Buch der Woche: Gestalten und Konstruieren mit Stampflehm

Vier Elemente der Baukunst

Martin Rauch, 1958 in Schlins im österreichischen Vorarlberg geboren, ist ausgebildeter Keramiker und Ofenbauer. Während eines Aufenthalts als sogenannter Entwicklungshelfer auf dem afrikanischen Kontinent entdeckt er Lehm als Baumaterial, das nicht nur jederzeit an vielen Orten verfügbar, sondern einfach zu bearbeiten ist und darüber hinaus hervorragende Eigenschaften hat. Es ist einem angenehmen Raumklima zuträglich, ist haptisch und optisch schön, bindet Kohlendioxid und lässt sich ohne Rückstände wieder der Natur übereignen.

Mit verschiedenen Architektinnen und Architekten sind seitdem kleinere und größere Projekte mit und aus Stampflehm entstanden. Von der Bushaltestelle über das eigene Wohnhaus bis hin zu großmaßstäblichen Firmensitzen. Rauch und sein Team haben ihre Expertise dabei stetig verfeinert und von Projekt zu Projekt erweitert. So wurden im Laufe der Zeit nicht nur unterschiedliche Bewehrungen für Maueröffnungen, sondern auch Boden- und Deckenaufbauten untersucht und schließlich gar eine Maschine entwickelt, mit deren Hilfe sich bis zu 80 Meter lange Mauerscheiben unterschiedlicher Dicke herstellen lassen. Während das Stampfen und Verdichten bis dato nicht nur zeit- und kraftraubend war, sondern vor allem ein Mindestmaß für den Abstand der Schalung vorgab – musste doch ein Mensch zwischen den Schalplatten den Lehm stampfen –, ließen sich nun maschinell erstellt auch schmalere und längere Wandscheiben fertigen.

Foto: Edition Detail

All das fasst das von Otto Kapfinger und Marko Sauer herausgegebene Buch „Martin Rauch – Gebaute Erde. Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm“ zusammen. Anhand ausgewählter Projekte wird dezidiert nachvollziehbar gemacht, welche Vorteile das Material bietet und vor allem, wie es sich fügen lässt. Das Buch ist gegliedert in die Kapitel „Boden“, „Wand“, „Decke“ und „Öffnung“. Damit, so Otto Kapfinger in seinem fein zu lesenden Einleitungstext, beziehe es sich direkt auf Gottfried Sempers legendäre Schrift „Die vier Elemente der Baukunst“, die Einteilung des vorliegenden Buchs entspräche Sempers „Erdaufwurf“, „Umfriedung“, „Dach“ – ergänzt um die „Öffnung“. In der Tat wird am Beispiel des Lehms Sempers Idee des Stoffwechsels einmal mehr gut nachvollziehbar, indem die einst textile Wand – die ihren mit dem Gewand geteilten Wortursprung auch stofflich noch zeigt – zur gestampften Mauer wird.

Anhand der vorgestellten Projekte werden Konstruktion und Fügung der architektonischen Elemente dargestellt. Die Kombination aus Zeichnungen und beschreibenden Texten von Marko Sauer macht die Prinzipien dabei bemerkenswert verständlich und zugänglich. Erstaunlich bei diesem in jeder Hinsicht lohnenswerten Buch ist allein, dass die Herausgeber das bei Semper angelegte demokratische Ideal des Bauens nur zwischen den Zeilen andeuten. Gerade die Zugänglichkeit des Baustoffs Lehm ist es doch, die eine umfriedete Behausung an vielen Orten dieser Welt für viele Menschen ermöglichen könnte. Als Motiv wird es im Buch angedeutet, vor allem aber findet es sich in Rauchs Arbeiten selbst, die ihn immer wieder in wirtschaftlich arme Regionen führen.
David Kasparek

Otto Kapfinger, Marko Sauer (Hrsg.): Martin Rauch – Gebaute Erde. Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm, 168 S., zahlr. Abb., 59,90 Euro, Edition Detail, München 2022, ISBN: 9783955535711

 

 

 

 

 

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