tatort

Qualität geht vor Verdienst

Wieder einmal ist es soweit: Wir suchen ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Nachkriegs-Architekturgeschichte spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per Post, Fax oder E-Mail an die Redaktion gesandt werden. Unter den Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir ein Buch. Einsendeschluss ist der 24. März 2016.

Der „Tatort“ liegt in der Innenstadt einer großen westdeutschen Stadt. Hier standen ursprünglich die Gebäude eines Klosters der „Minderbrüder“, die im 19. Jahrhundert bis auf die Kirche und Reste des gotischen Kreuzgangs durch ein Museumsgebäude ersetzt wurden. Der Bau, der eine bedeutende Sammlung mittelalterlicher Tafelmalerei aufnahm, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der notwendige Neubau wurde in einem ungewöhnlichen Verfahren geplant: Zunächst reiste der verantwortliche Arbeitskreis in die Schweiz und in die Niederlande, um sich vergleichbare Bauten anzusehen. Dann wurden die Entwürfe von sechs Architekten, die man eingeladen hatte, öffentlich diskutiert, fachlich begutachtet und dann einer Jury zur Entscheidung vorgelegt. Die Gewinner, von denen der eine mehr dem Entwurf, der andere eher der Ausführung zuneigte, nahmen bei ihrem Vorschlag – wie auch die Architekten des Vorgängerbaus – den Plan des Klosters auf. Das Gebäude wurde mit einer entlang einer eindrucksvollen Treppenanlage komponierten Raumfolge zum „Stufenberg“ – eins von mehreren archetypischen Motiven, mit denen der ideengebende Architekt gearbeitet hat. Die Räume und ihre Belichtung schnitt man exakt auf die Sammlung kleinformatiger mittelalterlicher Malerei zu. Die Architektur, so meinte der entwerfende Architekt, solle „gegenüber den (…) Kunstwerken von säkularer Gültigkeit in geziemender Bescheidenheit“ sein. Dabei dürfe das Museum aber „nicht in der Weise vergangener Zeiten gebaut (…), aber auch nicht nach der Mode des Tages“: In den Jahren des Baus hatte der eigenwillige Mann, der in den ersten Nachkriegsjahren auch als Stadtplaner gearbeitet hatte und vor allem für seine Sakralbauten berühmt war, eine Debatte über den Funktionalismus begonnen, die sich auch in der architektonischen Haltung des „Tatorts“ wiederspiegelt. Der Bau stehe „in voller Absicht quer zu den traditionellen und modernistischen Fronten“ und werde „deshalb weder von der einen  noch von der anderen freudig begrüßt“ werden, schrieb der Architekt dem damaligen jungen Chefredakteur der „Bauwelt“. Die Aufgabe des Entwerfers sei es gewesen, „jede Form so lange zu reinigen, bis sie das, was nur modern ist, abtat und hinter sich ließ“, damit der Entwurf „ins Dauerhafte, für lange Bewährtes, gebracht“ werde. Das Resultat charakterisierte ein Historiker als Gebäude „von karger Strenge und gleichzeitiger Weltoffenheit“. Nach einer Umwidmung des Museumszwecks erlebte das Bauwerk eine mustergültige, außerordentlich sensible Restaurierung durch Walter von Lom. Aus heutiger Sicht ist der gesuchte Bau nicht nur ein Meisterwerk der Architektur seiner Epoche, sondern auch ein hervorragendes Beispiel für die oft noch unentdeckte Neigung jener Jahre zur interpretierenden Denkmalpflege. Wie heißt der „tatort“, wo liegt er und wie heißen seine Architekten?

Der „tatort“ der Ausgabe 6/15 war das Hauptverwaltungsgebäude der Bayerischen Motoren Werke (BMW) in München, auch „Vierzylinder“ genannt, den der österreichische Architekt Karl Schwanzer zwischen 1968 und 1973 realisierte. Die Gewinnerin des Buchpreises ist Gerlind Zerweck aus Nürnberg.

Foto: Raimond Spekking (CC BY-SA 4.0 / via Wikimedia Commons)

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