Installation im DAZ

Ganz bei Sinnen

Breg Horemans ist Architekt, lebt in Maastricht und Gent, Gert-Jan Stam ist Theatermacher aus den Niederlanden. Gemeinsam bilden sie das Kollektiv TAAT, was für „Theatre as Architecture Architecture as Theatre“ steht. Der Begriff des Kollektivs taucht in den letzten Jahren wieder häufiger auf. Vor allem in einem Kontext, der zwar künstlerisch ist, ein bißchen „arty“, aber eben nicht elitär und für den Nobelmarkt, dafür in verschiedenen, teils losen Konstellationen, mit Teilnehmern, die sich in Schnittmengen unterschiedlicher Disziplinen bewegen, ohne sich auf eine festlegen zu wollen. Rund 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs scheint der Begriff rehabilitiert.

Bei Horemans und Stam bleibt das Kollektiv aber nicht nur Attitüde. Für ihre Reihe „HALL“ arbeiten die beiden mit immer wieder wechselnden Partnern zusammen. Ziel sind Raumfolgen, die Breg Hormans als „Do-It-Together-Installations“ umschreibt, Theatermacher Stam ergänzt „Theatre-Installations“. Architektur und Theater, so der erklärte Wunsch, sollen bei „HALL“ zusammenfinden und den Besucher zum Akteur seines eigenen Stücks machen. Gleichermaßen soll die Installation mehr sein als reine Kulisse. Nach HALL01, -02 und -03 zeigt das Deutsche Architektur Zentrum DAZ seit dem 10. September nun HALL04. Insgesamt, so das Fernziel von TAAT, sollen 33 Installationen an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Entwicklern entstehen, die sich jeweils anderen Arten der Wahrnehmung zuwenden.

Die aktuelle Arbeit im DAZ, für die sich Stam und Horemans die Unterstützung der Dramaturgin Sodja Lotker und von Studierenden der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn sowie der walisischen Aberystwyth University gesichert haben, widmet sich nun den visuellen Reizen. Offiziell. Denn in der Tat werden deutlich mehr Reize angesprochen, als nur das Sehen. Da ist zunächst der Geruch. Die raumgreifende Skulptur, die fast den kompletten Raum des Scharoun-Saals im DAZ ausfüllt und die in einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligter entworfen und errichtet wurde, besteht aus Holz. Und das riecht man, in angenehmer Weise.

Sehen dagegen kann man sie zunächst nicht. Immer zwei Besucher können HALL04 gemeinsam betreten. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Um einen Rundgang zu garantieren, ist es empfehlenswert, sich seinen Mitspieler direkt selbst mitzubringen. Auch wenn dies eine der elementaren Erfahrungen der raumgreifenden und -bildenden Installation zunichtemacht: Zunächst nämlich müssen sich die Besucher an einer Art Empfang registrieren lassen, dann auf abgeschirmten, grob zusammengezimmerten Schemeln Platz nehmen und die von Baustellen bekannten, riesenhaften und bunten Ohrenschützer aufsetzen. Handgeschriebene Zettel, die auf dem Boden vor den Hockern liegen, empfehlen sodann, die Augen zu schließen. Das ist aber kein Muss. Ohne so zu wissen, wer sein Gegenüber ist, wird man nach einigen Minuten der Kontemplation zu einem der beiden Eingänge geführt. Es gibt drei Regeln: Macht euch durch Geräusche bemerkbar, schließt die Türen hinter euch und versucht, euch nicht zu begegnen, aber trotzdem alle Räume mindestens einmal gesehen zu haben.

Das Ergebnis ist erstaunlich. Nicht nur, weil hier nach dem Riechen auch das Sehen und in der Folge das Hören ins Spiel kommen – sondern auch deshalb. Im Rahmen dieser reiz-reduzierten Umgebung ist man als Besucher ganz auf sich zurückgeworfen, auf das, was man sieht, vor allem aber auf das, was man hört. Die Installation, die so im Raum ruhend zu stehen scheint, beginnt nun zu lärmen. Die Geräusche der durch  Laufschienen bewegten Schiebetüren vermischen sich mit dem Rummsen, wenn sie an die Wände stoßen, den Schritten des unbekannten Gegenübers, die mal deutlich vernehmbar scheinen, um im nächsten Moment zu verschwinden, und den Klopf- und Tastlauten – den eigenen, wie jenen des anderen Schauspielers im diesem DIY-Akt. Die Räume sind alle unterschiedlich, liegen auf verschiedenen Niveaus, und sind jeweils anders ausgeleuchtet. Es finden sich so die unterschiedlichsten Lichtsituationen: Schattenspiele, leuchtende Fugen, Streiflichter, die die Fingerkuppen der Besucher beim Berühren der Wand magisch leuchten lassen, Lichtfiguren auf Boden und Wänden. Es gibt viel zu schauen. Und noch mehr zu hören. Auch nach dem dritten Durchgang entdeckt man neues. Vielleicht sogar sein Gegenüber.

David Kasparek

HALL04
bis Sonntag, 18. September
täglich 17.00 – 21.00 Uhr
Deutsches Architektur Zentrum DAZ
Köpenicker Straße 48/49
10179 Berlin
2. Hinterhof

Fotos: David Kasparek

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Ein Gedanke zu “Ganz bei Sinnen

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