Buch der Woche: Architektur in Japan

Deutungen eines Sehnsuchtsort

Neben der Schweiz ist Japan wohl das Land, auf das sich die meisten Architekturenthusiasten als Sehnsuchtsort und Quell neuer Ideen gleichermaßen einigen konnten. Anders jedoch als das bergige Nachbarland im Süden der Bundesrepublik, scheint dem Land der aufgehenden Sonne eine Art modische Wiederkehr gegeben zu sein. Schon Muthesius und Taut äußerten sich beeindruckt über Japan, Architekten der 1960er bis -80er Jahre bestaunten Metabolismus und Postmoderne des Inselreichs, und Studierende der 1990er Jahre waren beeindruckt von der Radikalität, mit der Einfamilienhäuser, Kirchen und dergleichen mehr von Ando, Ito und Co nicht nur gedacht, sondern  auch gebaut wurden. In den letzten Jahren nun haben sich Architekten wie SANAA oder Sou Fujimoto durch kompromisslose Konzepte einen Namen gemacht, der sie hier zum Inbegriff einer neuen Architektur haben werden lassen.

Susanne Kothe, Hubertus Adam und Daniel Hubert haben nun in der Folge einer Werkberichtsreihe an der TH Köln ein Buch vorgelegt, das sich dem Dauerbrenner Japan und seiner Architektur widmet: „Dialoge und Positionen. Architektur in Japan“ ist ein rund 270 Seiten dickes, fein gesetztes und durchgehend gut bebildertes Buch geworden, das einen fundierten Einblick ins Thema bietet. Ein einführender Text der drei Herausgeber beleuchtet nicht nur die historisch gewachsene Begeisterung für Japan, seine Kultur im Allgemeinen und die Architektur im Speziellen, sondern umreißt auch die unterschiedlichen stilistischen Epochen Japans.

Den zweiten Teil bilden Interviews: Susanne Kothe, Hubertus Adam und Daniel Hubert haben dafür mit großen Namen ebenso gesprochen wie mit Protagonisten, die neben Stars wie Toyo Ito oder Sou Fujimoto etwas weniger bekannt sind. Der Reigen spannt sich von Fumihiko Maki, Osamu Ishiyama, Ryoji Suzuki, Riken Yamamoto über Makoto Sei Watanabe und Hiroshi Nakao bis hin zu Junya Ishigami und Go Hasegewa. Den Herausgebern ist mit dieser Auswahl eine doppelte Volte gelungen, bildet das Buch doch so eine weite Palette japanischer Architektur der letzten Jahrzehnte ab und fokussiert sich nicht nur auf die blog-Lieblinge der letzten Jahre. Neben dem aufgezeichneten gesprochenen Wort werden die Interviews mit den – ausschließlich männlichen – Protagonisten in Zeichnungen und Projektfotos adäquat bebildert.

Diesen „Dialogen“ folgen die „Positionen“. Christian Tagsold beleuchtet „Kulturelle Übersetzungsprozesse“ und damit die „Japanische Architektur zwischen Ost und West“. Hyon-Sob Kim erläutert die „Einflüsse aus Japan auf die moderne Architektur in Europa“, Benoit Jacquet ist mit Dialoge und Positionen. Architektur in Japan„Zwischen Tradition und Moderne“ dabei, Jörg Gleiter beschreibt in „Traumata der Modernisierung“ die japanische Nachkriegsarchitektur, Jörg Rainer Noenning und Yoco Fakuda-Noenning erläutern „Das System der Architekturproduktion in Japan“ und Philippe Bonnin schließlich rundet diesen Teil mit dem Text „Bezüge zu Traditionen in der zeitgenössischen Architektur Japans“ ab. All diese Beiträge sind ebenso informativ wie gut lesbar. Durch die Gegenüberstellung von „Dialogen“ und „Positionen“ gelingt es dem Buch hervorragend, den Blick auf die Architektur Japans zu weiten und zu fundieren.

David Kasparek

Susanne Kohte, Hubertus Adam, Daniel Hubert (Hrsg.): Dialoge und Positionen. Architektur in Japan, 272 S., 80 s/w- und 250 farb. Abb., Broschur, Birkhäuser, Basel 2017, 49,95 Euro, ISBN 978-3-0356-0845-8

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