tatort

Ein kultureller Impuls

Wir suchen ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Nachkriegs-Architekturgeschichte spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per Post oder E-Mail an die Redaktion gesandt werden. Unter den Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir ein Exemplar des Buchs „Neues soziales Wohnen. Positionen zur IBA Wien 2022“ aus dem Jovis Verlag. Einsendeschluss ist der 13. November 2020.

Der „tatort“ liegt in einer Stadt im Norden eines großen Industriegebiets. Durch die Ansiedlung von Kohlezechen und Betrieben der chemischen Industrie und eine Reihe von Eingemeindungen wuchs die Einwohnerzahl des ehemaligen Industriedorfs beträchtlich. Die verschiedenen Dörfer und Siedlungsteile hatten bis in die 1960er Jahre kein gemeinsames Zentrum, obwohl die Stadt bereits über 60.000 Einwohner zählte. Ein Wettbewerb mit internationaler Beteiligung sollte Abhilfe schaffen. Der Vorsitzende des prominent besetzten Preisgerichts gab als Richtlinie für die Entscheidung eine spezifische Qualität des Entwurfs vor: „Die Dominanz kann nicht (…) in der horizontalen oder vertikalen Erstreckung gesucht werden. Das Dominante muss in der unverwechselbaren Einmaligkeit und in der Ausdrucksfähigkeit liegen.“ Die niederländischen Architekten, die den Wettbewerb gewannen, setzten sich unter anderen gegen Rudolf Schwarz, Hans Schwippert, Hans Scharoun, Alvar Aalto und Arne Jacobsen durch. Die beiden Niederländer hatten sich durch wegweisende Wiederaufbauplanungen für eine kriegszerstörte Metropole in ihrer Heimat einen großen Namen gemacht. Wenige Jahre vor dem „tatort“ entstand in Berlin ein Beispiel für die besonderen Fähigkeiten der beiden Architekten beim Wohnungsbau. Einer der beiden wirkte auch im legendären Team X mit, das den letzten CIAM-Kongress ausrichtete und eine Anpassung der Architektur der Moderne an klimatische und kulturelle Gegebenheiten forderte. Mit seinem Tod 1981 beschloss das Team X seine Auflösung.

Foto: Andreas Denk

Foto: Andreas Denk

Die mehrteilige Anlage, die die beiden Architekten entwarfen, setzt sich aus mehreren flachen Baukörpern und zwei Hochhäusern zusammen, deren Geschosse als Hängekonstruktionen von einem Betonkern abgehängt sind. Die Hochbauten, von denen ursprünglich vier geplant waren, nehmen die Räume der Stadtverwaltung auf. Der benachbarte mehrgeschossige Flachbau birgt im Obergeschoss den repräsentativen Ratssaal, dessen preziöse Materialverwendung einen Eindruck von dem Anspruch vermittelt, den dieser Bau in der aufstrebenden Industriestadt besitzen sollte. Der kulturelle Impuls, den das Gebäude geben sollte, spiegelt sich auch darin, dass im Erdgeschoss ein heute überregional bekanntes Ausstellungsinstitut untergebracht wurde. Die Hochbauten und ihre öffentlichen Funktionen des Ensembles werden durch einen gemeinsamen großen Platz mit Uhrenturm, Wasserbänken und Sitzbänken zusammengehalten. Mehrere Wohnhochhausketten umgeben die Gesamtanlage, die mit ihrer fast idyllischen Lage am künstlich angelegten „City-See“ vielleicht eins der aufschlussreichsten städtischen Ensembles der späten Moderne in Deutschland ist. Dennoch hätte die Schadstoffbelastung der Gebäude fast für ihr Ende gesorgt. Erst seit der denkmalpflegerischen Unterschutzstellung 2015 ist der zwischenzeitlich in der Stadt diskutierte Abriss vom Tisch. Seitdem plant man eine umfassende Sanierung, die 2018 begonnen haben sollte. Um welche Baugruppe handelt es sich und wer waren die beiden Architekten?

Der Architekt des letzten „tatorts“ war Ernst Neufert (1900 – 1986). Er entwarf für den Fürther Unternehmer Gustav Schickedanz (1895 – 1977) von 1955 bis in die 1960er Jahre das Versandzentrum des Quelle-Versands in Fürth. Gewinner des Buchpreises ist Berger Bergmann aus Essen.

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