausch und zur perspektivischen Diskussion. Diese Struktur macht eine kontinuierliche Arbeit an einem Thema natürlich langwierig, aber durchaus möglich.

Andreas Denk: Können Sie einige Beispiele nennen, bei denen der AKJAA die Politik des BDA beeinflusst hat?

Heiner Farwick: Ein gutes Beispiel ist ein Papier, in dem der AKJAA vor einigen Jahren mehr offene Wettbewerbe gefordert hat. Das hat anfänglich bei einigen Mitgliedern des BDA für Unverständnis gesorgt. Letztlich hat die Forderung die Gremien des BDA entscheidend mitbeeinflusst und wir erkennen heute, dass der offene Wettbewerb aufgrund der Vergabestrukturen wichtiger ist denn je. Mittlerweile treten auch andere dafür ein, weil nur so kleinen und jungen Büros Chancen eröffnet werden. Das Positionspapier hat also seinen Gang durch die BDA-Gremien gemacht und ist so schließlich zum Einflussfaktor der bundesdeutschen Architekturpolitik geworden.

Andreas Denk: Ebenfalls in einem älteren Manifest wurde das Thema der Kollegialität angeschnitten. Der AKJAA vertrat darin die Auffassung, dass sie trotz wettbewerblicher Konkurrenz zum Kern des Verhaltenskodex unter BDA-Mitgliedern werden sollte. Auch diese Stellungnahme hat viele überrascht, weil sie bewusst tradierte Werte des BDA in den Vordergrund stellte und bei weitem nicht so neoliberal war, wie viele außenstehende Beobachter es von den jüngeren Architekten erwartet hätten. Stattdessen erschienen dort Begriffe wie Tradition, Verlässlichkeit und Freundschaft.

Heiner Farwick: Wenn ich mich richtig erinnere, ist der erste Gedanke dazu auf dem UIA-Kongress in Istanbul 2005 geboren worden, zu dem der AKJAA gereist war. Die Besinnung auf die tradierten Werte im BDA, die der AKJAA gefordert hat, war tatsächlich eine Überraschung: Viele hatten erwartet, dass der Arbeitskreis Forderungen nach einer grundsätzlichen Veränderung des BDA und seiner Ideale stellen könnte, um „mit der Zeit zu gehen“. Die jungen Kollegen formulierten genau das Gegenteil, was damals für Verblüffung sorgte.

Andreas Denk: Für manche Mitglieder im BDA ist der AKJAA immer noch ein Reise- und Debattierclub mit unklarer Zielsetzung. Bei besserer Kenntnis jedoch lässt sich erkennen, dass er vielmehr ein wichtiger Pool für die Nachwuchswerbung und -integration geworden ist. Sie selbst sind dafür das beste Beispiel. Viele andere ehemalige AKJAA-Mitglieder, die jetzt auf den verschiedenen Ebenen des BDA aktiv sind, lassen das ebenfalls erkennen.

Heiner Farwick: Vielen jungen BDA-Mitgliedern ist erst durch ihre Mitgliedschaft im AKJAA die Bedeutung der inhaltlichen und politischen Arbeit der Bundesebene deutlich geworden. Diese Bewusstwerdung ist sicherlich ein Aspekt, warum so viele AKJAAler nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitskreis in den verschiedenen Ebenen des BDA tätig geworden sind. Und für viele ist der BDA durch die inhaltlichen Fragestellungen, mit denen sie im AKJAA in Berührung gekommen sind, durch die Erfahrung von Kollegialität zu einem frühen Zeitpunkt der Mitgliedschaft und durch die Übernahme von Verantwortung für Kollegen zu einer Art geistiger Heimat geworden. Sie bildet den verlässlichen Hintergrund für ihr Berufsleben und ihr Berufsverständnis: Alles Gründe, diesen ungewöhnlichen Arbeitskreis auch 25 Jahre nach seinem ersten Treffen als wichtiges Instrument des BDA zu fördern und wertzuschätzen.

Andreas Denk: Wie viele Ihrer ehemaligen Mitstreiter sehen Sie heute noch regelmäßig?

Heiner Farwick: Etliche. Wir begegnen uns bei Veranstaltungen, auf Kongressen, bei Wettbewerbskolloquien. Den einen oder die andere treffe ich auf gemeinsamen Reisen: Auch wenn man sich über viele Monate oder mitunter Jahre nicht gesehen hat, kommen wir bei jeder Wiederbegegnung schnell auf die gleiche freundschaftliche Ebene. Und das ist zwischenmenschlich sehr wertvoll…

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