Neu im Club: CATALANOQUIEL Architekten BDA, Köln

Paradigmenwechsel

Möglicherweise sind Sebastian Quiel und Eugenio Catalano Teil einer Generation, die vieles anders macht als ihre Vorgänger in den letzten 150 Jahren. Sehr vieles sogar. Ich treffe Eugenio Catalano in einer Pizzeria in der Kölner Südstadt. Draußen regnet es Bindfäden, die Margherita ist hervorragend, das Lemon Soda eiskalt und die Musik laut. Es ist ein glücklicher Zufall, dass der junge Architekt in der Stadt ist. „Eigentlich bin ich gerade in Elternzeit“, sagt Catalano. Weil einige offizielle Termine anstanden, ist die kleine Familie aber für ein paar Tage wieder in Deutschland.

Eugenio Catalano (links) und Sebastian Quiel (rechts), Foto: CATALANOQUIEL

Und das Büro? „Wir haben keinen klassischen Büroraum“, erklärt Sebastian Quiel im Video-Gespräch am Tag darauf. „Wir arbeiten sehr viel digital, machen Besprechungen fast nur noch online, dafür ist es egal, wo ich gerade sitze und ob Eugenio momentan im In- oder Ausland ist.“ Projektweise arbeiten die beiden mit anderen Büros und freien Mitarbeitenden zusammen, auch das vor allem digital. Wegen der Elternzeit von Catalano sind die Aktivitäten des Büros derzeit auf ein Minimum heruntergefahren. „Ich habe selbst eine längere Elternzeit genommen und verbringe immer noch viel Zeit mit der Familie“, so Sebastian Quiel. „Warum sollen wir jetzt 60 Stunden in der Woche arbeiten und Projekt nach Projekt angehen, nur um dann in zehn Jahren zu merken, dass wir nichts von unseren Kindern hatten?“, fragt Eugenio Catalano. Und so sind es nur zwei kleinere Projekte, die aktuell bearbeitet werden. Während Catalano mit der Familie unterwegs ist, arbeitet Quiel von Hannover aus. „Um Bauleitung zu machen, sitze ich momentan relativ viel im Zug.“ Quiel lacht, als er das erzählt. „Das bedeutet auch, dass wir nicht mal eben schnell auf die Baustelle kommen können, wenn die Bauherren anrufen – zum Glück tragen unsere aktuellen Auftraggeber das alles mit“, sagt Quiel. Auch das: keine Selbstverständlichkeit, wie der Architekt bekennt.

Vor allem mit dem Bestand arbeitet die hybride Arbeitsgemeinschaft CATALANOQUIEL – und das „von Leistungsphase eins bis acht“, wie Eugenio Catalano erklärt. Bis hin zur Fotografie der Objekte geht das mitunter. Sebastian Quiel umschreibt seine Begeisterung für die Arbeit im Bestand: „Da ist schon etwas Gebautes, in dem rein physikalisch bereits soviel Energie steckt, aber in das eben auch schon Menschen ihre geistige und kreative Energie haben fließen lassen. Diese Energien weiter zu nutzen und zu reaktivieren, finde ich viel, viel spannender als neu zu bauen.“

CATALANOQUIEL Architekten BDA, Alte Cartonnagenfabrik, Solingen 2018, Foto: CQ

Los ging es mit dem Umbau der „Cartonnagen-, Etuis- und Messerbeutelfabrik“ in Solingen – ein ehemaliges Firmengebäude aus dem Jahr 1898. Recht klassisch für die ersten Schritte in die Selbständigkeit kommt der Bauherr aus dem familiären Umfeld von Quiel, der das Projekt jedoch nicht alleine angehen wollte. Da er nicht nur im gleichen Büro wie Eugenio Catalano arbeitete, sondern die beiden sich privat gut verstanden und auch architektonisch die gleichen Interessen und Vorstellungen teilten, war die Zusammenarbeit und damit das eigene Büro geboren.

Unweit der Solinger Innenstadt steht die alte, kleine Fabrik, deren gründerzeitlichen Charme die Architekten wieder zum Sprühen gebracht haben. Die Stuckarbeiten an der Straßenfassade, im Treppenhaus und den Innenräumen wurden wieder hergestellt, das Vorderhaus nimmt nun kleine Büro- und Wohneinheiten auf. Die neu entstandenen Wohnlofts im Hinterhaus spielen mit dem industriellen Charakter der ehemaligen Fabrikationsanlage: offengelegter Backstein, gusseiserne Säulen, alte Balkendecken. Punktuell wird Altes ergänzt, neue Fenster und Balken, ein offener Stahlsturz über einer neuen Tür, kleine Einbauten für Schlafräume, Bad und WC. All das wirkt gleichermaßen unaufgeregt wie selbstverständlich.

Mit wenigen Eingriffen Bestehendes wieder nutzbar zu machen, ist das Credo von CATALANOQUIEL und findet sich in fast allen eigenen Projekten der beiden bis dato wieder. „Wir versuchen immer, die Bauherrinnen und Bauherren für das zu sensibilisieren, was schon da ist“, meint Eugenio Catalano. Er führt aus: „Das ist am Anfang oft mehr Beratungs- oder Coachingarbeit. Das gewünschte Raumprogramm wird in der Regel auf seine Notwendigkeit geprüft und dann meist eine multiple Nutzung von Räumen vorgeschlagen. Viele Menschen sehen ja häufig zuerst die Dinge, die optisch vermeintlich nicht ansprechend sind, die sich aber bei intensiver Auseinandersetzung mit dem Bestand als erhaltenswert herausstellen, beispielsweise weil sich ein bestimmter emotionaler Wert oder eine Geschichte dahinter verbergen.“
In Bonn etwa hatten die beiden Architekten ein Bauherrschaftspaar gefunden, mit dem sich dieses Vorgehen auf für sie nicht gekannte Höhen treiben ließ. Zusammen mit dem Kölner Büro DIIIP erarbeiteten CATALANOQUIEL eine Vielzahl möglicher Umbauvarianten für einen Bungalow aus den 1950er Jahren. Das Haus wird von einer jungen Familie bewohnt, die herausfinden wollte, ob und wie sich der Bau anders und womöglich besser nutzen lässt. Aber, so die Bauherren: „Es kann auch sein, dass wir nach mehreren Jahren Studie schlussendlich erfahren, dass die Architektur so wie sie konzipiert wurde, für uns schon perfekt ist.“

CATALANOQUIEL Architekten BDA, Umbau und Erweiterung eines Hofhauses, Köln, im Bau, Foto: CQ

Natürlich muss man sie erst einmal finden, die Bauherrinnen und Bauherren, die all das mittragen. Wo also kommen die Projekte heute her? „Eine wichtige Quelle für uns ist Instagram“, so Quiel. Catalano, der auch in der Lehre an der TH Köln tätig ist, unterstreicht das am Vorabend in der Pizzeria: „Die letzten Bauherrinnen und Bauherren sind alle über Instagram zu uns gekommen. Wettbewerbe beispielsweise machen wir kaum.“ Gezielt werden die beiden Architekten inzwischen angesprochen. Von Menschen, die ihre Arbeit auf dem bildlastigen sozialen Netzwerk sehen und genau so etwas suchen. „Sehr hilfreich war dabei auch, dass der Umbau der Cartonnagenfabrik in Solingen mit dem 3. Preis des KfW-Award ausgezeichnet wurde“, so Catalano. Die Auszeichnung 2020 in der Kategorie „Bestand“ hat dem Projekt und damit dem jungen Büro einige Publicity beschert.

Wo das Solinger Projekt deutlich jene Klischees von aktiviertem Altbaubestand bedient, die es auch in die gängigen Publikumstitel am Bahnhofskiosk schaffen, geht das Interesse der beiden Architekten am Weiterbauen deutlich weiter. So sagt Sebastian Quiel: „Ein Ort hat immer eine Geschichte und dass ein Gebäude irgendwo steht, hat immer einen Grund – auch wenn der Grund manchmal nicht positiv ist. Das weiter zu entwickeln, ist unsere Passion.“ An dem weiterzubauen, „was jemand nicht mehr braucht“, wie Quiel sagt, sei nicht nur reizvoller als das „Bauen auf der grünen Wiese“, weil es etwas aktiviere und damit in Wert halte, sondern auch, weil damit „die Zerstörung von etwas, das wir eigentlich schützen wollen, nämlich ein Stück unserer Welt“ verhindert werden könne. Dabei interessieren CATALANOQUIEL auch jene Orte, die vermeintlich keinen Reiz haben.

CATALANOQUIEL Architekten BDA mit Gerit Yonny Godlewsky, Barrierefreier Zugang zur TanzFaktur, Köln 2022, Foto: CQ / Godlewsky

So ist im industriell geprägten Gewerbegebiet unweit des Deutzer Hafens in Köln ein kleines und zunächst unscheinbares Projekt entstanden. Hier residiert seit 2013 die TanzFaktur, ein kulturelles Zentrum für zeitgenössischen Tanz. Die alte Industriehalle, die dem Netzwerk verschiedener Akteurinnen als Produktions- und Aufführungsort dient, verfügte jedoch nicht über einen barrierefreien Zugang. Der unprätentiöse Ergänzungsbau fügt sich trefflich in die von industrieller Rauheit geprägte Gegend. An der Nordostecke des bestehenden Baus haben die Architekten robuste Materialien, günstig im Einkauf, einfach gefügt und damit einen architektonischen Ausdruck gefunden, der dem Hallenbau, den das kleine Bauwerk nun erschließt, angemessen entspricht. „Es ist ein Ort, an dem Kultur entsteht,“ so Catalano, „Kultur, die nun für noch mehr Menschen zugänglich ist.“

Hier sind zwei Architekten am Werk, denen ihre Kinder wichtiger sind als prestigeträchtige Bauten, denen das Weiterbauen aus gesellschaftlichen wie ökologischen Gründen interessanter erscheint als der Neubau. Die Gemengelage im Angesicht von Klimakrise, wachsender sozio-ökonomischer Ungleichheit und vieler anderer Problemstellungen ist multikomplex, aber Architekten wie Sebastian Quiel und Eugenio Catalano wirken im Kleinen und tun damit doch Großes: für die jeweilige Bauherrschaft, wie für die Beweisführung, was umweltgerechte und sozialverträgliche Architektur heute auch sein kann.
David Kasparek

www.catalanoquiel.de

Aktuelle Informationen zur Talk-Reihe „Neu im Club im DAZ“:
www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de
Neu im Club wird unterstützt von Haushahn, Erfurt und Heinze sowie den BDA-Partnern.

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert