Buch der Woche: Logbook Munich

Jeder Strich eine Welt

Logbuch, das: „Ein Tagebuch auf Seeschiffen, in das alle für die Seefahrt wichtigen Beobachtungen eingetragen werden“. Für Studenten der Architektur an der TU München ist es das Fahrtenbuch, mit dem sie in ihre Auslandssemester aufbrachen. 160 Studenten, 37 Länder, ein Jahr. Sie nahmen ein Skizzenbuch mit, um ihre Eindrücke von Lisboa bis New York City festzuhalten, teilten es auf der Website logbookmunich.com und nutzten es gleichzeitig als Tagebuch und Kommunikationsmedium.

Daraus entstand die Idee, einige der schönsten Zeichnungen herauszusuchen und im „Logbook Munich“ als gesammeltes Fahrtenbuch des Jahrgangs zu veröffentlichen. Unterteilt in topographische Regionen und Themen wie „Essen & Trinken“, „Unterwegs“ und „Menschen & Tiere“ und angereichert mit Anekdoten der Autoren, erzählt es vom Reisen, vom Erlebnishunger, vom Ankommen in der Fremde, vom Sich- Wundern und stellenweise auch vom Heimischwerden. Zeichnen ist immer auch Verinnerlichen – einer Situation, eines menschlichen Gesichts, eines Raumes. Es ist Verdichtung, gleichsam Erinnerungsstütze wie Visualisierung für Andere, die nicht dabei gewesen sind.

Dies kann man nun ganz gut theoretisch aufladen: So referieren die Studienreise und ihre Dokumentation natürlich auf die Grand Tour des 18. Jahrhunderts – die Bildungsreise, die nicht zuletzt durch die Aufzeichnungen (in Worten wie Bildern) des jungen Goethe Berühmtheit erlangte. Architekturzeichnungen haben ohnehin eine lange Tradition, waren vor Aufkommen des Fotos Souvenir und Verbildlichung entlegener Orte, ein Festhalten prachtvoller Panoramen, romantische Verklärung, utopische Vision oder Mittel wissenschaftlicher Forschung. Sie dienen noch heute dazu, vergangene Situationen zu rekonstruieren.

Die Studierenden der TU München wandeln also, wenn man es so betrachtet, auf ausgetretenen Pfaden. Aber letztlich braucht es so viel Herleitung gar nicht, denn die Skizzen stehen für sich und das Blättern durch dieses Skizzenbuch bereitet dem Leser schlicht Freude, was auch an der hohen Qualität der Zeichnungen und an der sorgfältigen Aufmachung und Reproduktion liegt.

Neben den Stadträumen haben die Zeichnerinnen und Zeichner vor allem Alltägliches festgehalten und durch ihren individuellen Zeichenstil einen subjektiven Eindruck eines Ortes und seiner Atmosphäre wiedergegeben. Manchmal erahnt man nur, was hier zu sehen ist, beinah abstrakt werden Einsichten in Höfe und Aufsichten in den Himmel dargestellt. Manchmal ist es ganz konkret, Skylines oder die Darstellung einzelner Architekturelemente kommen naturgegeben häufig vor.

Im Ergebnis wirkt das Buch in beide Richtungen: Es ist ein sehr persönliches Sammel-Album für die Produzenten und eine nachhaltige Anregung für dem Rezipienten. Denn diesem juckt es nach dem Durchblättern mächtig in den Fingern.

Juliane Richter

Fromme, Patrick/Michal, Luis/Rott, Simon/Schürmann, Hannah (Hg.): Logbook Munich. Die Welt in Skizzen. Ein Zeichenprojekt, 239 Seiten, zahlr. Abb., Technische Universität München 2015, ISBN 978-3-941370-59-3

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert