Alice Sàrosi-Tumusiime

Die Reisewoche

Szenario III: Global unterwegs

Delia C. ist zufrieden mit ihrem Leben. Delia C. ist Unternehmensberaterin in einem mittelgroßen Consulting-Unternehmen im Südwesten des Landes, wenige Autominuten von Stuttgart entfernt. Nach ihrem Bachelor in General Management (International Business Studies) und dem draufgesattelten Master in Management an der renommierten European Business Schoolin Oestrich-Winkel erhielt sie auf Anhieb ihre erste Stelle in einer der Managementabteilungen bei einem großen schwäbischen Autokonzern. Diese Chance, direkt nach dem Studium, war ein richtiger Glücksfall. Einige Jahre später, sie ist gerade 33 Jahre alt geworden, hat etwas an Erfahrung und Wissen gesammelt, wechselt Delia C. vom großen allumfassenden Konzern zu eben jener Consultingfirma, mit einer überschaubaren Mitarbeiterzahl an jungen Kollegen und Kolleginnen, die beiden Senior Partner sind gute Chefs und höchst umgänglich. Das gefällt ihr. Ihr Unternehmen berät mittelständische Unternehmen im In- und Ausland in Strategie und Organisation, Marketing, Produktion und Logistik – Managementberatung eben. Seit kurzem gibt es eine Abteilung für Personalberatung (Personal Recruitment, High Potential Development, Personal Konzepte). Sie arbeitet oft bis zum Umfallen, analysiert, entwickelt Konzepte und entwirft Strategien, meist erfolgreich, reist hierhin und dorthin, zunächst regional, später landesweit und dann ist Delia C. immer öfter international unterwegs. Sie ist jung und mobil.

Inzwischen ist sie Anfang 40 und seit zwei Jahren Juniorpartnerin. Delia C. hat auch ein Privatleben – eher unüblich in ihrem Beruf. Sie ist verheiratet, der fünfjährige Sohn ist ihr Augenstern. Ihr Mann ist freier Architekt, mit kleinem, sehr kleinem Büro, und einigen ebenso kleinen wie feinen Aufträgen. Ihm ist es zu verdanken, dass sie ihren Beruf, der ihr ebenso Profession wie Leidenschaft ist, überhaupt ausüben und in diesem Maße ausfüllen kann, wie es im Metier des Consultings gefordert ist: voller Einsatz, volle Kraft voraus, immer und überall, hohe Flexibilität in allen Lebens- und Arbeitslagen – und volle Mobilität. Ohne die Freiberuflichkeit ihres Mannes wäre der Wunsch nach Familie nicht erfüllbar, das weiß sie nur zu gut, sie ist ihm sehr dankbar für seine Unterstützung. Ihr Alltag klappt inzwischen sehr routiniert, nicht immer ohne Reibung, aber das wäre auch zu viel verlangt. Ihre Reisezeiten verlangen exakte Abstimmung mit seinen Baustellen-, Bauherren- und sonstigen Terminen, Elternabende, Kindergeburtstage, Verwandtenbesuche müssen lange vorher geplant werden. Die Großeltern wohnen in der Nähe und können einspringen, wenn nötig. Meist läuft alles wie am Schnürchen.

Der einzige Wermutstropfen, der in letzter Zeit in ihr Wohlbefinden tröpfelt, ist tatsächlich der vielen Reiserei geschuldet. So langsam wird es ihr doch zu viel: Es häufen sich die sogenannten Reisewochen – das sind Termine, die im Ausland mehrere Tage hintereinander zusammengelegt werden, damit Zeit, Geld und Personalressourcen eingespart werden können. Nach Tokio oder Detroit fliegt man eben nicht alle Woche, nach Ankara oder Warschau unter Umständen schon. Die Aufträge der Firma brummen, sie sind gut im Geschäft, gerade international sind in letzter Zeit einige interessante Kunden dazu gekommen. Delia C. geht davon aus, dass sie in etwa drei Jahren den Status eines Senior Consultant erreicht, das würde eine erhebliche Reduzierung ihrer Reisen bedeuten, bis auf wenige Spitzenmeetings irgendwo in der Welt wäre sie dann im Hauptsitz der Firma verortet, mit der S-Bahn gerade 15 Minuten von ihrem Zuhause entfernt. Eine wunderbare, eine schöne Aussicht. Bis dahin hält sie noch durch.

Delia C. packt ihren Koffer inzwischen so routiniert, dass sie es auch blind tun könnte. Leicht ihre Reisekleidung, gut kombinierbar und im ‚Zwiebelprinzip‘, ein zusätzliches Paar Schuhe, zwei Jacketts. Großes Reisegepäck ist hinderlich.

Eine anstrengende Arbeits- und Reisewoche steht an. Über London, wo sie einen Tag Zwischenaufenthalt hat, geht es nach Tokio, dort sind dreieinhalb Arbeitstage angesetzt. Normalerweise ist Japan nicht ihr bevorzugtes Arbeitsumfeld, zu viele Dinge und Gepflogenheiten, die man – als Frau ohnehin – wissen und beachten sollte. Aber sie hat vor einigen Monaten ein Drei-Tage-Meeting in der Firma bewältigt und kann auf diesen Erfahrungen aufbauen. Sie ist sich ihrer Strategie sicher.

Der kurze Stopp in London hat private Gründe: Normalerweise legt Delia C. nie, niemals, private Angelegenheiten in ihre Reisewochen, zu viel Ablenkung. Aber dieses Mal macht sie eine Ausnahme. Sie besucht ihre Schwester, in London mit einem Investmentbanker verheiratet, die gerade ihr erstes Kind bekommen hat, das macht den kurzen Besuch – wo es ohnehin auf der Strecke liegt – unumgänglich. Ihre männlichen Kollegen schütteln den Kopf, das würde ihnen nicht einfallen…

Sie checkt ihre Reisedokumente – die Reisestelle ihrer Firma hat ihr bestes getan, alle Tickets liegen vor, Reisepläne, die Hotelbuchung in Tokio, selbst der Fahrplan des Narita-Express, die Flughafen-Schnellbahn in die Tokioter City, und andere nützliche Informationen sowie etwas Bargeld in japanischer Währung sind vorsorglich beigelegt. Sie ist heilfroh, dass sie ihre Reisen nicht selbst organisieren muss. Delia C. kramt ihre Arbeitsunterlagen zusammen, überprüft die Vollständigkeit all ihrer Kredit- und Bonuskarten, elektronisches Visum, Passport, Smartphone, Laptop, Tablet – alles wird verstaut.

Die Reisewoche mit Terminen auf einem anderen Kontinent beginnt normalerweise am Sonntag Nachmittag. Alles ist eng durchgetaktet. Bei Flügen mit der Lufthansa düst man in der Regel direkt von Frankfurt/Main ab in die Welt, bei anderen Buchungen geht die Route von Stuttgart aus zum nächst gelegenen Hub (beispielsweise London, Amsterdam oder Paris) und von dort aus weiter nach Asien oder in die USA.

Es ist Samstag Vormittag, sie ist reisefertig, der kleine Tobias angezogen und schon im Kindersitz, ihr Mann wird sie zum Stuttgarter Flughafen fahren, knapp 20 Minuten Fahrzeit. Jetzt eilt es, zumal sie noch ein Gepäckstück aufgeben muss. Online hat sie bereits eingecheckt, die Flughafenwege und -procederes sind vertraut, dank der goldenen Premiumkarte ist ihr eine bevorzugte Behandlung am Business-Check-in-Counter ohnehin garantiert. Der Flug geht kurz vor 12 Uhr mit British Airways, sie wird in London Heathrow gegen 12.40 Ortszeit landen.

Foto: Cdogg30 via Wikimedia

Heathrow – ein Moloch von Airport – ist mit weit über 70 Millionen Passagieren im Jahr der größte Flughafen Europas (gefolgt von Paris Charles-de-Gaulle und Frankfurt/Main) und nach Atlanta und Peking der drittgrößte weltweit. Es ist nicht gerade Delia C’s. Lieblingsairport – seiner Unübersichtlichkeit, seiner langen Wege, einfach seiner Riesenhaftigkeit und der Menschenmassen wegen, die sich zur Rushhour wie wild gewordene Horden durch die Hallen und Gänge schieben, stoßen, rennen. Es ist irre laut, überall. Die Entfernungen zwischen den einzelnen Terminals sind legendär, und gleich, ob man wie früher mit Shuttlebussen von den Terminals 1 und 2, wo die innereuropäischen Flüge landen, oder mit dem vollautomatisierten Personentransportsystem (Personal Rapid System) unterwegs zum Terminal 5 ist, von dem die Interkontinentalflüge abgehen, es dauert. Das recht neue Terminal 5 allerdings ist ein sehr moderner Ort (Richard Rogers Partnership). Und die Startschwierigkeiten bei der Eröffnung 2008 sind inzwischen Geschichte. Man erinnere sich: Die computergesteuerte Gepäcksortieranlage versagte komplett, viele Passagiere mussten stunden-, tage- oder wochenlang auf ihr Gepäck warten, etwa 28.000 Koffer blieben liegen. Es dauerte ewig, bis alles wieder sortiert war. In ihrer Firma wird immer noch über einen jungen Kollegen gelacht, der auf einer Rückreise in das Gepäckchaos geriet und tatsächlich über zwei Wochen auf seinen kleinen Koffer warten musste, in dem sein neu erstandener Anzug eines Mailänder Edelschneiders geparkt war…

Inzwischen läuft es entspannter ab. Das Gepäcksystem funktioniert bestens, die Sicherheitskontrollen dauern nicht mehr stundenlang, die Aufenthaltsbereiche (teilweise mit Liegeschüsseln) sind eher gut bis angenehm ausgestattet, kaum eine der üblichen Fast-Food-Ketten, Shops von Gucci bis Harrods sind vertreten, Restaurants und anderes mehr. Delia C. zieht es jedoch meistens in die Airline Lounge von British Airways oder in eine der Partnerlounges, mit ihrer Gold-Executive-Card ist sie herzlich willkommen. Sie nutzt die Wartezeit im Transit zum Arbeiten, Telefonieren, sie macht sogar manchmal für 20 Minuten die Augen zu. Delia C. ist schon gespannt auf die Eröffnung des Terminals 2 (Architekt Luis Vidal) im Juni – man raunt, es soll ein noch schönerer und modernerer Komplex als das Terminal 5 werden, die 23 Fluggesellschaften der Star Alliance (u.a. Lufthansa) werden hier untergebracht sein, und alles soll effizienter werden: Abfertigungszeit, Umsteigezeit, Wegeführung, das Shoppingparadies sei „ein neuer Covent Garden“, so der spanische Architekt. Man wird sehen.

Up and away

Ihre Maschine fliegt pünktlich London Heathrow an. Sie wartet einige Zeit auf ihr Gepäck und steuert mit raschen Schritten den Ausgang an. Da sie nun privat unterwegs ist, wird sie kein Taxi nehmen (das meist ohnehin am längsten in die etwa 25 Kilometer entfernte City braucht), sie nimmt die Piccadilly Line der London Underground, die direkt vom Terminal 5 mit einer Schleife über die Terminals 1-3 zurück nach London fährt, das Ganze dauert zwar ungefähr 45 Minuten (im Gegensatz zum Heathrow Express, der viertelstündlich zwischen Heathrow und dem Bahnhof Paddington fährt und nur 25 Minuten braucht, aber der Weg zur Einsteigestation ist länger). Sie kennt auch hier das Procedere, das Ticket ist schnell erstanden. Sie kündigt sich telefonisch bei ihrer Schwester an, und freut sich, dass diese sie an der nächst zur Wohnung gelegenen Underground Station abholt. Delia C. checkt unterwegs ihre Emails, hört ihre Mailbox ab und freut sich auf ihren halben „freien“ Tag. Morgen geht es weiter nach Tokio.

Am Sonntag Vormittag macht Delia C. sich zeitig auf den Weg nach Heathrow. Um 13.30 Uhr geht ihr Flug nach Tokio. Rein in die London Underground, umsteigen in die Piccadilly Line, die sie wieder direkt zum Terminal 5 bringt, wo ihr Flug – wieder mit British Airways – in die japanische Metropole startet. Sie hat am Vorabend online eingecheckt (die Check-in-Line war überlastet, wie so oft, und es brauchte einige Versuche, bis sie ihren Boardingpass auf ihrem Smartphone speichern konnte). Obwohl Sonntag, sind viele Leute unterwegs zum Flughafen. Sie versucht, die Unruhe um sie herum auszublenden. In den vielen Reisejahren hat sie einige Techniken entwickelt, den allgegenwärtigen Lärm abzusoften: sie sagt Gedichte oder Reime auf, oft summt sie unhörbar Lieblingslieder vor sich hin… Es funktioniert meistens, nicht immer.

Delia C. fliegt Business Class – ausreichend Platz, ergonomisch geformte Leichtbausitze, stufenlos verstellbar, mit LED-Touchscreen-Monitoren in der Rückenlehne eines jeden Sitzes, guter Service, meist gutes Essen, und andere Annehmlichkeiten mehr. Einige Airlines haben sogar Sitze mit integrierter Massagefunktion. Ein Must have bei der Vielfliegerei. In Finanzkrisenzeiten, vor ein paar Jahren noch, gab die Firma kurzfristig bei einigen Reisen die Economy-Klasse vor, das war vor allem auf Langstreckenflügen mehr als anstrengend und wirkte sich tatsächlich eher negativ auf das persönliche Kräftereservoir aus. Aber diese Zeiten sind vorbei.

Sie ist rechtzeitig am Gate, trotz der langen Schlangen bei der Sicherheitskontrolle, checkt nochmal Mails und Phone, spricht kurz mit Mann und Sohn, das Boarding beginnt. Wie immer steigt sie dank Premiumstatus zuerst ein. Etwa zehn Stunden dauert der Flug, um 9.10 Uhr Ortszeit wird sie auf dem Narita Airport landen.

Foto: Mario Roberto Duran Ortitz via Wikimedia

Die Reise ist gut geplant, denn eine morgendliche Ankunftszeit auf einem anderen Kontinent ist praktisch: Wenn alles gut geht, schläft man ausreichend lange im Flieger, kommt halbwegs ausgeruht an, begibt sich nach oft enervierendem Einreiseprocedere (Passkontrolle, Gepäck, wo ist was, wo geht’s lang) – und immer sind viele Menschen um einen herum – aus dem Flughafen Richtung Transportsystem zur City.

Der etwa zehnstündige Flug nach Tokio verläuft ruhig, kaum Turbulenzen, die anderen Passagiere in der ausgebuchten Business Class arbeiten, lesen oder schlafen. Ein Glück, dass es (noch) nicht erlaubt ist, im Flieger zu telefonieren. Sie hat sich Berichte, Zeitungsausschnitte und ein Arbeitsdossier zurecht gelegt, daran wird sie sich ergötzen, bis sie einschläft und im Land der aufgehenden Sonne wieder aufwacht. Der Flug ist pünktlich gelandet, es ist Montag, 9.20 Uhr Ortszeit. Jetzt hoffentlich zügig die Einreiseformalitäten hinter sich bringen, denkt Delia C., und dann schnell hinein in das verwirrende Netz der japanischen Transportsysteme. Gott sei Dank war sie schon einige Male in Tokio und weiß halbwegs, wie es geht. Die City ist fast 60 Kilometer entfernt, ein Taxi kostet ein halbes Vermögen und dauert endlos im dichten Verkehr. Sie besorgt sich in der Ankunftshalle ein Ticket für den Narita Express(NEX), die Flughafenschnellbahn der Japan Railways kennt sie bereits und weiß, wie es funktioniert, ohne sich zu verfahren oder zu verlaufen. In Japan ist es nicht leicht für Europäer, sich zu orientieren, eine wahre Schilderflut, vorwiegend in Japanisch, einige wichtige Signs sind zum Glück auch zusätzlich in Englisch beschrieben, aber verlassen sollte man sich darauf nicht. Auch mit dem Bus kann man fahren, es dauert zwar oft anderthalb Stunden oder mehr, aber man kann aus dem Fenster schauen, dem wahnwitzigen Tokioter Verkehr beim Infarkt zusehen oder Häuser und Menschen betrachten. Heute hat sie keinen Sinn dafür.

Kurz überlegt sie noch, den Skyliner zu nehmen – eine private Schnellbahn, aber dann steigt sie doch in den Narita Express Richtung Bahnhof Tokio: Ein Gewimmel ohne Ende, so viele Menschen, in großen oder kleinen Gruppen, Schlangen an allen möglichen Automaten und Schaltern, alles eilt hin und her. Dort steigt sie um in eine U-Bahn – oh, diese Vielfalt, es gibt öffentliche und private U- und S-Bahnen, die jeweils eigene Ticketschalter und Gates haben, unterschiedliche Tarife. Damit man beim Umsteigen nicht jedes Mal ein anderes Ticket kaufen muss (kostet Zeit und Nerven), ist es angesagt, eine Kombikarte zu erstehen. An vielen Automaten gibt es beispielsweise die Pasnet-Karte, die für alle U-Bahnen und fast alle privaten S-Bahnen gilt, jedoch für einige nicht. Es gibt auch Tickets, die an Automaten wiederaufladbar sind. Sie drückt sich samt Koffer in die übervolle U-Bahn, konzentriert sich darauf, die richtige Haltestelle nicht zu verpassen. Als auch dies geschafft ist, hat sie noch einen Fußweg von vielleicht fünf Minuten, und sie ist am Hotel angekommen.

Ein gutes Hotel, natürlich, sie steigt immer hier ab, man kennt und begrüßt sie, der Boy fährt mit ihr in den zehnten Stock, bringt das Gepäck ins Zimmer, erhält ein Trinkgeld – sie fällt auf ihr Bett. Seit Ewigkeiten fühlt sie sich unterwegs – Stuttgart, London gar, erscheinen ihr wie auf einem anderen Planeten. Es ist inzwischen schon nach 12 Uhr mittags, mehr als zwei Stunden hat sie vom Flughafen in ihr Hotel gebraucht. Sie kontaktiert sogleich die japanische Firma, mit deren Managern sie bereits am Nachmittag zu einem kurzen Briefing verabredet ist, schaut noch schnell in ihr Strategie-Dossier, springt unter die Dusche – ein kurzer Nap für eine Stunde. Sie wird sich ein sündhaft teures Taxi zu ihrem Kunden leisten für das erste Meeting, das öffentliche Transportsystem reicht ihr für heute. Taxis kann man überall problemlos anhalten, ein rotes Leuchtschild hinter der Windschutzscheibe bedeutet, dass es leer ist, ein grünes zeigt besetzt an.

Die Arbeitswoche beginnt. Drei weitere Tage wird sie in Tokio verbringen, im Büro ihres Kunden, in der U-Bahn, im Taxi, in Arbeitsgesprächen, in Restaurants, zwischen den einzelnen Terminen wird sie die Ergebnisse aufarbeiten und, falls erforderlich, entsprechende Zwischenberichte an ihre Firma übermitteln, neue Kontakte knüpfen, die weitere Termine erfordern, die Zeiten im Hotel sind kurz, sie ist – nach den obligatorischen Abendessen mit den Kunden – nur zum Schlafen da. Eigentlich hatte sie sich für diesen Japan-Aufenthalt einen halben Tag in Kyoto eingeplant – mit dem Shinkansen Nozomi, der Tokio mit Osaka verbindet, kann man Kyoto in gut 120 Minuten erreichen. Es ist ein Erlebnis, mit dem Shinkansen zu fahren, kein Vergleich zur Deutschen Bahn. Die Shinkansen Züge sind irre schnell – und legendär pünktlich. Aber sie wird es auf nächstes Mal verschieben müssen. Die Termine sind zu eng gesetzt.

Es ist inzwischen Donnerstag, die Gespräche sind gut verlaufen, neue Vorschläge eingebracht, Strategien ausdiskutiert und angepasst – der Abschlussbericht der Verhandlungen kann geschrieben werden. Sie wird ihn heute Abend im Flieger beginnen. Ihr Rückflug von Tokio über London – wo sie zum Glück nur zwei Stunden Aufenthalt im Transit hat – geht um 20 Uhr. Sie wird sich gegen 15 Uhr von ihren Gesprächspartnern verabschieden, kurz zurück zum Hotel und dann auf den Weg zum Narita-Airport machen. Der Rückflug verläuft ebenso ruhig wie der Hinflug, der Flieger ist pünktlich in London Heathrow, ab in die Airline-Loungeim Transit, Abflug nach Stuttgart. Beim Einschweben über Stuttgart, die schwäbische Spielzeuglandschaft unter sich, freut sich Delia C. auf ihre Familie, auf drei Wochen arbeiten im Büro, dann geht es wieder auf Reisen, dieses Mal in den Südwesten der USA. Aber das ist einfach zu handeln: Abfliegen, Direktflug, Ankommen, zur Mietwagenzentrale, rein ins Auto, GPS an, und ab geht’s. Die USA sind verkehrstechnisch im Vergleich zu Japan ein Kinderspiel. Delia C. freut sich darauf. Noch. Einige wenige Jahre, dann wird sie sesshaft werden können.

Alice Sàrosi-Tumusiime

Alice Sàrosi-Tumusiime ist Journalistin und Chefin vom Dienst dieser Zeitschrift. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Bonn.

Fotos: Cdogg30, Mario Roberto Duran Ortiz, Jean-Philippe Boulet (CC BY 3.0 via wikimedia)

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