Buch der Woche: Partizipation macht Architektur. Die Baupiloten

Mitmachen und Nachmachen

Die Baupiloten, besser: die Baupilotin Susanne Hofmann, haben ein Buch veröffentlicht. Es ist eine Werkschau, die über vierzig Projekte verzeichnet. Die Crew hat sich auf Planungs- und Bauaufgaben spezialisiert, die spätere Nutzer am Entwurfs- und Planungsprozess teilhaben, also partizipieren lassen. Vor allem Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten sowie Wohnbauten wurden seit 2003 realisiert, in dem Jahr, als Susanne Hofmann mit ihrem damals noch unter ‚Susanne Hofmann Architekten‘ firmierenden Büro eine Kooperation mit der TU Berlin startete. Mit den Studierenden rief sie ‚die Baupiloten‘ ins Leben, um mehr Praxisbezug in den Studienalltag zu implementieren. Die Projekte, die sie mit den Studenten und im engen Kontakt mit den späteren Nutzerinnen und Nutzern entwickelte, waren derart erfolgreich, dass sie den bekannt gewordenen Namen ‚Baupiloten‘ 2014 auf ihr Büro übertrug.

Das Buch „Partizipation macht Architektur“ ist ein vehementes Plädoyer für die Aufnahme des partizipativen Prozesses in den Leistungskatalog der HOAI. Die „Phase Null“ wird von den Protagonisten und Verfechtern des partizipativen Bauens bereits jetzt als gleichwertiger, wenn nicht gar grundlegender Bestandteil des Planungsprozesses verstanden – schließlich müssen die Kindergartenkinder, Schüler, Erzieher und Bewohner am Ende mit der Architektur und in ihr leben – und das am besten mit Freude. Dennoch muss die ‚Phase Null‘ bis heute gesondert vergütet werden und es kommt auf den Willen und die Motivation der Bauherren an, dies zu tun.

In einem einführenden Text leitet die Autorin ihre Standpunkte und Leitbilder historisch her bzw. grenzt sich ab und bettet ihre Arbeit in eine Tradition, die in den sechziger Jahren mit dem „Design Methods Movement“ und Peter Sulzers Bausystemen berühmte Protagonisten hatte. Die Effekte wie ein hoher Grad an Identifikation und ein Zusammenwachsen der Nachbarschaft wurden schon damals beobachtet. Hinzuzufügen wäre, dass bereits in den zwanziger Jahren Ideen formuliert wurden, die späteren Bewohner am Ausbau ihrer Häuser zu beteiligen, etwa bei Walter Gropius und Peter Behrens. Susanne Hofmann erläutert anschließend sehr detailliert den Ansatz der Baupiloten, die Raumwahrnehmung und Atmosphäre, also die sinnliche Erfahrung des Raumes, als Mittel der Kommunikation zu nutzen. „Atmosphären geben Experten und Laien die Möglichkeit, über Raumqualitäten miteinander zu kommunizieren“, stellt sie fest. Letztlich sind die Workshops der Baupiloten zuerst einmal Sensibilisierungen für die Atmosphäre eines Raumes und Ortes und das Finden einer Sprache darüber. In weiteren Workshops, Spaziergängen oder auch „Probewohnen“ der Architekten in den umzubauenden Häusern, um den Nutzeralltag mit der Methode der Einfühlung nachzuerleben und eventuelle Missstände quasi am eigenen Leib zu erleben, oder auch Vorurteile abzubauen, werden die vorerst diffusen Wünsche mehr und mehr konkretisiert. „Partizipation macht Architektur“ ist demnach neben einem Beitrag zur aktuellen Debatte um Teilhabe eine Selbstvergewisserung und Definition der eigenen Rolle als Architekt.

In einem weiteren Teil der Monographie werden die Methoden und schließlich die Projekte der Baupiloten umfassend vorgestellt und in wissenschaftlicher Akribie aufgeschlüsselt, benannt und mit Nummern, Buchstabenkombinationen und graphischen Symbolen versehen. Das wirkt etwas überambitioniert, wenn man sich allerdings etwas eingelesen hat, ist alles schlüssig und nachvollziehbar. Das Grundrezept der Baupiloten ist stets gleich (Partizipation durch Workshop- und andere Verfahren, immer vor dem Hintergrund einer fast moralischen Überzeugung und des Selbstverständnisses des Architekten als Partner und Vermittler), aber das Topping wird jedem Projekt angepasst. Es gibt verschiedenste Variationen und Additionen, denn schließlich gleicht kein Gebäude und keine Aufgabenstellung und erst recht kein Bewohner und Nutzer dem anderen. Die gewünschte und oft auch erzielte Wirkung ist klar, man schaue nur auf ihr bekanntestes Projekt, der Umbau der Erika-Mann-Grundschule in Berlin (2003): Kinder wie Lehrer identifizieren sich stärker mit ihrer Umgebung, ein Zusammenwachsen auch der Nachbarschaft ist zu beobachten, es gibt weniger Bedarf an Nachbesserungen und Umbauten.

Das Buch will aber noch mehr sein: Ein Kompendium, das alles beinhaltet, was die Baupiloten und recht eigentlich Susanne Hofmann jemals gemacht hat – im letzten Kapitel sind noch mal alle Preise und Auszeichnungen, alle Ausstellungen und alle weiteren Veröffentlichungen der Autorin sowie alle Artikel über die Baupiloten aufgelistet. Darunter leidet die Lesbarkeit, die Schriftgröße ist recht klein geraten, um das Buch nicht noch dicker zu machen. Wen das nicht stört, der bekommt mit „Partizipation macht Architektur“ ein hilfreiches Hand- und anregungsreiches Anleitungsbuch, aus dem man Versatzstücke herausnehmen und in das eigene Planungshandeln integrieren kann.

Juliane Richter

Hofmann, Susanne: Partizipation mach Architektur. Die Baupiloten – Methode und Projekte, 256 Seiten, ca. 200 Farb- und 25 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Broschur, Jovis Verlag, Berlin, 29,80 Euro, ISBN 978-3-86859-302-0, englische Ausgabe: ISBN 978-3-86859-347-1

Fotos und Abbildungen: die Baupiloten

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