editorial

zwei akute fälle von politik

Manchmal ist politisches Handeln nur noch ein Fall für die Satire. So war die Anordnung des nordrhein-westfälischen Bauministeriums Ende August keine Überraschung, dass die Baumhütten zu räumen sind, in denen ein Teil der Waldbesetzer im Hambacher Forst lebt. Sie protestieren hier gegen das Abholzen des Waldes für den weiteren Abbau von Braunkohle durch den Energiekonzern RWE. Überraschend jedoch war die Begründung: Die Hütten verfügten nicht über den erforderlichen Brandschutz. Bis dahin galt die Auffassung, dass die Baumhäuser keine baulichen Anlagen im Sinne des Baugesetzes seien. Dafür bedürfe es einer festen Verbindung mit dem Boden. Deshalb blieben die Hütten der Baumbewohner im Hambacher Forst bislang unbehelligt.

Nun stellte eine sachverständige Juristin aus der Polizeiabteilung des Ministeriums fest, dass manche Baumhäuser funktionsfähige Küchen und beheizbare Schlafzimmer haben und deshalb als ständige Niederlassungen zu betrachten seien. Jan Heimisch (CDU), Staatssekretär des nordrhein-westfälischen Bauministeriums, sorgte sich in einer schnell anberaumten Pressekonferenz allein um das Heil der Hüttenbewohner: „Sollte irgendwo ein Feuer ausbrechen, könnten die Retter nicht schnell genug zur Hilfe eilen.“ Mit der geplanten Rodung des Waldes durch RWE habe die Anweisung zur Räumung indes gar nichts zu tun, verlautbarte der Staatssekretär mehr oder weniger glaubwürdig: Am gleichen Tag hatte die ministeriale Polizeibeamtin eingeräumt, dass die Räumungsanordnung sicherlich „für den Gesamteinsatz taktische Vorteile“ habe.

Foto: Andreas Denk

Noch kurioser als dieses merkwürdig originelle Verwaltungshandeln ist der Fall Maaßen. Die Entscheidung des Bundesinnenministers Horst Seehofer, den nicht mehr im Amt haltbaren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen als Staatssekretär in sein Ministerium zu holen, ließ sich noch als Versorgungsmaßnahme für den umstrittenen Beamten interpretieren. Die rangmäßige und damit pekuniäre Aufwertung Maaßens hingegen erstaunte Medien und Öffentlichkeit: Maaßen hatte während der Chemnitzer Straßenkrawalle durch öffentlich vorgetragene Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Beweismitteln, die eine Hetzjagd rechter Schläger auf Ausländer zeigen, die Grenzen seines Amtes überschritten, zumal sich der Wahrheitsgehalt seiner Darstellung nicht belegen ließ. Nun aber sollte er zum Staatssekretär mit erkennbar höherem Salär aufsteigen. Überdies: Maaßen hatte sich nicht zum ersten Mal angreifbar gemacht. Ihm werden Kontakte zur AfD, ein nicht immer klares Verhältnis zur Wahrheit im Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt und insgesamt eine eigenwillige Amtsinterpretation nachgesagt.

Noch größer allerdings war die Überraschung, als Seehofer bekanntgab, dass Maaßen Gunther Adler ersetzen werde, den SPD-Staatssekretär also, der bis dahin für das Bauen und Wohnen in der Koalitionsregierung verantwortlich war und nun in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden sollte. Adlers Job sollte dessen Kollege Hans-Georg Engelke übernehmen, der bisher vor allem mit dem Verfassungsschutz und der Terrorismusbekämpfung beschäftigt war. Die Entscheidung fiel wenige Tage vor dem „Wohngipfel“, zu dem die Kanzlerin nach Berlin eingeladen hatte – und trotz Seehofers Bekenntnis, dass der „Wohnungsbau die soziale Frage unserer Zeit“ sei.

Der Coup des Innenministers, die Affäre Maaßen damit gewissermaßen auf Kosten der SPD zu beenden, hatte jedoch nur wenige Tage Bestand. Die nicht immer weitsichtig agierende SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles verspürte „durchweg negative Reaktionen aus der Bevölkerung“ und sah sich durch den immer größer werdenden Druck der „Basis“ schließlich gezwungen, ihre Zustimmung zu Maaßens „Beförderung“ zurückzuziehen. Und sogar die Bundeskanzlerin befleißigte sich einer Entschuldigung: Sie sei „zu sehr mit der Funktionalität und den Abläufen im Bundesinnenministerium beschäftigt“ gewesen und habe nicht daran gedacht, „was die Menschen zu Recht bewegt, wenn sie von einer Beförderung hören“.

Wie die von Merkel erhoffte „Funktionalität“ des Ministeriums mit der Bestallung eines völlig fachfremden Staatssekretärs gewährleistet gewesen wäre, mag das Geheimnis der Kanzlerin bleiben. Immerhin lenkte das Koalitions-Trio ein: Adler ist Staatssekretär geblieben und geht durch den politischen Rückhalt gestärkt aus der Affäre. Maaßen ist zum Sonderberater Seehofers für europäische und internationale Fragen geworden und soll jetzt unter anderem für Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik zuständig sein. Die Frage nach einer sachorientierten Politik hat sich bei der „Causa Maaßen“ offensichtlich erst sehr spät, in der öffentlichen Wahrnehmung wahrscheinlich zu spät gestellt. Das Hin und Her der Entscheidungsfindung im Innenministerium kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Hoffentlich bleiben die Folgen dieser personalen Eierei allein eine Sache der Satire…

Andreas Denk

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