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Von Behrens bis Brandlhuber: BDA Preis Berlin 2018

BDA Preis 2018 Preisverleihung, Foto: Rainer Gollmer

In die Montagehalle für Großmaschinen von Peter Behrens lud am 19. Oktober der BDA Berlin zu seiner Preisverleihung 2018 ein, die erstaunlich viele BDA-Mitglieder und Gäste zum ersten Mal von innen kennenlernen konnten. Wo sonst Mike Schlaich mit seinen Bauingenieuren der TU Berlin die konstruktiven Potenziale neuer Tragwerke in Großversuchen zu ermitteln suchen, stand an diesem Abend ganz die zeitgenössische Architektur Berlins im Mittelpunkt. Gerahmt von der mächtigen Halle und vielen technischen Apparaten erstreckten sich nun dort sehr effektvoll die Projekttafeln aller eingereichten Arbeiten zum BDA Preis Berlin 2018.

BDA Preis 2018 Preisverleihung, Foto: Rainer Gollmer

Mit unverkennbar großem Stolz begrüßte Andreas R. Becher, der Vorsitzende des BDA Berlin, die zahlreichen Gäste des Abends. Mit 95 Bauten wurden 2018 fast doppelt so viele Projekte zum BDA Preis Berlin eingereicht als in den Jahren zuvor. Wenn auch dieses Jahr Wohnbauten einen sehr großen Teil der Arbeiten einnahmen, war dennoch das ganze Spektrum an Bauaufgaben repräsentativ vertreten. Ihre oftmals „besonders durchdachte Architektur“ hob Andreas R. Becher hervor wie auch die Tatsache, dass die derzeit 362 BDA-Mitglieder für ein gutes Drittel des aktuellen Bauvolumens in Berlin verantwortlich zeichnen. Sie teilweise als „Investorenarchitekten“ zu bezeichnen, wie es kürzlich ein Berliner Bezirksbaustadtrat in mehreren Zeitungsinterviews getan hatte, der sogar mit roten Listen drohte, sei einer Stadt wie Berlin unwürdig. Becher nannte bewusst keine Namen, aber der haltlose Vorwurf des Baustadtrats traf unter anderen Matthias Sauerbruch, der sich entgegen seiner forcierten Forderungen bei einem privaten Quartiersprojekt für mehr Wohnungen anstelle von Gewerbe und Grün eingesetzt hatte. Auf den Konflikt ging danach Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, in ihrer Rede nicht ein. Dafür lobte sie in erstaunlicher Ausführlichkeit die zahlreichen Verdienste des BDA und Berlins als Architekturhauptstadt Deutschlands, wo immerhin noch ein Fünftel der Projekte in öffentlicher Hand entstünden. Auf die Schaffung von „sozialem Mehrwert und Gestaltqualität“ hob sie vor allem ab, die noch mehr herauszuarbeiten seien.

BDA Preis 2018 Preisverleihung, Foto: Rainer Gollmer

Die Forderung nach mehr ganzheitlicher Gestaltung stand im Mittelpunkt des Festvortrags der Leipziger Architekturhistorikerin Annette Menting, der ganz dem Schaffen von Peter Behrens vor 1920 gewidmet war. Ein Pionier experimenteller und ganzheitlicher Architektur sei der Architekt gewesen, der für das Unternehmen AEG keinen Bereich von Gestaltung unberücksichtigt gelassen und sich beständig neue Räume eroberte. Facettenreich vermittelte sie den Werdegang des Autodidakten Behrens vom Künstler zum Architekten und Designer, dessen Werk uns heute noch nicht nur beeindrucke, sondern auch zu Neuem anzuregen vermöge.

Publikumspreises von BDA und Berliner Zeitung, Love architecture and urbanism / kadawittfeldarchitektur, 50-Hertz-Netzquartier, HG Esch Photography

Elmar Jehn, Mitglied der Chefredaktion der Berliner Zeitung, rückte mit der Vorstellung des diesjährigen Publikumspreises von BDA und seiner Zeitung deutlich andere Aspekte von Architektur ins Zentrum, nämlich möglichst lebendige Kontroversen über Architektur in einer breiten Öffentlichkeit. Mit der Frage „Wem gehört die Stadt“ entscheide sich heute auch Architektur und welche Akzeptanz diese in der Gesellschaft fände. Mit 4.200 Teilnehmern habe der Publikumspreis schon eine große Resonanz gefunden, aus dem das 50-Hertz-Netzquartier am Hauptbahnhof von Love architecture and urbanism / kadawittfeldarchitektur als Sieger hervorging, dessen Architekten ausdrücklich die große Unterstützung ihres Projekts seitens der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher lobten.

Orange Architekten, EINFACH GEBAUT, Friedrichshai, Jasmin Schuller

Jette Cathrin Hopp von Snøhetta gab danach als Juryvorsitzende die Preisträger des BDA Preis Berlin bekannt: fünf Auszeichnungen und drei gleichrangige Preise. Beeindruckt sei sie und die Jury von der großen Heterogenität und Komplexität vieler Berliner Projekte gewesen, die mit viel Experimentierfreude gerade auch interessante Nischen besetzen würden. Groß sei so die Qual der Wahl gewesen, 13 Projekte der engeren Wahl zu bestimmen, die man dann auch gemeinsam besucht habe. Das Ausbildungszentrum SOS-Kinderdorf, Botschaft für Kinder der Architekten Ludloff Ludloff Architekten BDA, der Wohnungsneubau Einfach gebaut in Friedrichshain von Orange Architekten und die Reihenhäuser Elf Freunde in der Rummelsburger Bucht von AFF architekten, die alle Innovation und gesellschaftlichen Mehrwert überzeugend miteinander zu verbinden wussten, wurden mit den Preisen bedacht. Unkonventionelle Typologien, sparsamer Einsatz der Mittel mit hohen räumlichen Qualitäten böten diese Projekte, die sich erfrischend neu ihren Bauaufgaben angenommen hätten.

Brandlhuber+ Emde Burlon und Riegler Riewe Architekten, Umbau von St. Agnes, Foto: Michael Reisch

Kaum weniger überzeugend erschienen die fünf Auszeichnungen: der Umbau von St. Agnes von Brandlhuber+ Emde Burlon und Riegler Riewe Architekten sowie der Staatsoper von HG Merz, als auch der Wohnungsneubau an der Schillerpark-Siedlung von Bruno Fioretti Marquez Architekten, das Mietshaus Niederbarnimstraße der Architekten Trutz von Stuckrad Penner und das Integrative Bauprojekt am Blumengroßmarkt von v | Heide & von Beckerath. Jette Cathrin Hopp hob hier besonders das wiederkehrend große soziale Engagement aller Architekten hervor, die neue innovative Wege zu gehen nicht gescheut hätten. Ein Urteil, das in vielfacher Weise bei den Preisverleihungen an die Architekten und ihre Bauherren bestätigt wurde. Selten war das Siegerpodium so voll mit unterschiedlichen Menschen besetzt wie an diesem Abend, wo nicht selten Trauben von Bauherren den Raum füllten, die sehr gestenreich von den oft recht schwierigen Entwicklungsprozessen ihrer Projekte berichteten.

Staatsoper, Foto: Ebener

Hier zeigte sich der BDA Preis Berlin als ein wahrer gesellschaftlicher Spiegel des zeitgenössischen Berlins, der der vermeintlich einfachsten Aufgabe Wohnhaus nicht weniger Beachtung schenkt als großen Kulturbauten. Das Land Berlin jedoch war trotz vieler eingereichter Projekte als Bauherr allein mit der Staatsoper präsent, was vielleicht auch in anderer Form widerspiegelt, dass aktuell der öffentliche Bauherr oftmals weit weniger engagiert seinen Anspruch an gute Architektur mit zukunftsweisenden sozialen Inhalten zu verbinden weiß. Dies wurde zumindest in vielen kleinen Gruppen später am Abend noch sehr häufig thematisiert, wo sich an manchen Projekttafeln nicht selten recht leidenschaftliche Kontroversen entzündeten.
Claus Käpplinger

 

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