Houston, we have a problem

Gemeinsam ohne Auto

Autofrei Wohnen, München

Mit dem Jahresthema „Kulisse und Substanz“ nimmt der BDA sich 2019 den drängenden Fragen rund um die Themen Ökologie und Verantwortung an. Dabei steht die Diskussion im Vordergrund, welche Maßnahmen uns dabei helfen können, die Effekte des Klimawandels zu gestalten, und welche Eingriffe, Postulate oder Moden nur Kulisse bleiben. Im Dezember letzten Jahres hat der architekt gemeinsam mit dem BDA und dem Deutschen Architektur Zentrum DAZ den Call for Projects „Houston, we have a problem“ gestartet und um Einreichung solch substanzieller Beiträge gebeten. Bis Ende Januar 2019 sind rund 150 gebaute und gedachte Projekte zusammengekommen. Im Wochentakt stellen wir an dieser Stelle ausgewählte Beiträge vor.

Pool Leber Architekten, Autofrei Wohnen, München 2013–2017, Foto: Brigida González

Der Titel des Projekts klingt wie ein Versprechen und eine Forderung: „Autofrei Wohnen“. Zum Ziel gesetzt hat sich dies eine Baugruppe, die sich dem Leben ohne eigenes Auto verschrieben hat. Das Grundstück befindet sich im Münchner Stadtteil Riem und ist Teil der Konversionsfläche des ehemaligen Flughafengeländes, auf dem Mitte der neunziger Jahre die neue Messe errichtet wurde. Angrenzend ist ein Wohn- und Geschäftsstandort gewachsen. Hier ohne Auto auszukommen, fällt nicht schwer, denn von der nahegelegenen U-Bahn-Station aus dauert es zum Hauptbahnhof gerade einmal 20 Minuten. Die vorgeschriebene Zahl von Stellplätzen für Gäste wurde in einem bereits existierenden Parkhaus in der Nähe erworben und bleibt Carsharing vorbehalten. Neben der Nachhaltigkeit birgt das autofreie Wohnen auch Möglichkeiten der Kostenreduktion, vor allem durch Fördermittel als KfW-Effizienzhaus 55 sowie den Wegfall einer Tiefgarage.

Ökologische und finanzielle Optimierung ohne Verzicht prägen auch den Entwurf von Pool Leber Architekten. Weil Dachterrasse, Gästeapartment, Werkstatt, Hobbyraum und Fahrradkeller gemeinschaftlich genutzt werden, verringert sich der Platzbedarf der 15 einzelnen Wohneinheiten – ein wichtiger Impuls gegen den Anstieg der Wohnfläche pro Person. Die schlichten Sichtbetonwände im Innern versinnbildlichen diese Konzentration aufs Wesentliche.

Pool Leber Architekten, Autofrei Wohnen, München 2013–2017, Foto: Brigida González

Getragen wird der Bau von einem strengen Konstruktionsraster, innerhalb dessen die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer die Grundrisse ihrer Wohnungen mit Trockenbauwänden gestalten. Dies erlaubt später die Anpassung an veränderte Bedürfnisse. Abgesehen von Laubengängen weist die Lochfassade nur kleine Öffnungen auf, um sich dann aber zum Innenhof mit Terrassen und Balkonen zu öffnen und von dreieckigen, nach Süden ausgerichteten Erkern in eine Wellenbewegung versetzt zu werden. Den Hof bildet der Riegel mit den entstehenden Gebäuden dreier weiterer Baugruppen ringsum. Mit ihrer Block-Typologie unterscheiden sie sich nicht übermäßig von der umliegenden Bebauung, die durchaus auch im ökologischen Bewusstsein entstanden ist. 1999 eröffnete hier bereits eines der deutschlandweit ersten Projekte des Wohnens ohne Auto. Auch das erste Passiv- und das erste Nullenergiehaus im Geschosswohnungsbau Münchens stehen hier. Darüber hinaus ist ein großer Teil der Straßen verkehrsberuhigt. Jenseits dieser technischen Ansätze zur Energiereduktion kann die Insel der Baugruppen mit ihrer ambitionierteren architektonischen Gestaltung und ihrer Ausrichtung auf die Gemeinschaft hoffentlich auch eine Kultur des Teilens befördern.
Maximilian Liesner

Autofrei Wohnen, München 2013–2017
Architekten: Pool Leber Architekten, München
Bauherr: private Baugruppe
Status: realisiert

weitere Projekte aus dem Call for Projects „Houston, we have a problem“ können Sie in der Übersicht hier einsehen.

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