Buch der Woche: Die Mechanik des Entwerfens

Anleitung zum Zettelkasten

In dem an schönen Bildern reichen Film „Ratatouille“ von Brad Bird und Jan Pinkava lernt Rémy das Kochen auf dem Niveau international renommierter Sterne-Köche. Als steter Antrieb gilt ihm dabei das Credo des fiktiven Meisterkochs Auguste Gusteau: „Jeder kann kochen“. Das Besondere dabei: Rémy ist eine Ratte. Mit Hingabe und dem Blick in den eigenen Referenzkatalog gelingt es dem ungewöhnlichen und von hinterlistigen Konkurrenten sowie dem Gesundheitsamt drangsalierten Koch nicht nur dieses feine Handwerk zu erlernen, sondern auch den gefürchteten Restaurantkritiker Anton Ego – im Original wunderbar gesprochen von Peter O’Toole – zu überzeugen.

Pantheon, Rom, Foto: Roberta Dragan (CC BY-SA 2.5) / Titusbogen, Rom, Foto: Nicholas Hartmann / (CC BY-SA 4.0) / Basilica di Sant‘Andrea, Foto: BjoernEisbaer (CC BY-SA 3.0, alle drei via Wikipedia)

Pantheon, Rom, Foto: Roberta Dragan (CC BY-SA 2.5) / Titusbogen, Rom, Foto: Nicholas Hartmann (CC BY-SA 4.0) / Basilica di Sant‘Andrea, Foto: BjoernEisbaer (CC BY-SA 3.0, alle drei via Wikipedia)

Dass auch das architektonische Entwerfen etwas ist, das erlernt werden kann und mithin dem Handwerk durchaus vergleichbar, ist die These des Architekten und Hochschullehrers Andreas Hild. Hild wurde 2013 auf den Lehrstuhl Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege der TU München berufen und legt nun gemeinsam mit Barbara Brinkmann, die die Arbeit an Hilds Lehrstuhl seit 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin begleitet, den ersten Versuch einer Systematisierung der eigenen Lehre vor. Wie eigentlich immer bei Andreas Hild geht das einher mit einer kritischen Selbstbefragung. Das Ergebnis ist: „Vom Suchen und Wiederfinden. Die Mechanik des Entwerfens“. Unterschiedliche Referenzen spielen dabei ebenso eine Rolle wie kollektive Erinnerung, die wir in uns tragen. In neun solcher Werkzeuge teilen Brinkmann und Hild das Entwerfen ein, jedes wird hier mit kurzen und prägnanten Texten nachvollziehbar gemacht. So zum Beispiel die „Präzisierung“ von vollzogenen Entscheidungen, etwa durch Variantenbildung oder Verformung oder „Kreuzungsstrategien“ unterschiedlicher Einflüsse. Dazu kommen immer wieder kurze Exkurse in die Kunst. Das Ziel ist eine Art „Zettelkasten“, aus dem man sich dereinst immer wieder bedienen kann, in dem man suchen und stets neu finden kann. Die treffliche Bildauswahl ergänzt dies und illustriert damit im besten Sinne das Vorgehen selbst, wie die Haltung dahinter. So klar die Texte und so hilfreich die Bilder, so uninspiriert aber ist das Layout des Buchs, dem gerade aufgrund der inhaltlichen Stärke auch auf dieser Ebene mehr Verve zu wünschen gewesen wäre.

Nationalstadion Peking, Foto: Rafik Wahba (via unsplash.com) / Olympiastadion München, Foto: Diego Delso (CC BY-SA 3.0, via Wikipedia)

Nationalstadion Peking, Foto: Rafik Wahba (via unsplash.com) / Olympiastadion München, Foto: Diego Delso (CC BY-SA 3.0, via Wikipedia)

Kern des Buchs ist die Erkenntnis, dass das Entwerfen einem „geregelten Ablauf“ folgt, eben einer „Art Mechanik“, die zwar nicht zwangsläufig, dennoch aber nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten abläuft. Bestimmte Räder greifen ineinander, übertragen die Kraft der Ideen auf eine andere Ebene und lassen so den Prozess fortschreiten. Dabei ist auch klar, dass die Befolgung dieser inneren Logik nicht notwendiger Weise immer zu einem guten Entwurf führt. Auf Basis einer Selbstreflexion, wie sie hier vorgenommen wurde, aber lassen sich bestimmte Entscheidungen als erfolgversprechender einordnen als andere. Wie es guten Reflexionsprozessen eigen ist, ist auch dieser nicht abgeschlossen. Das betonen Brinkmann und Hild: Es gilt das hier Festgehaltene beizeiten zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und fortzuschreiben. Ausgehend von der Grundannahme, dass es nichts zu erfinden gebe, dafür vieles durch Suchen gefunden und durch Kombinatorik, Adaption, Abstraktion oder andere Strategien weiterentwickelt werden kann, machen Barbara Brinkmann und Andreas Hild mit diesem Buch klar, dass Entwerfen eine Kulturtechnik ist – eine, die erlernbar ist.
David Kasparek

Andreas Hild und Barbara Brinkmann: Vom Suchen und Wiederfinden. Die Mechanik des Entwerfens, 496 S., 729 Farb- u. 208 sw-Abb., Deutsch/Englisch, 34,90 Euro, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-7861-2873-1

Titelbild: Bücherregal (Ausschnitt), Zeichnung: Barbara Brinkmann, nach einem Foto von Alfons Morales (via unsplash.com)

 

 

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