Uwe Schröder und David Kasparek

Wand und Wände

Mehr als nur ein Bauteil

Dicke, dünne, gläserne, steinerne, hängende, stehende, abschließende, abwehrende, tragende, nicht tragende, schützende, sprechende, repräsentative, ehrliche, plastische, gegliederte, glatte, farbige, raumbildende, räumliche, massive, mehrschalige, einschalige, konstruktive, trennende, bekleidete, rohe, heilige, schwere, leichte, wärmende, kühlende, homogene, zusammengesetzte, gefügte, gemauerte, gegossene, addierte, subtrahierte, innere, äußere, maskierte, dekorierte, bekleidete, bildende, abbildende, monumentale, niedrige, hohe, lange, umschließende, ausschließende, vorgestellte, gefühlte, städtische, häusliche, ausgleichende, utopische, mächtige… Wir kennen viele Arten von Wänden.

Erst Wände bringen Raum und Räume hervor: Ohne Wand gibt es keinen Raum – jedenfalls keinen architektonischen, keinen Innenraum. Neben dieser raumgestaltenden Komponente der Wand fungiert sie vielfältig, etwa als Scheidewand zwischen „Drinnen“ und „Draußen“, ist aber gleichzeitig ein raumhaltiges Element. Die Dicke der Wand manifestiert sich an ihren Öffnungen, an Fenstern, Türen und sonstigen Durchbrüchen, die gleichzeitig die Räume auf beiden Seiten der Wand verbinden. Je dicker eine solche Wand, desto mehr Raum kann sie aufnehmen, kann in sich Wege und dem nächstliegenden Kompartiment zugeordnete Nebenräume bergen.

Folgt man Gottfried Sempers Ausführungen im ersten Band seines Buchs „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder Praktische Ästhetik“,  stößt man auf den Begriff des Stoffwechsels, der eine entwicklungsgeschichtliche Veränderung der Materialität von Wänden umschreibt. Andere Materialien und Techniken kommen nach Semper entsprechend bis dato unbekannter und neuer Anforderungen an die Wand zum tragen. Wortgeschichtlich macht es dabei durchaus einen Unterschied, ob man die massive und in ihrer Fügung horizontal lagernde Mauer oder die in vertikalen Schichtungen erstellte Wand betrachtet. Für Semper liegt diesem Stoffwechsel vom ursprünglich Textilen hin zum Massiven eine gesellschaftsgebundene Veränderung zugrunde. Gleich ist beiden, dass sie im Inneren wie von außen bekleidet werden oder zumindest Bekleidungen erfahren können. Ein Phänomen, dem wir auch heute begegnen, wenn massive Mauern mit zusätzlichen Schichten aus Hartschaum und Putzen versehen werden. Doch welchen Ausdruck hat ein Raum, dessen Wand klingt wie eine merkwürdige Trommel?

Das Anordnen und Errichten von Räumen an Orten jedenfalls ist und bleibt dabei ureigene Aufgabe der Architektur. Die benötigten Räume lässt Architektur durch Wand und Wände erscheinen.

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