Wettbewerb für Hochhaus am Europaplatz in Berlin

Gläsernes Ausrufezeichen

Viele architekturaffine Menschen überfällt zurzeit das kalte Grauen, wenn sie vom Berliner Hauptbahnhof nach draußen in den Stadtraum treten. Während auf der südlichen Seite Richtung Reichstag monotone Hotelklötze abgestellt wurden, wartet auf der nördlichen Seite zum Europaplatz zurzeit noch ein unwirtliches Areal mit vereinzelten Bürobauten, die das Entrée zur neu entstehenden „Europacity“ – einem geplanten funktional durchmischten Quartier mit über 400 Wohnungen – bilden sollen. Es fällt noch schwer, sich hier einen der „interessantesten innerstädtischen Räume“ Berlins vorzustellen, wie es das Stadtmarketing auf der Berlin-Website prophezeit. Neben dem „Tour Total“ von Barkow Leibinger, dem deutlich das Bemühen um gestalterische Identität anzusehen ist, soll auf der Nordseite nun ein weiteres Bürohochhaus gebaut werden, das den Europaplatz vor dem Hauptbahnhof einrahmen soll und voraussichtlich von der Firma KPMG genutzt wird. Den Wettbewerb um den Bau konnte das Büro Allmann Sattler Wappner Architekten nach Überarbeitung für sich entscheiden.

Die städtebauliche Idee ist, hier einen überschaubaren dreiseitigen Platz zu schaffen, der auf einer Seite durch die Straße vor dem Eingang zum Hauptbahnhof begrenzt wird und auf einer Seite durch drei Bauten in schrägem Grundriss-Winkel in die Europacity überleitet. Das geplante Hochhaus am Europaplatz, das als höchster Bau die Sicht auf den „Tour Total“ vermutlich verdecken wird, soll dabei ein bauliches Ausrufezeichen setzen. Für die Jury zeichnet sich der Entwurf von Allmann Sattler Wappner durch eine „angenehm ruhige Gesamtkubatur“ aus und entwickle „über das raffinierte Spiel in der Behandlung der Gebäudehülle eine noble Eleganz“. Die Fassade des Gebäudes, das sich auf U-förmigem Grundriss in einem niedrigen Teil und einem hohen Turmteil erstreckt, soll plastische Wirkung durch wechselseitig geneigte Flächen erhalten. Schmale Keramik-Stäbe strukturieren die Glasflächen je nach Höhe in unterschiedlichen Abständen und lockern das querrechteckige Raster der äußeren Hülle auf. Wie man sich die Fassadengestaltung im Detail vorzustellen hat, bleiben die Renderings dem Betrachter leider schuldig. Zu hoffen bleibt zudem, dass sich die transparent-leichte Wirkung des glasumspannten Turms nicht nur in den Computerdarstellungen, sondern auch in der Realisierung entfaltet – dass großflächige Verglasungen oftmals alles andere als durchsichtig sind, ist schließlich hinlänglich bekannt.

Vielversprechend ist vor allem der niedrige Teil des Baus, der sich über einen zweigeschossigen Eingangsbereich zum Europaplatz hin öffnen soll. Im Innern ist ein über die gesamte Gebäudehöhe großzügiges Foyer vorgesehen, in dem durch eine skulptural anmutende Holztreppe die oberen Stockwerke erschlossen werden. Die Glasdecke des Foyers greift die abgeflachte Zickzackform der Fassadenstruktur auf und lässt den luftigen Raum – zumindest in den Entwürfen – im Lichtspiel erstrahlen.

Elina Potratz

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