Eigenschaft oder Zuschreibung?

Authentizität

„Denkmaleigenschaft und Authentizität sind wie alle historischen Erscheinungen dem Wandel unterworfen, sie sind Kulturprozesse, im gesellschaftlichen Diskurs verliehene Bedeutungen, die jedenfalls nicht einer Substanz innewohnen oder irgendwie aus dieser fließen, sondern die einem Objekt – oder auch einem Subjekt – zugesprochen werden.“
Wolfgang Seidenspinner

Authentizität“ ist ein Schlüsselwort der praktischen Denkmalpflege. Kaum eine Leitlinie, kaum eine Projektbesprechung kommt ohne den Begriff aus. Allerorten wird die Bedeutung von Authentizität betont, ihr besonderer Wert gelobt oder zumindest als Forderung postuliert. Diese gemeinsame Basis eint die Protagonisten des Denkmalbetriebs: Authentizität ist wichtig, sie steht für das Wahre, das unzweifelhaft auch gut ist. Von dort ist es bis zum Schönen nicht weit, zumindest in Gedanken. Authentizität also muss ohne Zweifel etwas sehr Positives sein. Nur: Was genau ist sie eigentlich?

Je allgemeinverständlicher ein Sachverhalt zu sein scheint, umso komplexer wird er beim genaueren Hinsehen. Versucht man sich dem Begriff zu nähern, beginnt er zu erodieren. Die eingangs zitierte These Wolfgang Seidenspinners lässt die zuversichtliche Selbstverständlichkeit, in der wir den Begriff benutzen, zumindest fragwürdig erscheinen. Ist Authentizität nun etwas, das den Dingen innewohnt oder müssen wir viel eher davon ausgehen, dass sie den Dingen nur zugesprochen wird?

Hild und K Architekten, Gaststätte Donisl, München 2013 – 2015, Foto: Michael Heinrich

Hild und K Architekten, Gaststätte Donisl, München 2013 – 2015, Foto: Michael Heinrich

Spätestens an dieser Stelle löst sich die Selbstverständlichkeit des Begriffs in einer Wolke widersprüchlicher Interpretationen auf. Wer stellt eigentlich wie fest, was für authentisch zu gelten hat? Warum wird Authentizität als Prädikat dem einen Objekt zugesprochen und dem anderen nicht? Oder anders gefragt: Sollte sie den Dingen tatsächlich innewohnen; wie ist sie da hineingekommen? Angesichts dieser und weiterer Unklarheiten ist die Prominenz, welche die denkmalpflegerische Praxis der „Authentizität“ einräumt, beachtenswert.

In Zeiten „alternativer Fakten“ kann es hilfreich sein, über den eigenen Sprachgebrauch nachzudenken. Wir sollten uns die Vielfalt der unterschiedlichen Konzepte vergegenwärtigen, die sich hinter „Authentizität“ verbergen können. Und sei es nur, um zu begreifen, dass die alltägliche Verwendung eines Begriffs nicht beweist, dass alle das gleiche darunter verstehen. Und dass ein Begriff, nur weil er uns allen verständlich zu sein scheint, nicht zwangsläufig dazu geeignet ist, eine Klärung herbeizuführen.

Andreas Hild

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