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40 Jahre HOAI

Seit 40 Jahren pilgern Planer und ihre Auftraggeber durch die Wüste der Gebührenordnung HOAI, deren erste Fassung vom 17. September 1976 am 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist. Angekommen im gelobten Land, da Milch und Honig fließt, glaubt sich keiner. Dabei hatte man fünf Jahre – seit der gesetzlichen Grundlage vom 4. November 1971 – benötigt, die Regeln für Architekten und Statiker (die man seitdem Tragwerksplaner nennt) das Licht der Öffentlichkeit erblicken zu lassen.

Diejenigen Architekten, die bis dahin preislich gebunden DM 7,00 pro Stunde berechnen durften, beziehen inzwischen Renten aus dem Versorgungswerk und werden die Anfänge der HOAI längst vergessen haben. Der Vorplanung vorgeschaltet wurde die Architektengrundleistung „Grundlagenermittlung“, die heutzutage obendrein eine Bedarfsplanung des Auftraggebers voraussetzt.

Zwischen 2013 und 1976 ist die HOAI sieben mal geändert worden: 1981, 1985, 1988, 1991, 1996, 2009 und 2013. Der Geltungsbereich wurde erst ausgeweitet (Ingenieure) und dann eingeschränkt (Sonderfachleute). Fehler wurden berichtigt, Unzulänglichkeiten beseitigt, Leistungsbilder neu gefasst und, zögerlich, das Honorar angepasst. Dies auf der Grundlage wissenschaftlicher Ermittlungen. Unablässig haben sich Juristen und Verbände – nicht zuletzt der BDA – um Veränderungen bemüht: Verbesserungen aus Sicht der Rechtssicherheit, aber ebenso aus eigenen wirtschaftlichen Interessen, die der Verordnungsgeber zum Ausgleich zu bringen hat, ohne eigentlich genau zu wissen, ob Planer-Honorare für diese „ausreichend“ oder „angemessen“ sind und wann sie die Rentabilität eines Bauvorhabens sprengen. Und dies eingedenk der Tatsache, dass auch der Staat und seine baulichen Betätigungen selbst zahlungspflichtig sind. Der öffentliche Bauherr bindet sich selbst, in der Regel zum Mindestsatz. Seine Fachkunde erspart Grundleistungen – vermeintlich oder auch nicht.

Besonderer Beliebtheit hat sich die HOAI nie erfreut. Der Architekt ist, so sagt er, mehr am Auftrag als am Ertrag interessiert und findet es unfein oder gar unfair, um Entgelt zu streiten. Der Bauherr versteht sowieso nicht, warum in unserer Wirtschaftsordnung noch Preise staatlich vorgegeben werden und warum eine Unterschreitung des Mindestsatzes den ganzen Stand der Planer ruinieren könnte. An Rechtfertigungsversuchen für die Regelungsnotwendigkeit gegenüber der Wirtschaftsliberalität hat es bis heute nicht gefehlt, nachdem mit Rücksicht auf Europarecht die Wirkung der HOAI aufs Inland beschränkt wurde.

Wüste in Marokko, Foto Rosa Cabecinhas und Alcino Cunha (via flickr.com/CC BY-SA 2.0)

Wüste in Marokko, Foto Rosa Cabecinhas und Alcino Cunha (via flickr.com/CC BY-SA 2.0)

Das Ausgebrütete stand 1971 zunächst unter dem Aspekt der Begrenzung des Mietanstiegs beziehungsweise der Baukosten. Als ob Kennern nicht bewusst gewesen sein könnte, dass die Planergebühren nur einen ziemlich winzigen Bruchteil der Baukosten ausmachen. Das Argument ist inzwischen obsolet geworden. Inzwischen kommt der Bundesgerichtshof zu einer entschiedenen Verteidigung einer Gebührenordnung, die Mindestsätze nur in bestimmten Ausnahmefällen zu unterschreiten gestattet. Dies sei, so wird argumentiert, dem Schutz des Berufsstandes der Architekten und Ingenieure geschuldet. Der Gesetzgeber wolle den Qualitätswettbewerb fördern, einen ruinösen Preiswettbewerb unterbinden und jenseits von Preiskonkurrenz einen Freiraum für hochwertige Arbeit im Leistungswettbewerb schaffen. Aus diesem Grunde sei die einvernehmliche Festlegung zu honorarbestimmenden Baukosten unzulässig, die der Verordnungsgeber gerne gehabt hätte.

Die Bundesregierung vertritt im Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, angestrengt von der Europäischen Kommission, die Auffassung, dass die HOAI keine verbotene Wettbewerbsbeschränkung sei. Sogar der Bundestag hat beschlossen, im europäischen Binnenmarkt müssten angemessene Honorarordnungen und Berufsregeln für Freie Berufe möglich bleiben; dies diene der Qualitätssicherung und dem Verbraucherschutz.

Warmherzige Unterstützung gewährt der ACE (Architects´ Council of Europe) den Gebührenordnungen als Treiber für Bauqualität. Grenzüberschreitende Dienstleistungen seien nicht durch Gebührenvorschriften behindert, sondern eher durch fehlende Sprachkenntnisse und fremde Bauvorschriften. Hilfreich seien vielmehr Leistungsbeschreibungen und gewisse Grundlagen für die Vergütungshöhe. Das Argument „Verbraucherschutz“ darf nicht fehlen. Kommen die Parteien nicht zu einer schriftlich bei Vertragsabschluss formulierten Honorarvereinbarung, gelten die Mindestsätze. Das schützt allerdings nicht nur Verbraucher, so wenig praktikabel diese Gleichzeitigkeit den Beteiligten erscheinen mag. Auch ein Kaufvertrag ohne Preisfestlegung ist schließlich kein Kaufvertrag.

Treu umsorgt sind Anwender und Ausleger der HOAI von juristischen Kommentaren, vorwiegend von Rechtsanwälten mit Praxiserfahrung verfasst. Zur HOAI 2013 sind mindestens 15 dicke Bücher auf dem Markt, die sich selten grundsätzlich widersprechen. Hinzukommen kleinere Werke für spezielle Leistungsbilder und Artikel in Fachzeitschriften und in Festschriften. Die Zahl der Gerichtsurteile – durchaus widersprüchlich – ist Legion.

Selten schafft es eine Rechtsnorm, einen offenen Zwist zwischen den Verfassungsorganen zu provozieren. Bei der letzten Änderung zur HOAI 2013 äußerte der Bundesrat sein „Befremden“ über die Regierung, weil die sogenannten Beratungsleistungen und die örtliche Bauleitung bei Ingenieurbauwerken und Verkehrsanlagen nicht preisrechtlich verbindlich geregelt wurden und dies nicht zeitig genug mitgeteilt worden war. Immerhin aber schafft es die Bundesregierung, die Verordnung mit 35 von 69 Bundesratsstimmen durchzusetzen – und damit die längst angezeigte Erhöhung der Honorare (bei gestiegenen Leistungserwartungen). Gegenwärtig scheint sich kein Krieg anzubahnen, sofern nicht der EuGH die Gebührenordnung „kippt“.

Allerdings finden Ausleger noch Ungereimtheiten (zum Beispiels hinsichtlich des Abzugs nicht vorkommender Leistungsteile, oder der Kostengrundlage für Ingenieurbauwerke). Der Bundesrat hat trotz abgelaufener Frist noch keine Antwort zur Bepreisung der Sonderfachleute bekommen. Insgesamt aber ist die Zufriedenheit eine Frucht der guten Konjunktur. Es gibt Planer, die überlastet sind und das mit Überschreitung des Mindestsatzes quittieren können. Ein Grund der Beruhigung mag in der Abkopplung der tatsächlichen Baukosten vom Honoraranspruch sein. Maßgebend sind nur noch Planungskosten, so dass das Interesse des Architekten nicht in einer Steigerung der Herstellungskosten aus Honorierungsgründen bestehen kann (was bisher oft nachweislos behauptet worden ist).

Seit 2013 haben wir die beste HOAI, die wir je hatten. Nicht dass Anwendungsschwierigkeiten ausgeschlossen seien und Klärungsbedarf bestünde…

Eberhard Groscurth

RA Dr. Eberhard Groscurth war bis Anfang 2015 Geschäftsführer des BDA im Lande Bremen – mehr als vierzig Jahre lang. Er ist als Vertrauensanwalt für den BDA tätig, dessen Ehrenmitglied er ist. Eberhard Groscurth lebt und arbeitet in Bremen.

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