Gespräche mit Susanne Wartzeck

Auf dem Flur der Hochschule

In Zeiten des Klimawandels braucht es ein verändertes Lehren und Lernen – diese These stand im Zentrum des 5. BDA-Hochschultags, der am 7. Oktober in Berlin stattfand. Damit verbunden ist die Forderung nach einer neuen Praxis des kreativen Umbaus von Bestandsgebäuden sowie flächen- und materialökonomischer Neubauten. Doch was heißt das konkret für Curriculum, Lehrmethodik und Lehrdidaktik? Für dieses Gespräch trafen sich BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck und Die Architekt-Chefredakteurin Elina Potratz in der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin von Ortner & Ortner Baukunst. Der ertüchtigte Altbau, der um einen holzverkleideten Bühnenturm ergänzt wurde, zeigt im Inneren einen interessanten Umgang mit Alt und Neu: Die Eingriffe beschränken sich auf den Bereich bis zur Höhe von 2,30 Metern; alles, was darüber liegt, wurde im vorgefundenen oder rohen Zustand belassen.

Elina Potratz: Vielleicht können wir die Frage nach einer neuen Lehre einmal andersherum angehen. Nicht: Was brauchen wir? Sondern: Wovon können wir uns getrost verabschieden?

BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck,
Foto: Klaus Hartmann

Susanne Wartzeck: Anknüpfend an den ersten Hochschultag hat sich auch dieses Mal herausgestellt, dass wir viele grundsätzliche und generalistische Fähigkeiten weiterhin brauchen. Man muss sein Handwerk im Entwurf gelernt haben und es ist erst einmal egal, ob man dies auf einen Neubau oder einen Umbau anwendet. Die Gestaltungskriterien sind immer wieder die gleichen. Ich bin mir daher nicht sicher, ob man etwas weglassen kann. In den Diskussionen wurde klar, dass es oftmals ein vertieftes Wissen benötigt, um im Bestand zu arbeiten, etwa über die Baustoffe selbst. Damit werden auch Fächer wichtiger, die bisweilen etwas stiefmütterlich behandelt wurden. Bauphysik oder Baustoffkunde beispielsweise, die man früher eher halbherzig gemacht hat, werden bedeutsamer. Es wird also tendenziell eher mehr.

In unseren Köpfen gibt es oft das Bild, dass die Universitäten und Studierenden bei vielen Entwicklungen die Speerspitze bilden, dass sie grundsätzlich fortschrittlicher sind, also beispielsweise bereits eine nachhaltige und klimagerechte Baupraxis vertreten. Doch stimmt das überhaupt oder ist es mitunter ein Vorurteil? Sind womöglich auch in den Universitäten diese Themen noch nicht vollends angekommen?
Da könnte etwas dran sein. Denn sonst gäbe es nicht so einen großen Protest, teilweise auch in den Hochschulen. Man hat beim diesjährigen Hochschultag sehr stark gespürt, dass die Studierenden das einfordern. Das würden sie sicher nicht mit solchem Nachdruck tun, wenn das Angebot ihren Wünschen entspräche. Es gibt bestimmt einige Hochschulen, die sich gerade auf den Weg machen oder auch schon ein gutes Lehrangebot haben. Aber es gibt eben noch sehr viele, bei denen das nicht der Fall ist und das klimagerechte Bauen nur einen kleinen Teilbereich darstellt.

Ortner & Ortner Baukunst, Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin 2018, Foto: Schnepp Renou / O&O Baukunst

Ein Konsens des Hochschultags war auch, dass Nachhaltigkeit oder Klimagerechtigkeit Querschnittthemen sind. Es sollte in keinem Fall nur ein oder zwei Seminare dazu geben, sondern in allen Bereichen eine Rolle spielen.
Ja, es müsste eigentlich über allem liegen. Beispielsweise in der Baukonstruktion, wenn es um spezielle Konstruktionsmethoden im Holzbau geht oder darum, welche Holzbauweisen wofür geeignet sind. Ich würde mich aber gegen die Schlussfolgerung verwahren, Beton oder Mauerwerk zu vernachlässigen, denn diese braucht es weiterhin, auch für die Häuser, die schon stehen. Allein, um zu begreifen, welchen Prinzipien der Bestand entspricht und wie man damit umgehen kann.

Ortner & Ortner Baukunst, Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin 2018, Foto: Schnepp Renou / O&O Baukunst

Gleichzeitig war ein Ergebnis des Hochschultags, dass wir mit der Bauwende noch nicht so weit fortgeschritten sind, dass die Lehrenden im umfassenden Sinne Antworten vorlegen könnten. Interessant war die Äußerung einer Studentin, die den Wunsch formulierte, dass die Lehrenden offener mit ihrem Scheitern und Fehlern umgehen sollten. Ist das eine Entwicklung hin zu einer anderen Lehrpraxis, in der das Lehren weniger „von oben herab“ stattfindet?
Das wäre auf jeden Fall schön. Ich denke, das ist auch eine gesellschaftliche Frage, jedenfalls in Europa oder in Deutschland. In Amerika wird das Scheitern ja durchaus anders betrachtet, es wird darin immer eine Fortentwicklung gesehen. Hier ist das überhaupt nicht verbreitet, man spricht ungern über Fehler. Auch mich hat die Anregung der Studentin begeistert, denn ich merke oft bei meinen eigenen Vorträgen, dass es ein großes Interesse gibt, wenn ich von Dingen erzähle, die nicht gut funktioniert haben. Daraus kann man meist die besten Schlüsse ziehen. Hinzu kommt: Wenn wir eine gewisse Schnelligkeit bei der Bauwende erreichen wollen, sollten wir uns eben auch gegenseitig gestatten, aus unseren Fehlern zu lernen. Das gehört für mich zur Kultur des Experimentierens.

Bei all den wichtigen Zielen dieser Entwicklung: Lassen wir die Studierenden damit nicht auch ein Stück weit ins offene Messer laufen, wenn sie mit hehren Nachhaltigkeitszielen im Kopf von der Uni kommen und dann mit der Wirklichkeit im Baugeschehen konfrontiert sind? Steckt dahinter die Vorstellung, dass die Studierenden durch ihre im Studium gewonnenen Überzeugungen darauf Einfluss nehmen können?
Bestenfalls ja. Denn hoffentlich werden diese Studierenden dort Jobs annehmen, wo sie sich auch mit ihren Überzeugungen wiederfinden. Auch wir spüren in unserem Büro, dass Berufsstarter beispielsweise ganz dezidiert nach dem Anteil von Neubauten und Umbauten in unserer Praxis fragen. Es herrscht noch immer Fachkräftemangel und vielleicht wird das eine oder andere Büro seinen Kurs ändern, um gute Mitarbeiter zu bekommen.

Gilt das auch, wenn die Baukonjunktur einbricht?
Dann könnte man wiederum die Hoffnung haben, dass Umbaumaßnahmen interessanter werden als große Neubauvorhaben, weil sie weniger aufwendig sind.

Braucht es in der Lehre nicht auch eine bessere Schulung hinsichtlich kommunikativer, argumentativer Fähigkeiten gegenüber der Bauherrschaft, um diese vom Erhalt und vom Umbau zu überzeugen?
Auch in diese Richtung wird diskutiert: Benötigen wir nicht eine Vertiefung im Master, um zu lernen, wie man moderiert, wie man Prozesse strukturiert und wie man eine Prozessgestaltung überhaupt angeht. Damit man solche Projekte wie das Haus der Statistik in Berlin überhaupt begleiten kann. Bislang machen das oft Leute, die sich das selbst beigebracht haben.

Sollten Studierende nicht auch zum Aktivismus angeregt werden?
Ich würde da eher die Prozessqualitäten im Vordergrund sehen. Es ist zwar ein alter Hut: Wenn der Prozess gut ist, wird auch das Ergebnis gut, sagt man immer… Aber wenn man lange Zeit in dem Job arbeitet, dann bestätigt sich das. Und gewiss lässt sich auch hier ein gewisses Handwerkszeug erlernen, damit man größere Überzeugungskraft hat.

Die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen spielt eine immer größere Rolle. Verändert sich dadurch die Rolle von Architektinnen und Architekten als Steuernde?
Ich denke, das wird sich nicht verändern. Nur, dass nun noch mehr Leute im Orchester sitzen. Es bleibt immer wichtig, dass Architektinnen und Architekten über die Komplexität des Prozesses hinweg im Auge behalten, wo es hingehen soll.

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