David Adjaye im Haus der Kunst

Beobachtung und Empathie

Das Wichtigste für die Arbeit eines Architekten, so David Adjaye in einem Interview mit der New York Times, sei die Beobachtung. „Wenn wir uns den Ort, an dem wir bauen wollen, nicht genau anschauen, agieren wir in einem Vakuum.“ Betrachtet man die über fünfzig realisierten Wohnhäuser, Schulen, Fabriken, Bibliotheken und Museen des jungen Architekten, wird schnell klar, dass David Adjaye ein sehr empathischer Beobachter ist. Der britische Architekt mit Wurzeln in Ghana, dem erstmals eine umfassende Werkschau im Münchner Haus der Kunst gewidmet wird, setzt nicht auf bekannte und immer wieder anzuwendende Mechanismen und Kniffe, wenn er einen Neubau plant. Stattdessen schaut er auf Details und existierende Lebensweisen vor Ort, auf klimatische Bedingungen, Lichtverhältnisse und vorherrschende Materialien, man könnte auch sagen: er spürt den Geist des Ortes auf. Das können Vegetationen sein, wie ein Pinienzapfen, dessen Struktur er in Glaspaneelen einer Fassade überführt. Oder die grün-weiß gestreiften Plastikmembranen der Verkaufsstände auf dem Baugrundstück des Idea Stores in London: Statt die Stände zu translokalisieren, um den Platz vor dem Neubau klinisch sauber aufzuräumen, plant er sie mit ein, sodass sie vor Ort bleiben können. Darüber hinaus adaptiert er die Farbigkeit ihrer Abdeckungen für die Fassadengestaltung des Idea Stores. Gesten wie diese zeugen von einer humanistischen Haltung, aber auch von zurückhaltender und überlegter Art der Formfindung und Gestaltung. David Adjaye will Orte für Menschen schaffen, die einladend und offen sind und die dazu geeignet sind, auch wirklich von ihnen benutzt zu werden.

Diese Haltung bedeutet allerdings nicht, dass er nicht auch zeichenhafte oder auch ungewöhnliche, nicht gefällige Architektur schafft: Das 2015 zu eröffnende Smithsonian National Museum of African American History and Culture in Washington ist von einem markanten dreistufigen Dachkranz aus handgefertigter, ornamental durchbrochener Zierbronze bekrönt, der an übereinandergestapelte, umgekehrte Pyramiden erinnert. An das Museum, das auf einem prominenten Grundstück am Rande der Ellipse vor dem Weißen Haus gebaut wird, richten sich viele Erwartungen, soll es doch ein Ort sein, wo der Beitrag der afroamerikanischen Kultur zur Identität und Geschichte Amerikas gezeigt wird.

Die Ausstellung im Haus der Kunst dokumentiert über 45 Projekte, die seit der Gründung von David Adjaye Associates entstanden sind. Klassisch ist das Ausstellungsdesign, dominierend sind eigens gefertigte Architekturmodelle, die die Materialien und Farbigkeit der Projekte erfassbar machen, sowie Fassadenelemente als Architekturzitate, die den Raum gliedern. An der Wand erklären Texte und Videos, Schnitte und Fotografien die einzelnen Objekte, dazu zeigen Abbildungen von urbanen Situationen, Kunstwerken und Designobjekten die Inspirations- und Bezugsquellen des Architekten. In den letzten Jahren entwickelte er auch städtebauliche Masterplanungen. Sie sind in der Ausstellung ebenso dokumentiert wie ein Bildessay, der Beobachtungen in afrikanischen Metropolen zeigt – mehr als eine Reise zu den eigenen Wurzeln Adjayes ist es eine Untersuchung der vitalen urbanen Transfomationsmechanismen auf dem afrikanischen Kontinent. In einem weiteren Raum sind ganz in weiß gehaltene Modelle seiner Wohnhäuser ausgestellt sowie Möbel und der Pavillon Horizon, der in Zusammenarbeit mit Olafur Eliasson entstanden ist. Ausgangs- und Schlusspunkt der Ausstellung ist der Materialschrank Adjayes: ein Regal voll mit unterschiedlichsten Material- und Farbproben. Es ist die Bibliothek des Architekten, gefüllt mit den elements von David Adjaye.

Juliane Richter

David Adjaye. Form, Gewicht, Material
bis 31. Mai 2015
Öffnungszeiten: Mo bis So, 10.00 bis 20.00 Uhr, Do 10 bis 22 Uhr
Eintritt: 12,- Euro, ermäßigt 10,- Euro

Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
80538 München

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: Enwezor, Okwui / Ryan, Zoë (Hrsg.): David Adjaye. Form, Gewicht, Material, The Art Institute of Chicago, 296 Seiten, 181 Farb- und 58 s/w-Abbildungen, 39,- Euro, ISBN 978-0-300-20775-0

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