Visionen und Umbrüche
Als erstes privates Architekturforum weltweit wurde Aedes 1980 von den beiden Nicht-Architektinnen Kristin Feireiss (1942–2025) und der 1983 verstorbenen Helga Retzer in Berlin gegründet. Das selbsterklärte Ziel von Aedes war und ist es, mit Ausstellungen nicht nur Fachleute, sondern vor allem eine breite, generationsübergreifende Öffentlichkeit zu erreichen, um ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass die gebaute Umwelt das Leben aller beeinflusst und jeden betrifft. Kristin Feireiss wirft hier einen Blick zurück in 43 Jahre Aedes mit rund 550 Ausstellungen. Neben Aedes war Feireiss unter anderem 1996 bis 2001 Direktorin des Niederländischen Architekturinstituts (NAi) in Rotterdam, 1996 und 2000 Kommissarin des niederländischen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig sowie 2013 bis 2017 Jurymitglied des Pritzker-Preises. Im Jahr 2001 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.
Die 1980er-Jahre – Visionen und Visionäre
In diesem Jahrzehnt standen Visionen und Visionäre im Mittelpunkt unserer Arbeit. Der Einsturz der Berliner Kongresshalle 1980 inspirierte uns zu der Ausstellung „In Memoriam Kongresshalle Berlin – Gezeichnete Utopien zum eingestürzten Symbol deutsch-amerikanischer Freundschaft“. Unter den einsendenden Architektinnen und Architekten befanden sich Peter Cook, Günther Feuerstein, Friedensreich Hundertwasser, Cedric Price, Allison and Peter Smithson und Superstudio, um nur einige zu nennen. Die Ausstellung fand international ein überwältigendes Echo und führte dazu, dass Aedes von der Stadt Berlin beauftragt wurde, die zentrale Ausstellung im Rahmen „Berlin Kulturhauptstadt Europas 1988“ zu kuratieren. Wir wählten das Thema „Denkmal oder Denkmodell – Visionen für eine geteilte Stadt“ und luden insgesamt achtzig internationale Architektinnen und Architekten ein. Unter den gezeigten Utopien waren auch solche, in denen es die Berliner Mauer nicht mehr gab, wie etwa von Lebbeus Woods oder Morphosis – dies bereits ein Jahr vor dem Mauerfall, den damals niemand vorhersehen konnte. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Ausstellungen internationaler Architekturbüros, die nicht der von dem IBA Neu-Direktor Josef Paul Kleihues gefeierten Postmoderne huldigten, wie etwa Alvaro Siza, Daniel Libeskind, Sauerbruch Hutton und Zaha Hadid.
Die 1990er Jahre – Wandel und Herausforderungen
Schon zu Beginn kristallisierte sich bei Aedes der Schwerpunkt Nachhaltigkeit heraus. Es begann 1994 mit der Ausstellung „Bioclimatic Skyscrapers“, der weitere folgten, die sich mit ökologischen Prinzipien im Bauwesen und der Neuverhandlung der Beziehung zwischen Mensch, Stadt und Natur beschäftigten. In Folge konzipierten und produzierten wir im Auftrag des Goethe-Instituts die Wanderausstellung „Made in Germany – Architektur und Ökologie“. Die Nachfrage war enorm und wurde weltweit in 70 Städten gezeigt. Zu dieser Zeit erhielt ich den Ruf als Direktorin an das Niederländische Architekturinstitut NAi in Rotterdam. Eine Herausforderung, die ganz andere räumliche und finanzielle Dimensionen eröffnete und groß angelegte Forschungs- und Ausstellungsprojekte ermöglichte wie „Japan. Towards Total Scape“ und die inzwischen legendäre Ausstellung „Blank – Architecture, Apartheid and After“. An der Erarbeitung und Realisierung dieses Projekts waren rund 30 Wissenschaftler, Historikerinnen, Autoren, Fotografinnen und Künstler aus Südafrika beteiligt, die städtebauliche und architektonische Situation während und nach der Apartheid analysierten und darstellten. Gemeinsam mit Hans-Jürgen Commerell, seit 1994 mein Partner bei Aedes, haben wir dieses Thema in der Ausstellung „Fast Forward Johannesburg“ später aufgegriffen.
Die Nullerjahre – globale Entwicklung
Die 2000er Jahre eröffneten nicht nur neue Horizonte, sondern brachten auch neue Herausforderungen mit sich. Das Programm wurde um den Schwerpunkt Asien erweitert, wie zum Beispiel mit Ausstellungen zu städtebaulichen Entwicklungen in Korea, Singapur, Indien und Japan. Besonders intensiv wurde der inhaltliche Diskurs mit China. Mit der Ausstellung „TU MU – Young Architecture from China“ hatte Aedes 2001 die Möglichkeit, die erste Generation chinesischer Architekten, die nicht mehr unter Kontrolle des Staates arbeiteten, der westlichen Welt vorzustellen. Zu ihr gehörten Ai Weiwei, Chang Yung Ho oder Wang Shu. Gleichzeitig führten wir den Diskurs über ökologische, ökonomische und kulturpolitische Fragen zur Zukunft der Architektur und Gesellschaft fort, was schließlich 2009 zur Gründung des Aedes Network Campus Berlin ANCB führte. Das eröffnet uns bis heute die Kooperation mit internationalen Universitäten und Institutionen der Zivilgesellschaft und Industrie, wie auch öffentliche Podiumsdiskussionen und Vortragsreihen.
Die 2010er-Jahre – ein neues Bewusstsein erwacht
In den folgenden Jahrzehnten bis heute hat das Verantwortungsbewusstsein von Architektinnen, Urbanisten und Vertreterinnen verwandter Disziplinen, wie auch der Politik, global zugenommen. In diesem Kontext entstanden 2010 und 2019 die von Aedes kuratierten Ausstellungen „Measure of Man – Measure of Architecture“ und „Human Scale Remeasured“, bei denen anhand ausgewählter internationaler Projekte der Fokus auf städtebaulichen und sozioökonomischen Fragestellungen und Lösungen lag, die Nachhaltigkeit und Resilienz einschlossen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Revitalisierung des ländlichen Raums. Dieser Thematik widmete sich 2018 auch die Aedes-Ausstellung „Rural Moves“ der chinesischen Architektin Xu Tiantian, die die Besuchenden begeisterte und in Staunen versetzte. Diese Momente des Staunens, Erlebens, der Neugierde, des Hinterfragens, Nachdenkens und Diskutierens sind es auch, die uns und unser Aedes-Team immer wieder an- und vorantreiben.