Pritzker-Preis für Alejandro Aravena

Holistisches Verständnis

Der chilenische Architekt Alejandro Aravena wird in diesem Jahr mit dem Pritzker Architecture Prize ausgezeichnet – dem wohl wichtigsten Architekturpreis weltweit. Die Jury begründete die Wahl des 1967 geborenen Chilenen, der in diesem Jahr auch die Architekturbiennale in Venedig kuratiert, mit den Worten, er führe „… eine neue Generation von Architekten an, die ein holistisches Verständnis der gebauten Umwelt hat, und die Möglichkeit, soziale Verantwortung, ökonomische Herausforderungen, das Entwerfen der menschlichen Behausung und die Stadt zu verbinden, deutlich unter Beweis gestellt hat.“

Aravena schloss sein Architekturstudium an der Universidad Católica de Chile 1991 ab. 1994 gründete er sein erstes eigenes Büro Alejandro Aravena Architects. Von 2000 bis 2005 war Alejandro Aravena Professor an der renommierten Harvard University, wo er 2001 gemeinsam mit dem Ingenieur Andres Iacobelli das Büro ELEMENTAL gründete. Diesem sich selbst – in Abgrenzung zu der vermeintlich verkopften Arbeit vieler Think-Tanks – „Do-Tank“ titulierten Zusammenschluss gehören neben Aravena inzwischen auch Gonzalo Arteaga, Juan Cerda, Victor Oddó und Diego Torres als Partner an. Besonderes Augenmerk der Arbeit gilt dabei Projekten mit „öffentlichem Interesse und sozialer Auswirkung“. Auch das spielte für die Jury des Pritzker-Preises eine entscheidende Rolle: „Nur Wenige haben sich erhoben, um die Herausforderungen der Architektur sowohl als künstlerische Aufgabe, als auch als Verknüpfung heutiger sozialer und ökonomischer Herausforderungen zu praktizieren.“ Aravena gelinge beides, so die Jury weiter. Er erweitere so die Rolle des Architekten um eine bedeutsame Ebene.

Die soziale Wirkung der Bauten von ELEMENTAL zeigt sich vor allem in den Wohnbau-Projekten Quinta Monroy (2004) im chilenischen Iquique, in der mexikanischen Stadt Monterrey (2009) und Villa Verde (2013) in Constitución – ebenfalls in Chile. Für diese Projekte hat das Büro ein System entwickelt, das den späteren Bewohnern ein „halbes Haus“ zur Verfügung stellt. Der Bau verfügt zunächst über alle notwendigen Räume und infrastrukturellen Einrichtungen wie Leitungen und Schächte – sowie eine Leerstelle in gleicher Größe des Pionierbaus. Den Bewohnern steht es in einem zweiten Schritt frei, die andere Hälfte des Gebäudes in Eigenarbeit und zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen. Etwa, wenn das nötige Kleingeld vorhanden ist oder sich die familiären Voraussetzungen geändert haben und statt einer Loggia ein weiteres Zimmer benötigt wird. In Abwandlungen scheint die Konzeption in diversen – immer auch städtebaulich gedachten – Wohnbauten des „Do Tanks“ immer wieder auf.

Darüber hinaus zeichnet die Arbeit von Aravena eine große formale Klarheit aus. Im Laufe der Zeit hat der Architekt unter anderem einige Projekte für seine Alma Mater, die Päpstliche Katholische Universität in der chilenischen Hauptstadt Santiago übernommen. Neben den Fakultäten für Mathematik (1998), Medizin (2001) und Architektur, die 2004 durch Aravena saniert wurde, sticht dabei vor allem das 2014 fertig gestellte UC Innovation Center Anacleto Angelini hervor.

Aber auch in den USA und Europa hat der frischgebackene Pritzker-Preisträger gebaut. Etwa das Wohnheim der St. Edwards University im texanischen Austin (2008) und ein vielbeachtetes Prototypen-Haus im Rahmen der Triennale di Milano (2008). Entwürfe für die Erweiterung des Kunstmuseums Basel oder ein Weingut im rheinland-pfälzischen Nierstein blieben unausgeführt.

Jeder Bau lasse dabei, so die Jury des „Architektur-Oscars“, auf ein tiefes Verständnis dafür schließen, „… wie Menschen die Gebäude nutzen“ sowie für eine „durchdachte und angemessene Verwendung von Materialen“. Es gebe schließlich in der Arbeit von ELEMENTAL und Alejandro Aravena eine Art „Verpflichtung, öffentliche Räume zu schaffen, die einer größeren Gemeinschaft nutzen.“

David Kasparek

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