„Die Stadt, die ich brauche – die Stadt, die ich liebe“

Bericht vom 13. BDA-Tag

„Die Münsteraner holen sich gern Expertenwissen in die Stadt, halten sich aber nicht dran!“ Mit milder Selbstironie startete Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe in den 13. BDA-Tag. Das Kleine Haus des Stadttheaters war mit 300 Experten voll besetzt – Experten für die Frage, was sie denn ausmache,  „Die Stadt, die ich brauche – die Stadt, die ich liebe“, so das Tagesmotto.

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

Heiner Farwick verwies zu Beginn auf das Narrativ der Entstehungsgeschichte des Baus. Was heute als Glücksfall gilt, nämlich der traditionelle, parzellengenaue Wiederaufbau der Münsteraner Innenstadt nach dem Krieg, haben Architekten und Stadtplaner damals beargwöhnt: Es war ihnen zu rückwärtsgewandt. Der Unmut der fortschrittlichen Kulturleute sollte sich besonders beim Theaterprojekt zeigen. Vier junge Architekten, Harald Deilmann, Max von Hausen, Werner Ruhnau und Ortwin Rave, haben sich zusammengetan, eine Bürgerinitiative ausgelöst und erreicht, dass die Stadt für das Theater einen Wettbewerb auslobt, den diese Vier dann auch noch prompt gewonnen haben. Münster baute das erste moderne Theater in Deutschland nach dem Krieg, ein Fanal in der zerstörten alten Stadt, und seine Schöpfer haben mit diesem Initialprojekt eine glänzende Architektenkarriere starten können. Heiner Farwick: „Dieses Theater von 1954 steht für vieles, was dem BDA wichtig ist: der öffentliche Diskurs über Architektur und Kultur, fairer Zugang für den Nachwuchs, die Findung der besten Lösung im geistigen Wettbewerb.“ Womit der BDA-Tag in der Gegenwart angekommen war.

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

Staatssekretär Gunther Adler vom Bundesbauministerium bezeichnete Münster als „ideale europäische Stadt“ und benannte dann die Maßnahmen und Erfolge seines Hauses bei der Schaffung von „mehr bezahlbaren und qualitätsvollen Wohnungen“ oder der „digitalen Transformation der Städte“. Im September ist die nächste Bundestagswahl, und am Rande der Tagung wurde gelegentlich die Sorge geäußert, das Bauministerium könne an eine Partei fallen, der hauptsächlich die Deregulierung der Märkte am Herzen liegt.

Der Soziologe Armin Nassehi stellte dann seinen Migrationshintergrund vor: „Mit Gelsenkirchener Abitur bin ich bayerischer Ordinarius geworden.“ Er definierte, was das Städtische ausmacht: Im „Sozialforum Stadt“ komme zusammen, was eigentlich nicht zusammengehöre; Marktplatz, Kirche, Rathaus und Bordell seien hier gleichzeitig an einem Ort. Im Gegensatz zum Dorf, das soziale Kontrolle, aber wenig Variationsbreite und keine Innovation böte, erlaube es die „Urbanität als Habitus“, Indifferenzen auszuhalten und gelassen an Widersprüchen vorbeizusehen. Erst die Fremdheit der Menschen in der Stadt sei das Medium, das Handlungskoordination ermögliche.

Heiner Farwick und Kai Koch hangelten sich dann, unterhaltsam im Zwiegespräch, an Bedarf und Bedürfnis der Stadt anhand exemplarisch ins Bild gesetzten adjektivischen Aspekten von Stadt entlang. „Wir brauchen Herzblut, die Stadt, die wir lieben, weiterzuentwickeln”, so Farwicks Fazit.

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

Die Mittagspause im Theaterfoyer stand buchstäblich im Schatten der Ruine des Rombergschen Hofes, den die jungen Architekten damals in ihren Neubau integriert hatten. In Münster wird das Neue eben doch gern durch das Alte abgesichert.

Andreas Denk und Robert Kaltenbrunner führten dann durch den Nachmittag, kleinere inszenierte Nickeligkeiten untereinander eingeschlossen. An drei Projekten wurde die Akteure der Stadt als „Stadtbausteine“ verhandelt: die Politik, die Bürger und die Verwaltung.

Der Schweizer Entwickler Andreas Hofer lenkte den Blick auf die Genossenschaftsszene in Zürich und deren Wiedererstarken nach der dortigen Immobilienkrise von 1992. Am Beispiel des Hunziker-Areals erläuterte er, dass der erforderliche politische Wille in Zürich für den genossenschaftlichen Gedanken des „Überlebens durch Sich-Zusammentun“ vorhanden sei. Sein Fazit: „Wenn wir für arme Menschen bauen, sollten wir nicht an der Architektur sparen!“

Peter Haimerl vermied in der von ihm bekannten Art alles Erwartbare. Jedenfalls zeigte er keine Gebäude, sondern die Vorgeschichte ihres Entstehens. Die Frage, wie bürgerschaftliches Engagement im ländlichen Raum aktiviert werden kann, beantwortete der Münchener Architekt filmisch: mit Cliffhangern. Ein solcher Cliffhanger kann ein plakatgroßes Foto sein, das eine schwarz gekleidete Frau in genau der Umgebung zeigt, wo das Plakat hängt (und wo gebaut werden soll). Manche dieser Cliffhanger bleiben dann auch gerne mal zwei Jahre vor Ort zu sehen, obwohl sie nur zwei Wochen hängen sollten. Architektur ist für Haimerl in erster Linie Verhaltenssteuerung. „Architekten müssen aufhören, sich als Dienstleister zu sehen, sie sollten echte Kampagnen starten, statt brav zu sein. Wir Architekten sind doch keine Waschlappen!“ Heraus kommen dann solche Glücksfälle wie das Konzerthaus Blaibach, das 2016 die „Große Nike“ des BDA gewann.

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

BDA Tag 2017, Foto: Till Budde

Piero Bruno von Bruno Fioretti Marquez ging seine Auseinandersetzung mit der Verwaltung etwas traditioneller an. Für die Mittelpunktbibliothek Berlin-Köpenick wählten die Berliner Architekten den „forschenden Ansatz, das bringt einen weiter“. Die Verwaltung hatte für manche Experimente kein Verständnis, sie habe nur auf die Einhaltung der Gesetze gepocht. Doch für Bruno heißt Verantwortung übernehmen, „die rote Ampel als Empfehlung zu verstehen.“ Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk antwortete mit der Bitte um Verständnis für die andere Seite: Es laste ein hoher Druck auf die Sachbearbeiter, alles richtig zu machen. „Die Architekten sollten wertschätzend mit meinen Mitarbeitern sprechen, dann machen die den Entwurf zu ihrer Sache!“

Die Sache zusammenzuhalten war dann am Schluss die Rolle von Kasper König, der seit 1977 alle zehn Jahre das Festival „Skulptur Projekte“ nach Münster holt, inzwischen die bedeutendste Ausstellung von Kunst im öffentlichen Raum weltweit. Zur Kunst wusste der alte Fuchs dieses Diktum beizusteuern, das sich wohl auch auf die Architektur anwenden lässt: „Es gibt gute Kunst, es gibt schlechte Kunst – und es gibt mittelmäßige. Die ist tödlich!“

Benedikt Hotze

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert