Andreas Denk

Vorhalle oder Fabrik?

Der angelsächsische Begriff der „lobby“ wurzelt wohl in den römischen lobia, den „Lauben“: Hier wurden die römischen Senatoren von bestimmten Interessengruppen an die Möglichkeit ihrer Abwahl erinnert. Da man ihnen auf diesem Wege auch Vergünstigungen oder Schwierigkeiten bei bestimmten Entscheidungen oder Abstimmungen in Aussicht stellen konnte, hatte diese baulich oft als Vorhalle gedeutete Schnittstelle zwischen Bürgern und Politik eine nicht geringe Bedeutung für die politische Meinungs- und Willensbildung im antiken Rom.

Der Lobbyismus, der sich aus dieser Praxis entwickelt hat, steht in zweifelhaftem Ruf. Nicht von ungefähr beschäftigen sich bürgerrechtliche Organisationen wie LobbyControl seit längerem mit den Auswirkungen der Einflussnahme gerade der mächtigen Lobbyisten. Die Frage, wer in Berlin oder Brüssel tatsächlich regiert, beantworten Kritiker dieses Systems mit einem Halbsatz: „Nur der Profitismus“.

2115 Verbände und Interessenvertretungen listet zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Lobbyliste des Deutschen Bundestags auf. Der Eintrag in sie ist freiwillig und sagt lediglich etwas darüber aus, wer zu den Anhörungen des Bundestags geladen wird. Deshalb kreuzen sich hier die Wege von Interessengemeinschaften wie der  Arbeitsgemeinschaft „Zukunft Amateurfunkdienst“ bis zu ZeLeM, dem Verein zur Förderung des messianischen Glaubens in Israel. Natürlich sind auch der BUND oder der WWF dabei. Wer jedoch tatsächlich in der Hauptstadt die Strippen zieht, ist dieser Liste wohl kaum zu entnehmen.

No. 236 der „ Ständig aktualisierte(n) Fassung der öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ ist derzeit der Bund Deutscher Architekten BDA, unmittelbar vor dem Bund Deutscher Baumschulen (No. 238) und nicht weit entfernt vom Bund Deutscher Kaninchenzüchter (No. 247) und dem Bund Deutscher Karneval (No. 248). Manche dieser Organisationen haben überaus konkrete Ziele: So setzen sich die Kaninchenzüchter für die artgerechte Haltung, für die Auffindung und Rückgabe verlorengegangener Tiere, für den Kaninchensport (KaninHop & Agility), Kaninchenkunst (KaninArt) und Bastelarbeiten in „Creativgruppen“ sowie für die Verwertung von Kaninchenprodukten wie Wolle, Fell, Fleisch, Mist und Gülle ein. Der BDA bleibt da vornehmer und unverfänglicher, in dem er sich als „Interessenvertretung freiberuflicher Architektinnen und Architekten im öffentlichen, berufspolitischen und -rechtlichen Bereich sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene“ darstellt.

Das ist eigentlich ein bisschen wenig, weil der wesentliche Unterschied der Interessenlagen so nicht erkennbar wird –  denn spätestens mit der Satzungsreform von 1972 des damaligen BDA-Präsidiums unter Busso von Busse, hat der BDA eine Neudefinition erfahren. Aus der ehemaligen Lobbyorganisation zum Schutz der Rechte der freischaffenden Architekten wurde – nach der Gründung der vor allem berufspolitisch tätigen BAK – qua präsidialer Erklärung eine gesellschaftspolitisch orientierte Denkfabrik für die Kultur des Bauens. Diese Fähigkeit des BDA und seiner engagierten Mitglieder, frühzeitig architekturkulturelle und architekturpolitische Themen zu entdecken, aufzubereiten und in die politische und öffentliche Diskussion einzuschleusen, ist ein inzwischen gerne von Politik und Wirtschaft genutztes Potential. Dabei wird die Funktion des Verbandes wohl kaum die unmittelbare Beeinflussung von Politikern sein. Zu den wichtigsten Funktionen von Denkfabriken zählen nach einer verbreiteten Definition die Forschung, das Agenda Setting, die Beratung von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, die Forcierung einer öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte – und eventuell die Ausbildung eines Pools von Experten: alles Dinge, die der BDA auf Bundes-, Landes- und lokaler Ebene mit seinen Gremien und Ausschüssen, mit seinen Veranstaltungen wie dem Berliner Gespräch und den BDA-Symposien, mit seiner Zeitschrift und dem DAZ, mit der Formulierung des Klima-Manifests und seinen Jahresprogrammen in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreich umgesetzt hat.

Die Art der Politikberatung, die der Verband damit leistet, muss unabhängig und öffentlich sein. Nur so kann der BDA seine große Stärke halten und mehren: Es ist die Äußerung von objektivierten Werturteilen, die ihn von allen anderen Verbänden und Kammern im Feld der Architektur abhebt. Dieses Profil gilt es zu stärken. Das idealistische Denken, das nicht-profitorientierte Handeln machen den Bund Deutscher Architekten BDA im Unterschied zu vielen anderen Organisationen der „Lobbyliste“ zu einem „think tank“, dem viele Zukünftiges zutrauen. Das könnte seine Mitglieder sehr stolz machen.

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