tatort

Potemkinsche Halle

Wir suchen erneut ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Nachkriegs-Architekturgeschichte spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können Sie per Post, Fax oder E-Mail an die Redaktion senden. Unter den Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir ein Buch. Einsendeschluss ist der 22. Mai.

Der gesuchte „tatort“ war zum Zeitpunkt seiner Entstehung sicherlich der spektakulärste Bau in der architektonisch durchaus nicht armen Stadt. Der aus einem offenen Wettbewerb in den späten 1950er Jahren hervorgegangene Entwurf eines österreichischen Architekten belegte am Beispiel dieses Gebäudes für Kultur- und Sportveranstaltungen, wie mit konstruktiven Mitteln auch symbolische Ebenen erreicht werden konnten: Die zur Stadt gewandte Hauptseite des Bauwerks zeigt im wesentlichen die Elemente der ungewöhnlichen Konstruktion. Sie besteht aus einem Hängewerk, das zwischen schiffsbugähnliche Strebepfeiler gespannt wurde, zwischen denen hinter wabenähnlichen Fassadenelementen das Treppenhaus eingesetzt ist. Im Attikageschoss darüber liegen die oberen Ränge des Zuschauerraums, der insgesamt 7.500 Zuschauern Platz bot, die hier „Holiday on Ice“, Sechs-Tage-Rennen, die „Rolling Stones“, Tischtennis- und Tanzweltmeisterschaften folgen konnten. Als der Bau zehn Jahre nach seiner Fertigstellung den BDA-Preis der Stadt erhielt, urteilte die Jury: „Die kühne Konstruktion ist mit der ausdrucksstarken architektonischen Gestaltung verschmolzen. Ergebnis ist ein Gebäude von großer Einprägsamkeit.“ Wiederum 30 Jahre später begann die Stadt, die Auslober des Wettbewerbs und Eigentümerin des Gebäudes war, im Zuge der Entwicklung des Areals zum Messeplatz mit einem grundlegenden Umbau. Die Hängeseilkonstruktion des Dachwerks wurde entfernt, die Halle bekam ein weiteres Foyer, ein erhöhtes Dach und wurde so erweitert, dass heute 14.000 Menschen hier Platz finden. Allein die zeichenhaften Stützen der Konstruktion blieben erhalten, sind aber nach dem Verlust ihrer eigentlichen statischen Funktion nur noch Attrappen, die den großartigen architektonischen Gedanken nur noch formal repräsentieren. Mit dem nicht nur in Fachkreisen heftig kritisierten Umbau wurde die „Stadthalle“ zunächst zum „Dome“, heute fristet es als „Arena“ ein Leben zwischen bedeutungslosen Bauten, die Messezwecken dienen. Angesichts des absehbaren dramatischen Substanzverlusts des bedeutenden Hallenbaus hat sich der Architekt, der im Jahr des Umbaubeginns starb, verbeten, als Urheber des heutigen Bauwerks genannt zu werden. Um welches Gebäude geht es, wo steht das Fragment und wer hat es entworfen?

Der „tatort“ der Ausgabe 1/15 war das Rathaus in Mainz, das Arne Jacobsen und Otto Weitling 1968-1970 entwarfen und das nach Jacobsens Tod 1971 vom Büro Dissing + Weitling bis 1974 beendet wurde. Über Möglichkeiten einer denkmalgerechten Sanierung des Baus hat die Stadt Ende 2014 in einem EU-weit ausgelobten Ideenwettbewerb nachdenken lassen, den das Ibbenbürener Büro agn zusammen mit den Mainzer Landschaftsarchitekten Bierbaum.Aichele gewann. Gewinnerin des Buchpreises unseres Rätsels hingegen ist Julia Klein aus Wiesbaden.

 

Foto: Andreas Denk

 

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