Gespräche mit Susanne Wartzeck

im foyer der kunst

Der Raum, in dem sich Susanne Wartzeck, Präsidentin des BDA, und Andreas Denk, Chefredakteur dieser Zeitschrift, zu ihrem Gespräch treffen, ist symptomatisch für eine besondere Qualität der Architektur der 1950er Jahre. Es ist das Foyer der Kunsthalle Darmstadt, die bis 1957 von Theo Papst entworfen wurde. Die verglaste Front öffnet sich auf den städtischen Vorplatz und vermittelt so zwischen dem Raum der Kunst und dem öffentlichen Raum: Eine gestische Architektur, deren Wirkung nach einer behutsamen Erneuerung (fs-architekten, Darmstadt) zwischen 2017 und 2019 spürbar geblieben ist. Die Halle lädt förmlich ein zum Gespräch, das hier fast in
der Öffentlichkeit stattfindet und sich mit dem BDA und seinem sich ändernden Selbstverständnis beschäftigt.

Andreas Denk: Frau Wartzeck, der BDA hat unlängst seine „Politischen Aufforderungen“ zum „Haus der Erde“ publiziert (der architekt 4 / 20) und im politischen Raum verteilt. Gibt es schon Reaktionen darauf?

Susanne Wartzeck: Ich habe viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien geführt, die die Positionen sehr interessiert aufgenommen haben. Die Reaktionen haben, jenseits der Parteibücher, natürlich auch mit den Personen zu tun, deren Meinung man nicht über einen Kamm scheren kann.

Andreas Denk: Lässt sich schon absehen, ob die „Aufforderungen“ auch Auswirkungen haben?

Foto: Andreas Denk

Foto: Andreas Denk

Susanne Wartzeck: Die Parteien sind auf der Suche nach Inhalten für den nächsten Wahlkampf. Sie möchten sich positionieren. Und sie suchen nach Antworten auf Fragen, die gerade aus Brüssel bezüglich der sogenannten renovation wave an sie herangetragen werden. Damit meint die EU eine Offensive zur energetischen Modernisierung der Gebäude in Europa, die ein zentraler Bestandteil des Klima- und Konjunkturkonzepts „Green Deal“ sind, das Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin auf den Weg gebracht hat. Das Konzept legt nahe, deutlich mehr im Bereich der Sanierung zu arbeiten. Daher stellt sich jetzt die Frage, wie so ein Programm national umsetzbar ist. Die bei uns übliche Umlage von Modernisierungskos­ten auf die Mieter ist in den anderen Ländern Europas nicht gebräuchlich. Das ist für die Parteien in Deutschland, die sozial engagiert sind, gerade ein großes Thema. Es muss darum gehen, unsere Gesetzgebung mit den allgemein in Europa üblichen Rechtsauffassungen in Einklang zu bringen. Unser Papier kann bei der Entscheidungsfindung helfen.

Andreas Denk: Ich kann mir gut vorstellen, dass der politische Raum gerne bereit ist, die „Aufforderungen“ des BDA in Entscheidungen einfließen zu lassen. Die Wähler selbst scheinen mir das größere Problem: Nur ein gewisser Prozentsatz der Bundesbürger glaubt in gebotenem Maße an die Notwendigkeit eines umwelt- und klimapolitischen Umdenkens. Und ein noch geringerer Teil setzt dieses Nachdenken ins Handeln um. Wie kann es gelingen, möglichst viele Leute darüber zu informieren, dass es bei der Umsetzung klimaneutraler und ressourcenschonender Architektur und Stadtplanung um ein grundsätzliches Anliegen der Gesellschaft geht? Haben Sie eine Idee, wie wir an Menschen herankommen, die wir normalerweise nicht erreichen?

Susanne Wartzeck: Das ist prinzipiell eine Aufgabe, die die Möglichkeiten des BDA überschreitet. Im Präsidium haben wir darüber gesprochen, wie wir die Kampag­nenfähigkeit des BDA verbessern können, die wir für den Dialog mit der Gesellschaft brauchen. Im Kleinen haben wir schon damit begonnen, indem wir seit einiger Zeit Jahresthemen benennen, an denen wir – Bundesverband, Landesverbände und Ortsgruppen – intensiv arbeiten. Aber um die Thesen des „Hauses der Erde“ in die Gesellschaft zu tragen, brauchen wir strategische Partner wie die Montagstiftung oder die Evangelische Akademie, wir brauchen Stiftungen und Organisationen, die ähnliche Ziele haben wie wir, aber eine andere Klientel erreichen. Wir brauchen eine Menge großer Salons, in denen wir mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch kommen.

Andreas Denk: Ein probates Mittel waren für den BDA bisher die Ausstellungen, die er organisiert und auf die Reise geschickt hat. Das galt für die Ausstellung, die sich mit der Stadt der 1960er und 1970er Jahre beschäftigt hat, und für die Ausstellung zum Wohnen. Jetzt gibt es eine neue Ausstellung zum architektonischen Bestand, die gerade in Berlin aufgebaut wird. Sie haben schon etwas davon gesehen. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Foto: Andreas Denk

Foto: Andreas Denk

Susanne Wartzeck: Großartig. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Schau sehr gut an die „Zehn Thesen zum Wohnen“ anknüpfen wird. Es geht ja wieder um das Wohnen, aber diesmal mit dem Fokus auf der „Sorge um den Bestand“. Die Ausstellung wird zum Nachdenken anregen und ist auch sehr gut für Nichtfachleute geeignet, weil sie Anknüpfungspunkte bietet, die nicht nur für Architekten interessant, sondern für ein breites Publikum begreifbar und erfahrbar sind. Es wird eine Kombination aus Information und direktem Erlebnis sein, bei dem man beispielsweise mit einem wiederverwendeten Bodenbelag in einer ganz neuen Präsentation konfrontiert wird. Das Thema ist jedoch auch bildhaft: Wir müssen Sorge tragen, dass wir weiterhin an den Aufgaben arbeiten können, die uns die Gesellschaft stellt. Dass sich etwas ändert, merken wir: Wenn wir proklamieren, dass der Umbau vor dem Neubau kommt, dann bedeutet das eine erhebliche Veränderung unseres Berufsfelds. Es könnte soweit gehen, dass Architekten gar nicht mehr bauen, sondern lieber Prozesse in Gang bringen und sie moderieren, um strukturelle Verbesserungen für das Gemeinleben zu erreichen.

Andreas Denk: Die Satzung des BDA hebt ausdrücklich darauf ab, dass seine Tätigkeit auch eine dauernde Reflexion der Rahmenbedingungen des Planens und Bauens beinhalten soll. Was bedeutet das, was Sie gerade vorausschauend angedeutet haben, für den Bund?

Susanne Wartzeck: Der BDA muss sich überlegen, ob er weiterhin nur Kollegen und Kolleginnen beruft, die sich über ihr gebautes Werk artikulieren. Ich habe durch die Arbeit an der „Sorge um den Bestand“ mehrere Büros kennengelernt, die sehr wenig, wenn überhaupt etwas gebaut haben. Die hätte ich dennoch gern im Kreis des BDA, weil sie kluge Köpfe sind und Dinge weiterdenken und weiterbringen – und zwar im Sinne des BDA für unsere gebaute Umgebung, für unsere Gesellschaft und die Umwelt.

Andreas Denk: Auf der letzten Klausursitzung des Präsidiums haben wir diskutiert, ob es „Freunde des BDA“ geben kann, die einen informellen, interdisziplinären Diskussions-, Ethik- und Expertenrat bilden…

Foto: Andreas Denk

Foto: Andreas Denk

Susanne Wartzeck: Ja, das wäre eine Option. Wir müssen einen Weg finden, Leute, die wir gern dabeihaben wollen, zu integrieren. Wir brauchen interessante Diskurspartner und -partnerinnen, die wir für eine Weile an den BDA binden können und mit denen wir zusammen neue Positionen diskutieren und besetzen können. Das tun Sie regelmäßig beim „Berliner Gespräch“ und im Zusammenhang des Redaktionsbeirats unserer Zeitschrift. Darüber hinaus brauchen wir Unterstützung für Dinge, die wir selbst nicht umfassend abdecken können, die aber dennoch für das, was wir tun, Bedeutung haben. Solche Kontakte aber muss man institutionalisieren. Eine Mitgliedschaft in so einem Freundeskreis wäre dann auch als Auszeichnung für die Berufenen und ihr Engagement zu verstehen. Und deshalb sollten wir im nächsten Jahr in den Gruppen und in den Ländern darüber diskutieren, ob wir uns nicht ein wenig in dieser Richtung verändern und neu aufstellen sollten, ohne erneut das Gebot der Selbständigkeit von Vollmitgliedern zu hinterfragen.

Andreas Denk: Dieses Bekenntnis zur Interdisziplinarität wäre ein schöner Ausdruck, um zu zeigen, dass der BDA die Notwendigkeit eines Wandels von Berufsbild und Berufsfeld verstanden hat und aktiv begleitet.

Susanne Wartzeck: Aus uns selbst heraus können wir eine Interdisziplinarität, wie sie nötig wäre, nicht mehr leisten. Dafür ist die Welt zu groß und zu komplex geworden. Das merken wir, wenn wir uns mit umwelt- und klimapolitischen Themen beschäftigen und eine Position dazu beziehen sollen. Um Farbe zu bekennen, müssen wir die nötigen Informationen haben. Dafür aber brauchen wir kompetente Gesprächspartner…

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