Symposium: Curating Everything

Jeder Mensch ist ein Kurator

Universalgenies allerorten: Künstler sind Architekten sind Designer sind Texter sind Marketingexperten. Und allem voran sind sie: Kuratoren. Und kuratiert wird alles, längst nicht mehr nur die klassische Ausstellung im Museumsbau, wo der Kurator die Kunstwerke auswählt, heranschafft und platziert. Von der Badezimmerausstellung im Baumarkt über das Filmprogramm im Multiplex bis zu den journalistischen Inhalten in Magazinen und natürlich auch dem eigenen Leben, dessen Wahrnehmung von außen wir über soziale Netzwerke steuern, wird kuratiert, was das Zeug hält. Da, wo Inhalte fehlen, wird mit dem Verb „kuratieren“ gern ein wenig linguistische Kosmetik betrieben und in einer Post-Internet-Gesellschaft hat scheinbar jeder Zugriff und Einfluss auf die Platzierung von Content (siehe auch den lesenswerten Text von Wolfgang Michal in seinem Blog).

Ein Symposium im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich will diesem scheinbar zeitgeistigen Phänomen und der Profession des Kurators nachgehen und unter dem ironischen Titel „Curating Everything (Curating as Symptom)“ die Tätigkeit des Kuratierens als gesellschaftliches Symptom untersuchen. Dabei formulieren die Organisatoren die These, dass der heutige Drang nach einer kuratorischen Position den Wunsch ausdrückt, Handlungsmacht durch Autorenschaft zu erlangen. Und das gilt insbesondere unter den prekären Bedingungen, unter denen Kulturschaffende oft arbeiten.

Dass das überlegte Kuratieren notwendig ist und bestimmte Qualifikationen erfordert und die Auswahl der Inhalte mitnichten nur der Crowd und ihrer Schwarmintelligenz überlassen werden sollte, wird heute oft vergessen. In Zeiten fast grenzenloser Vielzahl und Verfügbarkeit von Bildern und Informationen sind das Filtern, Bewerten und Neuordnen Fähigkeiten, die nur wenige beherrschen. Hans Ulrich Obrist, seines Zeichens wortgewandter Alles-Kurator, schrieb 2013 über seinen Berufsstand: „Das sind die Aufgaben des Kurators, der nicht mehr nur als eine Person gilt, die einen Raum mit Gegenständen füllt, sondern auch als jemand, der verschiedene kulturelle Sphären miteinander in Kontakt bringt, sich neue Ausstellungsmerkmale ausdenkt und Verbindungen herstellt, die unerwartete Begegnungen und Erlebnisse ermöglichen.“

Im Symposium wenden sich erfahrene Kuratorinnen und Kuratoren dem Thema zu und verstehen es als Meta-Diskurs und Werkzeug der Kulturproduktion. Eine Rolle spielen in den Vorträgen und Panels die Veränderungen der Bildproduktion, der Bildkreisläufe und der Erfahrung von Entfernungen und Themen wie Klasse und Geschlecht.

Juliane Richter

Symposium: Curating Everything (Curating as Symptom)
20. März 2015, 13.00 bis 17.00 Uhr
21. März 2015, 10.00 bis 19.30 Uhr
Programm, in englischer Sprache
Eintritt: zwei Tage: 40 CHF, ermäßigt 30 CHF, ein Tag: 30 CHF, ermäßigt 20 CHF

Um Anmeldung wird gebeten unter kunstvermittlung@mgb.ch

Migros Museum für Gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
8005 Zürich, Schweiz

Mit Inke Arns, Sebastian Baden, Ursula Biemann, Ellen Blumenstein, Sergio Edelsztein, Felix Ensslin, Frederikke Hansen, Fatima Hellberg, Elke Krasny, Marsha Meskimmon, Katharina Morawek, Dorothee Richter, Axel Wieder

Abb.: 0.10 Exhibition, unbekannter Fotograf, Originalquelle:  feed://lfeffortposts.wordpress.com/tag/art/feed, lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

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