tatort

Parallele Internationale

Auch in dieser Ausgabe suchen wir ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Architekturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per Post oder E-Mail an die Redaktion gesandt werden. Unter den Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir ein Buch. Einsendeschluss ist der 15. Januar 2018.

Der tatort dieser Ausgabe findet sich in der Hauptstadt eines östlichen Bundeslandes. Im Gegensatz zu seiner fortschrittlichen Nachbarin, der ein Messeplatz ein gewisses internationales Flair gab, gerierte sich die Stadt zu sozialistischer Zeit behäbiger – so wie auch heute noch. Dennoch durfte auch hier ein Kollektiv von drei Architekten einen von wenigen Schlüsselbauten entwerfen, die an markanten Stellen der sonst vom Barock und „Karnevalskerzendunst“ der Architektur des 19. Jahrhunderts geprägten Stadt ein moderneres Flair geben sollten.

Das Bauwerk steht in einer beliebten Vorstadt des 19. Jahrhunderts. Anders als in den zehn Jahren nach der Staatsgründung, die mit mäßigem formalen Erfolg der Rekapitulation des architektonischen Erbes unter sowjetischer Anleitung gedient hatten, entstand der Gebäudekomplex – in Abkehr von der tradierten Blockrandbebauung – als Komposition mehrerer Bauteile. Der federführende Architekt hatte einst bei Wilhelm Kreis studiert, war später Meisterschüler bei Heinrich Tessenow. In den späten 1930er Jahren wurde er zum Spezialisten für den Bau von Post- und Fernmeldeanlagen im damaligen Reichspostministerium. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst in der Sowjet-union. In der DDR nahm er schon früh eine führende Stellung im Staatsbauwesen ein, die ihm die Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben ermöglichte. Während seiner 22-jährigen Tätigkeit im Staatsbauwesen plante er zahlreiche Einrichtungen für den Briefverkehr und das Fernmeldewesen. Der tatort gehört zu seinen besten Entwürfen: Das langgestreckte, fünfgeschossige Hauptgebäude hatte ursprünglich eine Aluminium-Glas-Vorhangfassade. Schalterhalle und Speisesaal des Baus wurden in einem zweiten, rechtwinklig anschließenden und längsseitig mit einer großen Panoramadurchfensterung geöffneten Bauteil untergebracht. Im Winkel der Gebäude entsteht ein kleiner Platz: Hier liegt der Haupteingang, der von einem abstrakten Porzellanmosaik Meißener Provenienz gerahmt wird.

Foto: Kolossos (via wikimedia/CC BY-SA 3.0)

Gerade dieser Bereich ist ein Opfer fortschreitender Verwahrlosung geworden, obwohl die Kantine noch bis 2013 in Betrieb und ein beliebter Treffpunkt des Quartiers war – und das Erdgeschoss immer noch von der Post genutzt wird. Der Hauptbau wurde, nachdem eine eigentlich sinnvolle Herrichtung als Stadtteilquartier verworfen worden war, inzwischen jedoch von einem Privatinvestor mit einem Wärmedämmverbundsystem „verbessert“, das die einstige dynamische horizontale Gliederung konterkariert. Das gesuchte Gebäude, das die Post der DDR 1982 sogar mit einer Briefmarke würdigte, steht unter Denkmalschutz und gehört zu den besten Beispielen der Moderne in den östlichen deutschen Bundesländern. Welches Gebäude wird gesucht, wo steht es, und wer hat es entworfen?

Der tatort der Ausgabe 5/17 war das Hauptgebäude der Architekturfakultät der TU Berlin in Charlottenburg am Ernst-Reuter-Platz, das der Hamburger Architekt und Hochschullehrer Bernhard Hermkes von 1963 bis 1968 realisierte. Der anschließende Flachbau mit Hörsälen und Bibliothek wurde übrigens von Hans Scharoun geplant. Gewinnerin des Buchpreises ist Isabell Schütz aus Darmstadt.

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