Stuttgarter Corbusier-Häuser sind UNESCO-Welterbe

Haus, Bahn, Auto

Die beiden Wohnhäuser von Le Corbusier gehörten wohl zu den umstrittensten Bauten der im Juli 1927 eröffneten Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Mit seinen engen „Eisenbahnwagen-Fluren“ und dem Konzept großer Wohnräume, die nachts mittels Klappbetten in Schlafzimmer umgewandelt werden, war der schweiz-französische Architekt für viele Besucher und einige Kritiker schlichtweg zu weit gegangen. Auch nachdem die Gebäude den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatten, wurde noch in den 1950er Jahren ihr Abriss erwogen. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht als besonderer Triumph anzusehen, dass die Bauten neben 15 anderen Gebäuden und Ensembles Le Corbusiers von der UNESCO auf die Liste der Welterbestätten gesetzt wurden.

Hartwig Lüdtke, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, betonte, Le Corbusier habe „die Architektur der Moderne seinerzeit neu definiert“. Seine Werke würden „typologisch den radikalen Bruch mit vormals verwendeten Stilen, Design, Methoden, Technologien und Bautechniken“ darstellen. Eines der Wohnhäuser in der Stuttgarter Werkbundsiedlung war Corbusiers erste Anwendung seines bereits Jahre zuvor konzipierten Systems „Citrohan“ – angelehnt an den Autohersteller Citroën. Das Haus „als Wohnmaschine oder als Werkzeug“ (1) sollte ebenso durchgeplant wie ein Automobil sein. Entstanden ist ein Einfamilienhaus mit zweigeschossigem Wohnraum nach Süden, Galeriegeschoss und großer bepflanzter Dachterrasse. Der zweite Bau, ein Doppelhaus, wurde in seiner Innenraumkonzeption tatsächlich den Schlafwagenabteilen von Schnellzügen nachempfunden. Le Corbusiers „fünf Punkte einer neuen Architektur“ werden hier besonders eindrücklich: es besitzt neben den geforderten Dachgärten eine offene Pfeilerstruktur im Untergeschoss, langgezogene Fenster in nicht-tragender Fassade und kann in seinem Grundriss flexibel angeordnet werden.

elp

Anmerkung
1 Le Corbusier in: Kommende Baukunst (frz. 1923, dt. Stuttgart 1926), zitiert nach Bauwelt Fundamente 2, Berlin 1963, S. 179.

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