zur ansicht: Ausstellung über Konflikte und Architektur in München

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Dass Kriege und bewaffnete Konflikte Leid für die Bevölkerung der verheerten Orte bedeuten, steht außer Frage. Die Bilder aus Bagdad, Gaza, Tel Aviv, Aleppo oder Kabul vermitteln uns einen ungefähren Eindruck davon. Dass wir ähnliche Aufnahmen aktuell auch aus Donezk und anderen ukrainischen Städten sehen, führt uns zudem vor Augen, wie nahe und schnell Krieg und Zerstörung an Europa heranrücken können: Mit der Ukraine ist  nun ein Land im Fokus des medialen Interesses, das als Beitrittskandidat der EU gilt und genau vor zwei Jahren die Fußball-Europameisterschaft gemeinsam mit seinem Nachbarn (und EU-Mitglied) Polen ausrichtete. Nun findet dort ein bewaffneter Konflikt statt, wo unsere Fußballer noch vor zwei Jahren von den Italienern aus dem Turnier geworfen wurden.

Eine Ausstellung im Architekturmuseum der TU München – in der Pinakothek der Moderne – beschäftigt sich nun mit der Frage, was mit den Städten und Landstrichen passiert, wenn der akute Konflikt abgeklungen ist, die Bevölkerung versucht, in ein halbwegs normales Leben zurück zu finden und die Zerstörungen wieder aufgebaut werden. Ausgangspunkt für die Kuratoren der Schau „The good Cause: Architecture of Peace – Divided Cities“, Lilet Breddels und Arjen Oostermann, war dabei ein Besuch im libanesischen Beirut. Dort, so Breddels, haben sich von den dauerhaften Auseinandersetzungen ermüdete Menschen, die im weitesten Sinne mit architektonischer Planung beschäftigt sind, mit der Bitte an sie gewandt, nichts mehr zu tun, als neue Impulse von Außen zu geben, da man sich innerhalb eines völlig festgefahrenen Systems mit verhärteten Fronten befände. In der Folge kamen Fragen auf, wie sich das an anderen Konfliktorten darstellt und warum Architekten im Rahmen des Wiederaufbaus meist eine nur untergeordnete Rolle spielten. Die Ausstellung beruht auf der jahrelangen Projektarbeit eines Netzwerks von Architekten, Stadtplanern und Wissenschaftlern der internationalen Plattform „Archis Interventions“, die in Kriegsgebieten auf die jeweiligen Postkonfliktsituationen reagieren und die Städte mit aktiven Interventionen beim Wiederaufbau als friedenssichernde Maßnahmen unterstützen. So kamen Porträts von verschiedenen Städten und Regionen sowie individuellen Versuchen des Normalisierens und weiteren Befriedens zustande.

Der erste Teil zeigt unter dem Titel „Architecture of Peace“ anhand dieser Fallstudien aus Afghanistan, dem Kosovo, Südafrika, Ruanda, Israel und Palästina, wie Wiederaufbau aussehen kann, wenn er mit einem Blick für lokale Strukturen entworfen wird. Das aber erfordert eine spezifische Einstellung und strategische Mittel – etwa Bescheidenheit, Kontextsensitivität, Vertrauen und das Augenmerk auf Kontinuität. Diese ‚Erfolgsfaktoren’ werden bei jeder Fallstudie untersucht. In diesem Kontext wird unter anderem aus Kabul das Projekt „Skateistan“ vorgestellt, bei dem Kindern durch eine Initiative das Skateboarden nahegebracht und damit Freizeit ermöglicht wird. Die Konflikte sind in den seltensten Fällen vergleichbar, dennoch weisen die verschiedenen Orte erstaunliche Ähnlichkeiten in ihren Problemen bei der Bewältigung der oberflächlich beendeten Auseinandersetzungen auf. Zudem sind Friedensmission und die Zeit nach den Konflikten hierzulande meist eine entfernte, abstrakte Geschichte. Man weiß zwar, dass es sie gibt, wirklich im Bewusstsein verankert sind sie jedoch selten. Und das, obschon Deutschland seinen Titel als „Exportweltmeister“ auch im Bereich der Waffenlieferungen ganz gut behauptet.

Ein eigenes Kapitel widmet die Ausstellung – mit dem von Kai Vöckler kuratierten Teil „Divided Cities“ – den Folgen von bewaffneten Konflikten in europäischen Städten, die sich konkret in räumlichen Trennungen dieser Orte niederschlugen. Es werden mit Nikosia (Zypern), Mostar (Bosnien-Herzegowina), Belfast (Nordirland) und Mitrovica (Kosovo) vier Städte porträtiert, die von mehr oder minder schwer zu überwindenden Barrieren in verschiedene Sektoren getrennt werden und im aktuellen Medieninteresse, wenn überhaupt, nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Dabei wird nicht nur aufgezeigt, welche Volksgruppe auf welcher Seite der Grenze wohnt und wo die trennende Schneise sich durch die jeweilige Stadt frisst, sondern auch dargelegt, welche konkreten Folgen das für die Städte hat – etwa auf wirtschaftlicher Seite.

Eindrücklich ist die Ausstellung allemal, ihre Brisanz bezieht sie aber aus den Analysen der vier europäischen Städte und der Koinzidenz, dass mit dem Ukrainekonflikt Tod und Zerstörung erneut sehr nah an das vermeintlich friedliche „Haus Europa“ herangerückt sind. Dass dieser Friede, wie oft propagiert, seit Ende des Zweiten Weltkriegs stabil gewesen sei, auf kleinmaßstäblicher Ebene seit jeher aber brüchig war, wird von der Ausstellung ebenso aufgezeigt wie die Geschwindigkeit unseres Vergessens.

David Kasparek

The good Cause: Architecture of Peace – Divided Cities
bis 17. Oktober 2014
Di–So 10.00–18.00 Uhr
Do 10.00–20.00 Uhr
10 Euro; ermäßigt 7 Euro; Sonntags 1 Euro
Mittwochs freier Eintritt
Architekturmuseum der TU München
Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
80333 München

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