Gespräche mit Susanne Wartzeck

Im Kesselsaal

Das Erfurter Heizwerk, in dem sich BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck und Die Architekt-Redakteur Maximilian Liesner treffen, wurde während des Ersten Weltkriegs zur Vergrößerung der Königlich-Preußischen Gewehrfabrik errichtet. Die durch den verlorenen Krieg bedingte Umstellung der Produktion auf Schreibmaschinen währte nur bis zum Zweiten Weltkrieg, als hier abermals Gewehre gefertigt wurden. Zu Zeiten der DDR verlegte sich der nun volkseigene Betrieb wieder auf Schreibmaschinen. Mit der Wende kam das Ende des Betriebs und das Heizwerk fiel leer. Erst im vergangenen Jahr wurde es wiedereröffnet – saniert und erweitert vom ortsansässigen Büro hks | architekten sowie umgenutzt zu Veranstaltungsflächen und Büroräumen. Die Rüstungsproduktion an diesem Ort gehört damit endgültig der Vergangenheit an. In Europa herrscht nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wieder ein Krieg, der auch dieses Gespräch bestimmt. Redaktionsschluss war der 28. März 2022. 

Maximilian Liesner: Viele Menschen unterstützen Ukrainerinnen und Ukrainer in privatem Engagement. Was kann der BDA, was können Architektinnen und Architekten auf beruflicher Ebene tun?

BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck, Foto: Klaus Hartmann

Susanne Wartzeck: Als Büroinhaberinnen und -inhaber können wir den Menschen, die zu uns nach Deutschland fliehen, Arbeitsstellen und gegebenenfalls auch Unterstützung bei der Wohnungssuche anbieten. Zur Vermittlung haben wir auf der Website des BDA-Bundesverbands eine unbürokratische Plattform eingerichtet. Weil natürlich die wenigsten Geflüchteten direkt beim BDA suchen, weisen wir auch an möglichst vielen übergeordneten Hilfsstellen auf dieses Angebot hin. So werden wir sichtbar und können hoffentlich unseren Beitrag leisten.

Wie kann so eine kurzfristig eingerichtete Stelle aussehen?
Je größer ein Büro, desto arbeitsteiliger sind die Prozesse organisiert und desto einfacher ist es, die Kolleginnen und Kollegen direkt in die Strukturen einzubinden. Deshalb würde ich sie in mittelgroßen Büros wie meinem eigenen auch immer zuerst in das größte aktuelle Projekt holen. Natürlich gibt es erst einmal sprachliche Barrieren, aber in der Architektur können wir uns ja weltweit auch über das Zeichnen verständigen. Diese Erfahrung habe ich nun schon mehrfach mit ganz unterschiedlichen Menschen gemacht.

Führt die Sprachbarriere dazu, dass die ukrainischen Architektinnen und Architekten anfangs vor allem kreative Aufgaben übernehmen können?
Auch, aber nicht nur – ich denke da zum Beispiel auch noch an die Baustelle, wo Dinge überprüft und dokumentiert werden müssen. Solche Kenntnisse sind sicherlich bei der Arbeit hierzulande anwendbar. Anhand solcher anfangs vor allem unterstützender Aufgaben können sich die ukrainischen Kolleginnen und Kollegen in die neue Arbeitsumgebung einfinden.

Gemeinsam mit den anderen Verbänden der planenden Berufe hat der BDA in einem Appell den russischen Angriff auf die Ukraine als „unmenschlich“ verurteilt und den Menschen in Not zugesichert, „über Solidaritätsbekundungen hinausgehend auch konkrete Hilfe zu leisten“. Oft sind solche gemeinsamen Statements das Ergebnis zahlreicher Abstimmungsrunden. Wie haben Sie den Weg in diesem Fall erlebt?
Es ging sehr schnell, weil alle die Aufgabe als großes Miteinander empfunden haben – in dem Bewusstsein, dass wir nichts ausrichten können, wenn wir uns nicht zusammenschließen. Die Entscheidung wurde diesmal auch ohne die Rücksprachen getroffen, die Sie andeuten. Und auch ich habe ja zugesagt, bevor ich dem BDA-Bundesvorstand den Appell vorstellen konnte.

Welche Handlungsmöglichkeiten bietet die Gremienarbeit?
Der Kommunalrat des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), dessen Mitglied ich bin, bietet beispielsweise an, die Bundesregierung organisatorisch bei der Verteilung der Geflüchteten zu unterstützen. Denn das muss uns diesmal wirklich besser gelingen als 2015. Bestehende, gut verzahnte Verbände können dabei helfen. So etwas muss natürlich übergeordnet organisiert werden, bevor der BDA andocken kann. Aber dann können wir mit unserer föderalen Struktur Themen tatsächlich relativ schnell in die Breite tragen. Ähnliches gilt für das Ziel, den ukrainischen Studierenden eine Perspektive zu bieten. Dazu können wir als BDA mit den vielen Hochschullehrenden in unseren Reihen beitragen. Wichtig ist mir dabei, dass es nicht bei kurzfristiger Hilfe bleibt, sondern wir einen langfristigen Austausch etablieren. Wie wir immer wieder bei unserem deutsch-polnischen BDA-SARP-Award erleben, führt gemeinsames Lernen zu viel Verständnis füreinander. Wenn solche, für sich genommen vielleicht relativ kleinen Kooperationen in vielen Bereichen funktionieren, kann man sich ein Leben ohne einander immer weniger vorstellen – das zeigt die über die vergangenen Jahrzehnte gewachsene Beziehung zwischen Deutschland und Polen insgesamt.

Sie haben die Unterbringung der Geflüchteten angesprochen. Woran denken Sie, wenn Sie sagen, diese müsse diesmal besser gelingen als 2015?
Ich glaube, dass wir viel stärker darauf achten müssen, die Menschen wirklich in unsere Gesellschaft hereinzulassen und nicht zu separieren. Das war damals der größte Fehler – und ist natürlich angesichts der hohen Zahl auch die größte Herausforderung. Deswegen sollten alle ernsthaft überlegen, ob sie nicht Wohnraum zur Verfügung haben, beispielsweise eine Einliegerwohnung, die noch für später vorgehalten wird.

Heizwerk Erfurt, Kesselsaal, Foto: Steven Neukirch

Wie verändert sich angesichts des Kriegs Ihr Blick auf den beruflichen Alltag und das baukulturelle Engagement des BDA? Architektonische Themen sind ja nun nicht automatisch weniger wichtig, aber fühlen sich in manchen Momenten doch nebensächlich an.
Unmittelbar nach dem russischen Angriff war ich wirklich geschockt, weil es ein Angriff ist auf unsere Idee, wie wir als Menschen zusammenleben wollen. Deswegen erschien mir tatsächlich in den ersten Tagen alles außer Kriegs- und Fluchtgeschehen nebensächlich. Doch gerade in solchen Extremsituationen ist das kulturelle Schaffen eigentlich noch wichtiger, weil es Ausdruck unseres freiheitlichen Denkens ist. Darüber hinaus werden ja nun insbesondere Klimafragen mit einer ganz neuen Dringlichkeit diskutiert, weil für alle klar erkennbar wird, wie stark abhängig Deutschland von russischen Gaslieferungen ist.

In der denkwürdigen Sondersitzung des Bundestags am 27. Februar bezeichnete der liberale Finanzminister Christian Lindner die erneuerbaren Energien als „Freiheitsenergien“, weil sie unabhängig von Russland machen. Es werden also neue Argumente angeführt, die die Energiewende beschleunigen könnten.
Was mir dabei aber noch zu kurz kommt, ist die Frage nach geringerem Verbrauch, die erst allmählich ins Blickfeld rückt. Es würde ja durchaus viel bringen, wenn die Industrie ihre Prozesse hinterfragt oder auch Einzelpersonen weniger heizen und gewisse Strecken nicht mehr mit dem Auto zurücklegen. Natürlich kann nur verzichten, wer es sich leisten kann. Für diejenigen, die ohnehin nur wenig haben und nun umso härter von steigenden Energiepreisen getroffen sind, muss selbstverständlich der Staat sorgen. Bei allen anderen ist es eine Frage des gesellschaftlichen Engagements – und da haben wir als Architektinnen und Architekten durch das, was wir bauen und wie wir es tun, noch einige weitere Hebel in der Hand.

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