Ausstellung am Bauhaus Dessau

Damals wie heute

Im Jahr 2019 feiert das Bauhaus sein 100-jähriges Bestehen. Und wie das so ist bei großen Ereignissen: sie werfen ihre Schatten voraus. So bildet die gerade am Bauhaus Dessau eröffnete Ausstellung „Handwerk wird modern“ den Auftakt zu den umfänglichen Aktivitäten des Bauhauses im Rahmen des in zwei Jahren anstehenden Jubiläums. Die von Regina Bittner und Renée Padt kuratierte Schau widmet sich dem „Herstellen am Bauhaus“, wie dem Untertitel zu entnehmen ist. Und tatsächlich rückt die intelligent zusammengestellte Ausstellung im Bauhausgebäude nicht das fertige Produkt in den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern seine Entstehung. Wie sehr diese Genese dabei von handwerklichen Bedingtheiten abhängig ist zeigen die beiden Kuratorinnen mit teils noch nie präsentierten Ausstellungsstücken.

Bittner und Padt gelingt hier die Vermittlung des Handwerklichen als tagesaktuelle Disziplin. Zwei Räume, die je einen Blick in die Vergangenheit des Handwerks am Bauhaus und in die Gegenwart wie Zukunft handwerklicher Fertigung werfen, gliedern sich um einen zentralen „Werkraum“, an dessen Tisch Gespräche und Workshops stattfinden und sich die Ausstellungsbesucher einen eigenen Katalog zusammenbauen können. Sowohl in der Gründungszeit des Bauhauses als auch heute, das macht die Ausstellung deutlich, stand und steht das Handwerk in einem ganz speziellen Verhältnis zur industriellen Fertigung.

Zwar war es eines der ausgemachten Ziele der von Walter Gropius in Dessau gegründeten Schule, Serienprodukte für die breite Masse zu entwickeln, das Machen aber war elementarer Teil der Ausbildung in Dessau. In verschiedenen Werkstätten wurde vom Färben über das Arbeiten an Holz und Metall bis hin zum Weben und Knüpfen ganz handfest ausgebildet. Der Raum, der sich der Vergangenheit annimmt, zeigt dabei zahlreiche Archivalien des Bauhauses und stellte diese geschickt als „ungleiche Paare“ vor, die von einen Maschinenpark ergänzt werden. Zum ersten Mal werden diese historischer Werkbänke und damit die Bedingungen der Herstellung gezeigt. Durch die Paarungen wiederum wird das Prozesshafte und Handwerkliche in der Arbeit am Bauhaus ebenso deutlich wie die Zeitenwende, in der dies stattfand. Etwa wenn der legendäre Wassily-Sessel von Marcel Breuer als geschraubte Variante auf der einen und geschweißte auf der anderen Seite ausgestellt ist oder das verschnörkelte Zeugnis der Tischlerinnung zur Gesellenprüfung von Vera Meyer-Waldeck neben ihrem serifenlosen Bauhaus-Diplom liegt. Optisch trennt diese beiden Papiere gefühlt ein Jahrhundert, tatsächlich entstanden sie kurz hintereinander in den Jahren 1931 und -32.

Neben dem, wie hier die Art und Weise des Arbeitens ausgestellt wird, zeigt die Schau Einflüsse etwa für die Arbeit in der Weberei, wo intensiv nach einem adäquaten Übertrag historischer Webmuster gearbeitet wurde. Neben tatsächlichen Webarbeiten werden hier wunderbare Aquarelle und Buntstiftzeichnungen präsentiert, die illustrieren, wie die, etwa in der Sammlung des Berliner Ethnologischen Museums, gewonnen Eindrücke den Weg zum gewebten Produkt fanden. Auch das Spannungsfeld, in dem sich die Weberinnen bewegten – zwischen diesem forschenden Arbeiten und der fordistischen Auftragsarbeit, die zur Finanzierung des Bauhauses erwartet wurde – wird hier deutlich.

Neben ganz konkreten „Objektbiografien“, die die Entwicklung einzelner „Bauhaus-Klassiker“ nachzeichnen, sind hier auch eine Tafel mit den damaligen Strömen der am Bauhaus verwendeten Materialien ebenso erhellend wie das „Materiallager“, in dem unter anderem wunderbare Materialcollagen aus Cellophan und Kunstseide zu sehen sind. Offenkundig wird aber auch, wie sehr das Bauhaus als Institution im Hier und Jetzt einen adäquaten Ausstellungsbau benötigt. Um die historischen Ausstellungsstücke nicht zu gefährden, wird der abgedunkelte und hinter der ikonischen Vorhangfassade des Gebäudes eingebaute Raum von mehreren Klimaanlagen unangenehm laut beschallt. Einmal mehr wird in dieser Ausstellung klar, wie wenig sich das Bauhaus als Ausstellungshaus eignet.

Eine schöne Volte in die Gegenwart des Handwerks gelingt der Ausstellung dann jedoch durch den zweiten – wärmeren, helleren und leiseren – Raum, der verschiedene aktuelle Produkte versammelt. Hier haben die Kuratorinnen spekulative Biodesign-Projekte, Selbstbau- und Selbstermächtigungsobjekte mit 3D-gedruckten Produkten kombiniert. Natsai Audrey Chieza beispielsweise experimentiert mit lebenden Bakterien und natürlichen Organismen, die durch das Zuführen von Wasser und Sauerstoff Textilien färben. Ob das schlussendlich die Lösung für die Probleme der Textilindustrie sein wird, die immense Mengen hochgiftiger Substanzen zum Färben und Verarbeiten von Bekleidung emittiert, sei einmal dahingestellt. Beruhigend ist zunächst einmal, dass es Designer gibt, die nach anderen Wegen suchen und diese in teils wunderschönen Ergebnissen auch finden.

Gleiches gilt für die Arbeiten des englischen Kollektivs Assemble, deren Granby-Projekt die Ausstellung ebenso zeigt wie das Prinzip, nach dem der Spanier Álvaro Catalán de Ocón mit lokalen Handwerkern in verschiedenen Ländern dieser Erde Lampen baut, deren Grundstock stets eine gebrauchte PET-Flasche ist. Wie virulent die Frage nach Autorenschaft auch heute ist, die schon die Bauhäusler in den 1920er Jahren umtrieb, wird schließlich am „Endlosen Stuhl“, den Dirk Vander Kooij als 3D-gedrucktes Produkt aus wiederverwendetem Kunststoff entwickelte, und dem Projekt „Opendesk“ von Joni Steiner deutlich, das als eine Art globales Möbelunternehmen Dinge auf Grundlage einer Open-Source-Idee lokal produziert und diese ohne Fabriken und Lager vertreibt.

Neben der Tatsache, dass all die gezeigten Produkte schlicht und ergreifend schön anzuschauen sind, wird hier klar, dass Handwerk damals wie heute an einem Scheideweg stand, ja womöglich als technologische Erweiterung der jeweiligen Zeit immer an solchen Grenzen operierte.

David Kasparek

Handwerk wird modern. Vom Herstellen am Bauhaus
13. April 2017 – 7. Januar 2018
Täglich 10.00 – 17.00 Uhr
Eintritt: 7,50 Euro (inkl. Ticket für das Bauhausgebäude; ermäßigt 4,50 Euro)
Bauhaus Dessau
Gropiusallee 38
06846 Dessau-Roßlau

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